Kontinuität ist wichtiger als herausragende Brillanz einzelner Mitarbeiter

Interview mit Managementdenker Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hermann Simon

Wirtschaftsforum: Herr Prof. Simon, mit „Zwei Welten, ein Leben“ legen Sie Ihre Autobiografie vor. Worin liegt die Motivation für Sie, Ihre eigene Lebensgeschichte zu verfassen?

Hermann Simon: Natürlich leugne ich nicht, dass man eine Autobiografie auch für sich schreibt. Ich reise in die eigene Vergangenheit zurück. Es ist spannend, was man dabei alles erlebt und was einem wieder einfällt. Ich glaube aber auch, dass in meinem Werdegang „Vom Eifelkind zum Global Player“, so der Untertitel, eine Menge wertvoller Lehren stecken.

Hermann Simon
„Mich erstaunt immer wieder, wie blauäugig junge Menschen ihre Berufswahl treffen und sich dann wundern, wenn sie keinen angemessenen Job finden.“ Hermann Simon

Wirtschaftsforum: Können Sie Beispiele dafür nennen?

Hermann Simon: Ich beschränke mich hier auf drei Ratschläge, die sich insbesondere an junge Leute richten. Erstens, bereite Dich möglichst früh auf das Leben in der globalisierten Welt vor. Nimm am internationalen Schüleraustausch teil, absolviere zumindest einen Teil Deines Studiums oder Deiner Ausbildung im Ausland, mach internationale Praktika und reise, reise, reise.

Zweitens, nimm Dir nicht zu viel auf einmal vor, sondern erledige das, was Du gerade tust, bestmöglich. Dann wirst Du vorankommen. Und drittens, achte bei Deiner Berufswahl nicht nur auf Deine Vorlieben, sondern auch darauf, ob am Markt Bedarf besteht. Mich erstaunt immer wieder, wie blauäugig junge Menschen ihre Berufswahl treffen und sich dann wundern, wenn sie keinen angemessenen Job finden. Im Buch gebe ich unter dem Kapitel „Schule des Lebens“ viele weitere Ratschläge.

Hermann Simon
„Primär ging es mir darum, dass die Leser den Typen hinter diesen fachlichen Inhalten kennenlernen.“ Hermann Simon

Wirtschaftsforum: Das Buch ist insgesamt sehr persönlich geschrieben, einige Passagen regen zum Schmunzeln an. Warum haben Sie sich für diesen Stil entschieden?

Hermann Simon: Fachlich habe ich mit rund 40 Büchern wohl mehr als genug geschrieben. Meine Frau hat sogar kritisiert, dass die Autobiografie je ein Kapitel über die „Hidden Champions“ und über Preismanagement, also meine beiden Kernkompetenzen, enthält. Diese Kapitel hätte ich mir sparen können, meinte sie. Doch ich wollte auch etwas zur Entstehung dieser Kernkompetenzen sagen.

Primär ging es mir aber darum, dass die Leser den Typen hinter diesen fachlichen Inhalten kennenlernen. Für mich war zum Beispiel die Zeit bei der Luftwaffe extrem wichtig. Ich wollte ursprünglich Starfighter-Pilot werden, scheiterte jedoch an Augenschwäche. Bei der Luftwaffe habe ich führen gelernt. Das lernt man im Studium eher nicht. Auch meine Kindheit im kleinen Eifeldorf, in dem sich nicht viel abspielte und wo ich eine einklassige Volksschule besuchte, war für mich prägend. Heute werden solche Lebensphasen als verplemperte Zeit betrachtet. Das halte ich für einen großen Irrtum.

Ich sehe die Wurzeln meiner Energie und Zielstrebigkeit in der Zweiten Welt, die ich Globalia nenne, in meiner Ersten Welt, der Kindheit und Jugend im Dorf.

