Spinnenseide aus dem Labor: Material der Zukunft
Interview mit Isabel Rosenberger, Marketing- und Kommunikationsmanagerin der AMSilk GmbH
Die fantastischen Eigenschaften von Spinnenseide für praktische Anwendungen zu nutzen – das ist der Anspruch der AMSilk GmbH. Dabei stehen neben unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten auch Fragen der Nachhaltigkeit, unter anderem erneuerbare Rohstoffe, Bio-Abbaubarkeit, Recycelfähigkeit und Verringerung des CO2-Fußabdrucks, auf dem Programm. Das als Start-up 2008 gegründete Unternehmen ist auf einem guten Weg und mittlerweile sehr erfolgreich, wie Marketing- und Kommunikationsmanagerin Isabel Rosenberger ausführt: „Unser Protein ist von seiner Struktur und von seiner Länge her sehr, sehr gut. Das liegt auch daran, dass seit der Gründung darauf geachtet wurde, fähige Mitarbeiter anzuwerben. Sie entwickeln das Design dieses Proteins stetig weiter und passen es einer Vielzahl möglicher Applikationen an.“ Einen weiteren Grund für den Erfolg sieht Isabel Rosenberger in der gelungenen Auswahl strategischer Partner: „Mit dem dänischen Unternehmen 21st.BIO als einem unserer Partner haben wir auf einen Anbieter gesetzt, der viel Erfahrung in der Fermentierung dieses Proteins hat. Dabei geht es darum, das Protein in ausreichender Menge für industrielle Anwendungen hochzuskalieren. Die Fokussierung auf das Erreichen einer industriell relevanten Größe ist deshalb sicher eine der Stärken von AMSilk.“
Spin-off der TU München
Gegründet wurde AMSilk 2008 als Spin-off der Technischen Universität München. „Mitgründer und Forschungstreibender war seinerzeit Prof. Dr. Thomas Scheibel“, erklärt die Marketing- und Kommunikationsmanagerin. „Er hat sich damit beschäftigt, Spinnenseide künstlich herzustellen. Spinnenseide ist nämlich extrem flexibel und robust und bietet deshalb großes Potenzial, Materialien für die Zukunft herzustellen. Seinerzeit hat Prof. Scheibel ein biotechnologisches Verfahren entwickelt, den Spinnenfaden im Labor herzustellen. Er hat das Spinnenseide produzierende Genom des Tieres in Mikroorganismen eingesetzt, die sich vermehren und auf diese Weise das Biomaterial vervielfältigen.“ Das so aus den Mikroorganismen gewonnene pure Seidenprotein wird anschließend pulverisiert oder – je nach Applikation – aufgelöst.
Nass-Spinnverfahren
„Die zweite große Errungenschaft von AMSilk war die Einführung des Nass-Spinnverfahrens“, verdeutlicht Isabel Rosenberger. „Dabei wird das Proteinpulver in Wasser aufgelöst und in einen Endlosfaden umgewandelt. Damit haben wir eine Vorstufe für Anwendungen in der Textilbranche erreicht.“ Das Seidenpulver trägt zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit herkömmlicher, haushaltsüblicher Wasch- und Spülmittel bei, bei gleichzeitiger Reduktion des Anteils an Chemikalien. Neben der Flexibilität und der Festigkeit überzeugt das Seidenpulver durch weitere Eigenschaften. Es ist antibakteriell und natürlich abbaubar. Daraus ergeben sich Anwendungsmöglichkeiten auch für die Kosmetikindustrie sowie für die Medizintechnik. Um die Kräfte sinnvoll zu bündeln, konzentriert sich AMSilk nach verschiedenen Marktstudien auf zwei Nutzungsbereiche: textile Anwendungen und FMCG, also Fast Moving Consumer Goods und hier vor allem auf Waschpulver und Geschirrspülmittel. Durch den Einsatz des Seidenproteins können bestimmte Chemikalien ersetzt werden.
Namhafte Investoren
„Wir haben mehrere hochrangige Investoren, die schon sehr früh bei AMSilk waren“, beschreibt Isabel Rosenberg die Eigentümerstruktur. „Das waren zunächst MIG Capital sowie die Athos (AT Newtec). Später kamen strategische Investoren wie die dänische NOVO Holdings und das US-amerikanische Handelsunternehmen Cargill hinzu. Noch sind wir fremdfinanziert, befinden uns aber jetzt an der Schwelle zur Kommerzialisierung.“ Geleitet wird AMSilk mit seinen aktuell 75 Beschäftigten von CEO Ulrich Scherbel, CFO Ralph Fraundorfer. „Wir müssen gar nicht viel Kundenakquise betreiben“, sagt Isabel Rosenberger. „Viele Kunden treten an uns heran, und wir setzen alles daran, so schnell wie möglich die Nachfragen bedienen zu können, in dem wir unsere Produktionskapazitäten mit erfahrenen Industriepartnern entsprechend hochfahren.“ So hat AMSilk bereits erste erfolgreiche Projekte mit nachhaltigen Materialien für Automotive Interior erbracht und arbeitet mit namhaften Automobilherstellern zusammen an weiteren Materialentwicklungen. Grundsätzlich versteht sich AMSilk als globaler Lieferant. Dabei ergibt sich das Einzugsgebiet natürlich auch aus den unterschiedlichen Absatzmärkten. So sind es bei den Luxustextilien zum Beispiel große Modehäuser in Frankreich und Italien.
Industrielle Fertigung
„Bei uns arbeiten Menschen, die mit Biomaterial die Welt verändern wollen“, skizziert Isabel Rosenberger. „Es sind Mitarbeiter, die aus Überzeugung dabei sind. Dabei haben wir eine gute Mischung aus Novizen und erfahrenen Beschäftigten.“ Die kommenden Jahre bei AMSilk stehen ganz im Zeichen der Fertigung industriell relevanter Mengen. „Wir wollen einer der führenden Hersteller seidenproteinbasierter Biomaterialien sein“, so Isabel Rosenberger. „Unseren Kunden möchten wir damit einen echten Mehrwert bieten.“