„Immer in Chancen denken“

Interview mit Martin Dibold und Guido Brüning, Geschäftsführer und Gesellschafter der HY-LINE Computer Components Vertriebs GmbH

Wirtschaftsforum: Die Firmengeschichte von HY-LINE reicht 30 Jahre zurück. Welche Entwicklungen waren in dieser Zeit besonders wichtig?

Martin Dibold: Kennzeichnend ist für uns, dass wir uns vom klassischen Großhändler weiterentwickelt haben in Richtung technische Beratung und eigene Entwicklung. Der Kunde kommt zu uns mit einer Idee, und wir entwickeln für ihn die Hardware. Er bleibt also bei seiner Kernkompetenz, dem Verkauf, und kümmert sich um die Software. Wir machen den Rest.

Guido Brüning: Wir beraten den Kunden nicht nur zum State of the Art, sondern auch dazu, was darüber hinaus noch möglich ist. Diese interne Weiterentwicklung resultiert zum einen aus einer neuen strategischen Ausrichtung, zum anderen aus den Leuten, die wir ins Unternehmen geholt haben.

Wirtschaftsforum: Wie hat sich das Unternehmen entwickelt?

Martin Dibold: HY-LINE Computer Components hat sich recht konstant entwickelt. Wir befinden uns in einer konservativen, langsamen Industrie-Umgebung und verzeichnen daher kein exponentielles Wachstum, brechen aber auch nicht ein, wie andere Firmen derzeit. Unser Umsatz liegt bei 30 Millionen EUR. In Unterhaching, unserem Büro in Tuttlingen und im Außendienst beschäftigen wir 31 Mitarbeiter, 80 sind es in der Gruppe. Wir kümmern uns ausschließlich um Vertrieb, Marketing, Customer Service und Technik. Alles andere ist in die Holding ausgelagert. Derzeit hilft uns auch, dass wir verschiedene Standbeine haben. Denn die Thematik, mit der wir uns beschäftigen, können wir in unterschiedliche Branchen transportieren.

Wirtschaftsforum: Wie sieht Ihr Leistungsspektrum aus?

Martin Dibold: Wir bieten verschiedene Technologien, die dort zum Einsatz kommen, wo es härter zugeht – nicht nur was Vandalismus angeht, sondern auch in Bezug auf klimatische Bedingungen. Wir können zum Beispiel ein iPad in Industriequalität bauen oder einen Parkticketautomaten, der in der Wüste, im Skigebiet oder an der Küste stehen kann, wo das Wasser waagerecht kommt. Daneben sind wir immer noch Distributor von Touch-Technologie inklusive Schutzgläser und Ansteuerung. Je nachdem, was der Kunde benötigt, bauen wir Rechner vom Scheckkartenformat bis zum leistungsfähigen Server in einem schicken Gehäuse.

Guido Brüning: Mit der Touch-Technologie sind wir seit 30 Jahren am Markt und haben hier eine hervorragende Reputation. Viele Kunden fragen wegen eines Displays an und sind dann erstaunt, was wir noch alles machen. Im Zentrum unserer Arbeit steht oft die Visualisierung, die Frage, wie ich eine Eingabe im Bild darstellen kann. Es geht darum, Informationen zwischen Mensch und Maschine auszutauschen, im Sinne des Human Machine Interface.

Wirtschaftsforum: Welches sind Ihre neuesten Entwicklungen?

Martin Dibold: Eines unserer neuen Produkte ist das holografische Display. Das eigentliche Display wird dabei virtuell vorgezogen und die Eingabe kann auf diesem Bild gemacht werden. Flying Touch nennt sich dieses Touchen in der Luft. Gerade durch Corona ist das Thema hochaktuell, denn die Menschen möchten vermeiden, Flächen zu berühren, die schon von vielen anderen zuvor angefasst wurden. Gerade haben wir außerdem unser erstes Patent angemeldet, auf eine Touchfläche, die permanent frei von Bakterien und Viren ist. Die Glasoberfläche wird dabei mit speziellen LEDs gereinigt. So etwas gibt es bisher nicht auf dem Markt.

Wirtschaftsforum: Welche Verantwortungsbereiche haben Sie in der Geschäftsführung?

Martin Dibold: Ich habe 2016 die Geschäftsführung insbesondere für Vertrieb und Marketing übernommen. 2001 bin ich bei HY-LINE Computer Components eingestiegen.

Guido Brüning: Im Unternehmen bin ich seit 2005 und seit 2011 als Geschäftsführer zuständig für Controlling, Finanzen, Qualitätssicherung und Zulassungen. In Europa und weltweit wird die Bürokratie immer größer, damit steigen für uns die Herausforderungen. Ich würde mir wünschen, dass man bei alldem pragmatisch denkt und hinterfragt, was wirklich das Ziel ist. Im nächsten Jahr treten wieder neue Normen für die Elektronikbranche in Kraft, von denen noch niemand weiß, wie sie umgesetzt werden sollen. Mein Appell an die Politik wäre, praxisnäher zu denken, also auch zu berücksichtigen, wie sich Vorschriften gerade vor dem Hintergrund der Globalisierung umsetzen lassen.

Wirtschaftsforum: Welche Faktoren sind Ihrer Meinung nach ausschlaggebend für den Unternehmenserfolg?

Martin Dibold: Der wichtigste ist unser motiviertes Team, das wir einfach machen lassen, anstatt die Mitarbeiter in ein enges Korsett zu zwängen. Uns ist es wichtig, dass die Leute, wie wir auch, Spaß an ihrer Arbeit haben. Die Fluktuation ist auch sehr gering. Zudem haben wir langfristige, erfahrene Lieferanten mit hoher Qualität zum verkaufbaren Preis.

Guido Brüning: Ein weiterer wesentlicher Punkt ist, dass wir immer in Chancen denken und uns fragen, worin der Nutzen liegen kann. Neues wird bei uns nicht gleich mit einem ‚aber‘ versehen. Es ist wichtig, Augen und Ohren offenzuhalten. So waren wir beispielsweise, nachdem vor etwa zehn Jahren das erste iPhone mit der damals ganz neuen Touch-Technologie herausgekommen war, die ersten am Markt, die innerhalb weniger Monate diese Technologie für die Industrie nutzbar gemacht haben.

Martin Dibold: Deshalb sehen wir auch die aktuelle Lage als Chance. Ich bin sicher, wenn Corona nicht gewesen wäre, hätten wir jetzt kein Patent.

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