Hermann Simon
„Gegensätze? Ich gehe mit den Chinesen genauso um wie mit den Leuten in der Eifel. Das funktioniert sehr gut.“ Hermann Simon

Wirtschaftsforum: Sie bezeichnen Asien im Vorwort als Ihre „späte Liebe“, obwohl Sie selbst wie Ihre Eltern ein „Kind des Westens“ sind und es deutliche kulturell-religiöse, ökonomische und politische Unterschiede gibt. Inwiefern gelingt es Ihnen, diese Gegensätze zu vereinen?

Hermann Simon: Als ich seit den 1960er-Jahren VWL und BWL studierte, wurde natürlich Amerika zu meinem Traumziel. Alle, die in Marketing und Management international einen Namen hatten, saßen dort. Ich lernte dann die Top Business Schools MIT, Stanford, Harvard in insgesamt mehrjährigen Aufenthalten sehr gut kennen. Und stellte fest, dass die amerikanischen Kollegen auch nur mit Wasser kochen.

Eine Gastprofessur in Japan im Jahre 1983 brachte für mich ein Aha-Erlebnis. In Japan erlebte ich eine völlig andere Welt, die zu meinem Erstaunen trotz der unterschiedlichen Spielregeln sehr gut funktionierte. Seither hat mich das Interesse an Asien nicht mehr losgelassen. Und was in den letzten Jahren in China hinzukam, das lässt sich kaum in Worte fassen. Dabei muss ich sagen, dass ich keine Prognose zu China wage. Obwohl ich sehr oft dort bin, kann ich nicht sagen, wie es mittel- und langfristig mit China weitergeht. Gegensätze? Ich gehe mit den Chinesen genauso um wie mit den Leuten in der Eifel. Das funktioniert sehr gut.

Wirtschaftsforum: Die Gründung von Simon-Kucher würde man heute als Start-up bezeichnen. Wo sehen Sie Gemeinsamkeiten beziehungsweise Unterschiede im Vergleich zu heutigen Start-ups mit akademischem Hintergrund?

Hermann Simon: Ich sehe keine Unterschiede. Natürlich gibt es das Internet, und die Globalisierung ist viel weiter fortgeschritten. Aber ich würde mit Fokus sowie klein und bescheiden anfangen. Auf dem Gebiet, das man wählt, muss man heute wie damals besser sein als andere.

Und ganz entscheidend ist es, gute Mitarbeiter zu finden, die bei der Stange bleiben. Meine ersten vier Partner bei Simon-Kucher haben ihr ganzes Leben mit mir zusammengearbeitet. Auch die erste Sekretärin, die im September 1985 angefangen hat, ist heute noch, als Verwaltungschefin, an Bord. Diese Kontinuität ist wichtiger als herausragende Brillanz einzelner Mitarbeiter. Das gilt heute wie gestern.

Wirtschaftsforum: Landwirtschaftliche Betriebe sind auch heute noch klein- und mittelständisch geprägt. Ist diese Prägung zukunftsweisend im Hinblick auf wirtschaftliche Nachhaltigkeit und Innovationsstärke?

Hermann Simon: Das ist eine schwierige Frage. Wenn ich die Betriebe sehe, die überlebt haben, dann befinden sich diese alle in einem permanenten Rattenrennen. 400 Kühe, ein immer größerer Mähdrescher, höhere Kredite – und so geht es scheinbar endlos weiter. Im Osten haben wir schon Großbetriebe, die man als industriell bezeichnen kann.

Ich glaube, wir werden eine Differenzierung erleben. Einerseits Betriebe, die auf Kundennähe, regionale Ernährung, Öko, Bio et cetera setzen und dabei relativ klein bleiben, sich aber durch ihre besonderen Angebote dem knallharten Commodity-Preiswettbewerb entziehen. Kürzlich sagte mir ein solcher Milchbauer, dass er für seine Milch deutlich mehr als den Marktpreis erhalte. Andererseits gibt es dann die Großbauern, die auf Masse und Kosteneffizienz setzen, und die Aldi, Lidl und alle anderen Discounter beliefern. Ich erwarte eine Koexistenz dieser beiden Modelle.

Interview: Manfred Brinkmann

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