Hüte machen Leute

Interview mit Michela Morganti, Kaufmännische Leiterin der Tirabasso Serafino srl

Für die Tirabassos gab es nie etwas anderes als Hüte. „Wir wollten nie andere Produkte dazunehmen“, erklärt die Kaufmännische Leiterin Michela Morganti, die bereits seit 30 Jahren im Unternehmen ist. Sie sagt: „Es ist wichtig, den Beruf gut zu kennen. Wir haben ihn in unserer DNA. Die Generation vor uns hat uns den Weg geebnet und eine solide Basis geschaffen. Heute anzufangen wäre schwieriger.“

Die Firma gehört ihrem Schwiegervater Serafino Tirabasso, der sie 1967 gegründet hat. Zu verdanken hat das Unternehmen seine erfolgreiche Geschichte aber auch dem Mut eines anderen Mannes, berichtet Michela Morganti: „Schon der Vater meines Schwiegervaters verkaufte Hüte auf den lokalen Märkten an die Bauern.“ Beide Söhne von Serafino stiegen in die Firmenleitung ein. Produziert wurden zunächst nur Strohhüte. Dann begann man mit der Herstellung von Hüten für den Winter, auch aus Wolle.

Hüte für Sommer und Winter

Heute gibt es eine Sommer- und eine Winterkollektion. „Wir produzieren eine allgemeine Kollektion und stellen den Kunden neue Materialien vor. Er kann daraufhin seine eigene Zusammenstellung wählen“, so die Kaufmännische Leiterin. Dabei arbeitet das Unternehmen auch mit bekannten Gruppen wie Armani und Max Mara zusammen. „Sie helfen uns, neue Impulse zu bekommen“, erklärt Michela Morganti.

Eine Million Hüte verlassen jedes Jahr die Produktion, die noch immer sehr handwerklich geprägt ist. „Die Pressen sind seit 100 Jahren die gleichen. Die Qualität der Nähmaschinen wurde aber verbessert. 4.0 brauchen wir in der Produktion nicht. E-Commerce allerdings schon.“

Angestoßen von den Ideen der Kunden werden die Hüte entwickelt, im firmeneigenen Grafikstudio virtuell realisiert und anschließend umgesetzt. Besonders beliebt sind der Panama- und der Gondoliere-Hut. Das Stroh für diese und andere Hüte wird in China eingekauft. „Natürliche Materialien sind schwieriger zu bearbeiten. Heute nutzen wir außerdem andere. Dabei folgen wir immer den Trends: Romantik, Ethik, Vintage“, sagt Michela Morganti.

Mit Hüten experimentieren

70 Mitarbeiter sind bei Tirabasso Serafino beschäftigt. Der Jahresumsatz liegt bei elf Millionen EUR. 60% des Geschäfts machen die Hutmacher im europäischen Ausland, in Frankreich, Deutschland und Spanien. „Dort schätzt man das Design, die Fantasie und die Art, wie wir die Hüte verarbeiten“, erklärt Michela Morganti.

Michela Morganti
„Wir sollten mehr Zeit in die jungen Leute investieren. Nur so können wir die Tradition des italienischen Handwerks fortführen.“ Michela MorgantiKaufmännische Leiterin

Der Markt wächst. Sie erzählt: „Der Hut ist ein wichtiges Accessoire geworden, das durch die Krise im Grunde wieder aufgewertet wurde. Er wird nicht einfach getragen, sondern kann den Look verändern. Es gibt einen Hut für jede Gelegenheit.“

Seinen Erfolg verdankt Tirabasso Serafino auch seiner Experimentierfreudigkeit, ist sie sicher: „Wir probieren alles aus, was man mit einem Hut machen kann.“ Zudem kann der Kunde aus vielen Möglichkeiten wählen. „Wir haben einen Raum mit allen Mustern. Und wir unterstützen den Kunden in allen Belangen und sind für ihn da. Mit uns kann man reden, auch über den Preis“, so die Kaufmännische Leiterin. Ebenso habe die Diversifizierung zur Entwicklung der Firma beigetragen. So wurden zum Beispiel Brands für Kinder kreiert.

Die Tradition bewahren

Das Thema Personal bereitet den Verantwortlichen etwas Sorgen. Viele Mitarbeiter sind seit langer Zeit im Unternehmen und werden bald in Rente gehen. „Die neuen Generationen sollen ja studieren. Sie sollen aber darüber hinaus das Gefühl dafür bekommen, was Handwerk ist. Wir sollten mehr Zeit in die jungen Leute investieren. Nur so können wir die Tradition des italienischen Handwerks fortführen“, sagt Michela Morganti.

Von der Politik würde sie sich mehr Hilfe wünschen. „Wir haben bis jetzt alles allein gestemmt. Vor einigen Jahren hatten wir zum Beispiel ein Erdbeben. Hätten wir auf die Unterstützung der Politik gewartet, hätten wir aufgrund der Schäden drei Monate schließen müssen. Stattdessen haben wir hart gearbeitet und nur einen Monat verloren.“

So weiterzumachen wie bisher sei auch für die Zukunft die richtige Strategie. „Die Vergangenheit soll bei uns immer präsent sein und sich auch in unseren Kollektionen widerspiegeln“, betont sie. Ihr Wunsch ist es, vermehrt exklusiv zu arbeiten und den ECommerce als Verkaufskanal auszubauen.

„Die Marke Tirabasso hat es verdient, eine richtige Marke zu werden“, sagt Michela Morganti mit Nachdruck. Ihre Begeisterung für das Geschäft rührt auch daher, dass sie selbst gern Hüte trägt. „Mir gefällt außerdem der Kontakt zu den Kunden. Oft mündet er in eine Freundschaft.“

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