„Ohne unsere Exporte wären wir ein armes Land“

Interview mit Managementdenker Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hermann Simon

Wirtschaftsforum: Herr Simon, können Sie uns das Erfolgsrezept Ihrer Karriere verraten?

Hermann Simon: Es gibt keine generell gültigen Erfolgsrezepte. Ich warne junge Leute immer, sich von vermeintlichen, kochbuchartigen Erfolgsrezepten leiten zu lassen. Mein Motto habe ich von dem römischen Philosophen Seneca entlehnt. Es heißt ‚per aspera ad astraʼ (auf rauen Pfaden zu den Sternen). Das ist kein Erfolgsrezept, sondern es besagt lediglich, dass Wege nicht glatt und wie geplant verlaufen, dass man hart arbeiten und sich trotz Rückschlägen bemühen muss. Aber was man konkret tut, wie und wo man das tut, muss man selbst herausfinden. Diese Suche ist nicht einfach und kann lange dauern. Ich selbst habe mich beispielsweise mit 47 Jahren entschieden, meine Lebenszeitprofessur aufzugeben und das von mir gegründete Beratungsunternehmen zu führen. Warum habe ich diesen Schritt nicht früher getan? Offenbar brauchte ich so lange, um zu wissen, was ich wirklich will.

Hermann Simon
„Es gibt keine kochbuchartigen Erfolgsrezepte.“ Hermann Simon

Wirtschaftsforum: Welche Momente/Ereignisse gibt es, auf die Sie heute noch gerne zurückblicken?

Hermann Simon: Auch hier gibt es nicht das alleinige Erweckungserlebnis. Ich glaube, dass meine Führungsfähigkeit in zwei Phasen meiner persönlichen Geschichte gereift ist. Zum einen war ich in meinem kleinen Heimatort der Älteste einer Gruppe von sechs Jungen. So fiel mir die Rolle des Anführers quasi natürlich zu. Bei der Luftwaffe war ich in jungen Jahren, mit Anfang 20, mit durchaus schwierigen Führungsherausforderungen konfrontiert, insbesondere 1968, als die Russen in die Tschechoslowakei einmarschierten. Ich gehörte damals zum Jagdbombergeschwader 33, das einen sehr delikaten und sehr speziellen Auftrag hatte. Im zivilen Leben kommt man in jungen Jahren nicht in solche herausfordernden Führungssituationen. Sehr wichtig waren für mich auch meine Aufenthalte in Amerika und Japan. Sie haben enorm zur Erweiterung meines Horizontes beigetragen.

Wirtschaftsforum: Kommen wir zur Zukunft: Gibt es neue Projekte und Pläne, für die Sie brennen?

Hermann Simon: Seit ich nicht mehr die operative Führungsverantwortung für Simon-Kucher & Partners habe, gibt es für mich viel größere Freiheitsspielräume. Ich nutze diese zum einen für Vorträge, die ich weltweit halte, zum anderen zum Schreiben. Dabei beschränke ich mich nicht auf Fachbücher. Vor kurzem habe ich ein Buch über meine Kindheit und Jugend im Eifeldorf geschrieben, das den Titel  „Die Gärten der verlorenen Erinnerung“ trägt und regional gleich ein Bestseller wurde (siehe amazon.de). Das hat Spaß gemacht und ist Anreiz, in der Zukunft ähnliche Projekte anzugehen.

Wirtschaftsforum: Kurzer Exkurs zur Debatte in Deutschland um zunehmende Armut, Kinderarmut und Ungleichheit. Politiker, unter anderem der designierte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, sehen die Ursachen hierfür in der zunehmenden Globalisierung, nicht aber in einer verfehlten Politik. Wie sehen Sie das?

