Von Westfalen in die Welt

Interview mit Ulrich Hagemann, Leiter Business Unit IMS der KELLER HCW GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Hagemann, KELLER HCW ist ein Unternehmen mit langer Geschichte. Wie sahen die Ursprünge aus?

Ulrich Hagemann: Carl Keller gründete das Unternehmen 1894; damals standen Absetzwagen für den Transport von Ziegeln im Vordergrund. Anlagen und Maschinen im Bereich Grobkeramik für die Produktion von Bauprodukten wie Mauer- oder Dachziegeln bildeten lange Zeit das Kerngeschäft.

Wirtschaftsforum: Aus dieser Tätigkeit entwickelte sich die Business Unit ICS Intelligent Clay Solutions, in der es heute um Roboterapplikationen, kundenspezifische Maschinenlösungen, Trockner- und Ofentechnologien und Anlagenkonzepte für die Ziegelindustrie geht. Wie sehen die anderen Business Units aus?

Ulrich Hagemann: Das Geschäft basiert zudem auf den Business Units IMS, die branchenunabhängig Handling- und Palettiertechniken sowie Roboteranwendungen entwickelt, der für intelligente Automatisierungslösungen für Schüttgutprozesse stehenden IAS und der ITS, Inbegriff für Messsysteme und Pyrometer für die optische Temperaturmessung für industrielle Anwendungen. Mit diesen Units erfüllen wir unterschiedliche Marktbedürfnisse.

Wirtschaftsforum: Wie ist KELLER heute aufgestellt und wie beurteilen Sie die gegenwärtige Marktentwicklung?

Ulrich Hagemann: Aktuell beschäftigen wir 350 Mitarbeiter und setzen 63 Millionen EUR um. Corona war für uns herausfordernd. Dennoch sind wir relativ gut durch die Pandemie gekommen, auch wenn die Reisetätigkeit für uns als weltweit agierendes Unternehmen in der Zeit eingeschränkt war. Die Unit IMS, für die ich verantwortlich bin, konnte sich auf einem stabilen Niveau halten. Die Erfahrungen aus Robotik und Automation, die wir in dem Bereich sammeln konnten, sind auch für andere Bereiche nützlich, was ein großer Vorteil ist. Was die aktuelle Marktentwicklung betrifft, blicken wir zuversichtlich nach vorn. Die nordrhein-westfälische Bundesbauministerin Klara Geywitz plant den Bau von 400.000 neuen Wohneinheiten; dafür liefern wir die für die Produktion der Materialien notwendige Anlagetechnik. Der IST-Zustand ist jedoch zurückgegangen und liegt deutlich unter dieser Zielvorgabe, während der Bedarf durch Zuzug eher bei 500.000 bis 600.000 Wohneinheiten pro Jahr liegt. Wir können hier mit unserem Hauptgeschäft direkt Einfluss nehmen, indem wir die Anlagetechnik aufrüsten und erneuern. Ein weiterer Punkt, der unsere Arbeit beeinflusst, ist der Klimaschutzvertrag. Bis 2045 soll die Treibhausgasneutralität erreicht werden, bis 2030 eine Reduktion von mehr als 65% gegenüber 1990. Dadurch ergeben sich für uns im Baustoffmarkt Chancen durch den enormen Bedarf an Modernisierungen energetischer Art. Keramikprozesse sind sehr energieintensiv, bisher haben wir dafür auf Gas gesetzt. Heute versuchen wir, den Energieverbrauch zu reduzieren und Energie zurückzugewinnen. Wir setzen auf alternative Energien wie Wind, Sonne und Wasserstoff. Auch wenn wir keine Elektrolyseure bauen, nutzen wir diese Technologie, um Kunden die Möglichkeit zu bieten, alternative Energien einzusetzen und Energie einzusparen.

Wirtschaftsforum: Aktuell sorgen Zins- und Preissteigerungen für Zurückhaltung in der Bauindustrie. Spürt KELLER diese Entwicklung?

Ulrich Hagemann: Materialien sind deutlich teurer geworden, das spüren nicht nur Privatkunden, auch bei öffentlichen Bauvorhaben ist das ein Problem. Wir versuchen, durch Energieeinsparung die Kosten zu reduzieren und Produkte wieder erschwinglich zu machen. Energieeffizienzsteigerung ist vor diesem Hintergrund ein wichtiges Stichwort.

Wirtschaftsforum: Lieferschwierigkeiten sind eine weitere Herausforderung. Wie geht KELLER damit um?

Ulrich Hagemann: Früher lagen Lieferzeiten für einfache Maschinen bei acht bis zehn Monaten, heute bei 12 bis 15; bei Robotern haben sich Lieferzeiten von vier bis acht Wochen auf zwölf Monate verlängert. Wir haben deshalb auf Lagerhaltung umgestellt. Ziel ist, durch eine neue Einkaufsphilosophie Termine abzusichern.

Wirtschaftsforum: Wie sieht vor diesem Hintergrund der Blick nach vorn aus?

Ulrich Hagemann: Positiv, denn die Nachfrage nach unseren Maschinen und Anlagen ist da. In der Coronazeit haben wir uns im Bereich Automatisierungstechnik weiterentwickelt und uns mit Themen wie dem digitalen Zwilling und intelligenten Steuerungstechniken beschäftigt. Es gibt Neuentwicklungen in der Brennertechnik wie Wasserstoffbrenner oder Reingasbrenner. Zudem sind wir Partner eines Forschungsprojektes in NRW für die Entwicklung eines Zwei-Stoff-Brenners, der mit Erdgas oder Wasserstoff betrieben werden kann. Unsere Vision ist, in unterschiedlichsten Bereichen energieeffiziente Anlagentechnik zu realisieren. Dabei hilft es, über den Tellerrand hinauszuschauen. Wärmepumpen haben wir zum Beispiel auch in Industriebetrieben eingesetzt. Eine weitere interessante Entwicklung ist der 3D-Betondrucker, momentan noch ein Pilotprojekt, aber mit spannenden Zukunftsaussichten. Mit Hilfe von Industrierobotern könnten in Zukunft Häuser nicht mehr gebaut, sondern gedruckt werden. Technologiezyklen werden immer kürzer; darauf müssen wir reagieren.

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