Hermann Simon:  Die Globalisierung hat vor allem enormen Wohlstand gebracht. Das gilt für die ganze Welt, aber noch stärker für Deutschland, denn Deutschland ist der größte Profiteur der Globalisierung. Ohne unsere Exporte wären wir kein so reiches Land. Das Problem besteht in der ungleichen Verteilung der Früchte der Globalisierung. Diese Ungleichheit wird meines Erachtens jedoch übertrieben und fälschlicherweise der Globalisierung angelastet. Das einzig langfristig wirksame Mittel gegen diese Ungleichheit, sind nicht Steuern, sondern ist Bildung. Denn die Benachteiligten des wirtschaftlichen Wandels zeichnen sich durchgängig durch niedrige oder falsche Qualifikationen aus. Niedrige Qualifikation erklärt sich selber. Falsche Qualifikation besteht darin, dass man etwas lernt, für das es am Markt keine Nachfrage gibt. Dieses Problem geht bis in höchste akademische Kreise. Ich halte übrigens das bedingungslose Grundeinkommen, das in diesem Zusammenhang verstärkt vorgebracht wird, für einen Irrweg. Es basiert auf Annahmen über das menschliche Verhalten, die total realitätsfremd sind.

Hermann Simon
„Das Problem besteht in der ungleichen Verteilung der Früchte der Globalisierung.“ Hermann Simon

Wirtschaftsforum: Trägt also Politikversagen eine Mitschuld an der vorherrschenden Ungleichheit?

Hermann Simon:  Bei Themen wie Investitionen in Bildung, Aufrechterhaltung von Schulstandards, um nur zwei Beispiele zu nennen, kann man der Regierung durchaus Vorwürfe machen, das gilt allerdings stärker für die Länder als für den Bund. Exzessive Gehälter von Topmanagern tragen sicherlich zur Wahrnehmung der Ungleichheit bei, selbst wenn sie von der Größenordnung, relativ zum Umsatz oder den Kosten des jeweiligen Unternehmens, keine große Rolle spielen.

Wirtschaftsforum: Stichwort Brexit und Donald Trump: Wird Ihnen eigentlich angst und bange um die Hidden Champions in Deutschland angesichts der geopolitischen Veränderungen in der Welt?

Hermann Simon: Um die Entwicklung insbesondere in USA mache ich mir schon Sorgen. Das hätte ich bis vor kurzem nicht für möglich gehalten. Brexit und Europa geben ebenfalls Anlass zu erheblicher Besorgnis. Meine Sorgen sind jedoch nicht so sehr auf die Hidden Champions bezogen, sondern stärker auf die generelle Lage. Die Hidden Champions stellen oft unverzichtbare Produkte her, sodass protektionistische Maßnahmen sie weniger gefährden als normale Unternehmen.

Wirtschaftsforum: Wie sollten die versteckten Weltmarktführer jetzt agieren, um auch weiterhin Erfolgsgeschichte zu schreiben?

Hermann Simon: Die Hidden Champions haben den großen Vorteil, dass sie in den meisten Märkten schon mit eigenen Tochtergesellschaften präsent sind und viele dieser Tochtergesellschaften dort auch produzieren. Sollte es in Amerika höhere protektionistische Mauern geben, empfiehlt es sich, die Produktion dort weiter auszubauen. Das haben deutsche Unternehmen in Brasilien mit Erfolg gemacht. Man wird dann zum Insider. Viele der großen Unternehmen sind in den USA bereits Insider. Beispielsweise beschäftigt Daimler in Amerika 26.000 Mitarbeiter. Bei Hidden Champions wie Kärcher sind es in der Regel etwa 10 bis 20% der Belegschaft.

Hermann Simon
„Sollte es in Amerika höhere protektionistische Mauern geben, empfiehlt es sich, die Produktion dort weiter auszubauen.“ Hermann Simon

Wirtschaftsforum: Geht es auch um die Erschließung neuer Märkte in Asien?

Hermann Simon: Falls es in Amerika zu einem Umsatzausfall kommen sollte, ist es natürlich vorteilhaft, auf asiatischen Märkten präsent zu sein und das Geschäft dort auszubauen. Das gleiche Phänomen hat sich in der Krise 2008 gezeigt. Firmen, die sowohl im Westen als auch in Asien stark vertreten waren, haben Umsatzeinbrüche von 20 bis 30% erlitten, während Firmen, die beispielsweise nur in Europa verkauften, Umsatzeinbrüche von 50 bis 70% verkraften mussten. Ein Beispiel ist der europäische Marktführer für Sattelaufleger, die Firma Schmitz Cargobull. Dieser Hidden Champion war damals nur in Europa vertreten. Mittlerweile hat man bei Schmitz Cargobull die Konsequenz gezogen und ein Werk in China aufgebaut. Das ist genau der richtige Weg.

Interview: Dr. Tanja Glootz und Manfred Brinkmann

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