Stahl im Wandel der Zeit

Interview mit Alexander Stier, Leiter Verkauf und Logistik der Stahlwerk Thüringen GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Stier, die Stahlwerk Thüringen GmbH hat eine lange Geschichte und präsentiert sich innovativer denn je. Wie kam es dazu?

Alexander Stier: Die Anfänge des Unternehmens reichen in das Jahr 1872 zurück, als hier vor Ort die Maximilianshütte gegründet wurde. Das Erz der Region bot sich für den Hochofenprozess an, deshalb wurde das Werk als Tochterunternehmen der Maxhütte in Sulzbach-Rosenberg gegründet. Bis heute gab es verschiedene Meilensteine, die die Unternehmensentwicklung beeinflussten. Zur Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit investierte man 1985 in eine kombinierte Formstahlstraße. Nach dem Fall der Mauer vermittelte die Treuhand das Werk 1992 an die luxemburgische Arbed-Gruppe. Nach verschiedenen Modernisierungen konnte 1995 das Elektrostahlwerk in Betrieb genommen werden. Die alte Hochofenroute wurde komplett abgerissen und innerhalb von vier Jahren entstand ein vollkommen neues Stahlwerk, das auf Basis einer Elektroofenroute arbeitet. Eingeschmolzener Schrott wird zu Stahl verarbeitet, wodurch CO2-Emissionen deutlich reduziert werden. Diese Technik ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg in die Dekarbonisierung.

Wirtschaftsforum: Wie ist das Stahlwerk Thüringen heute aufgestellt?

Alexander Stier: 2001 schließen sich die Stahlkonzerne Arbed, Aceralia und Usinor zum neuen Arcelor-Konzern zusammen. Aus kartellrechtlichen Gründen kommt es 2007 zum Verkauf an die spanische Gruppe Alfonso Gallardo. Seit 2012, und damit seit mehr als elf Jahren, sind wir Teil der brasilianischen CSN-Gruppe, die mit zwei Standorten in Europa präsent ist, und leisten hier einen wertvollen Beitrag für das Stahlgeschäft. 2022 haben wir bei einer Ausbringung von 719.000 t über 800 Millionen EUR umgesetzt.

Wirtschaftsforum: Wie sehen Ihre Prognosen für die Zukunft aus?

Alexander Stier: 2023 gestaltet sich schwierig; die Nachwirkungen von Corona sowie die anhaltende Thematik der Energiekrise und Verfügbarkeiten sorgen noch immer für eine geschwächte Nachfrage und Unsicherheit. Dennoch bleiben wir positiv und hoffen auf Anstöße von Seiten der Politik, um Schwung und Stabilität in die Wirtschaft zu bringen. Konkret heißt das, wir wünschen uns Förderprogramme, damit Unternehmen wieder investieren. Das gilt auch für die anstehende Dekarbonisierungstransformation; damit diese gelingt, muss mehr Transparenz und Klarheit geschaffen werden.

Wirtschaftsforum: Sie sprechen das Thema Dekarbonisierung an. Welchen Beitrag leistet das Stahlwerk Thüringen diesbezüglich?

Alexander Stier: 2022 konnten wir die neue Produktlinie SWT Green Steel einführen; ein eingetragenes, international geschütztes Produkt und eine ideale Marke, um in Zukunft komplett CO2-neutral hergestellte Produkte anbieten zu können. Wir gehen hier von einem Zeitraum von 15 bis 18 Jahren aus, in denen wir viele Projekte vor uns haben werden, die vom gesamten Unternehmen getragen werden müssen. Durch die Verwendung von grünem Strom aus skandinavischer Wasserkraft können wir heute bereits CO2-reduzierten Stahl liefern.

Wirtschaftsforum: Gibt es weitere Herausforderungen?

Alexander Stier: Wir wollen verstärkt als internationaler Stahlhersteller wahrgenommen sowie mit unserer Marke ‘SWT Stahlwerk Thueringen GreenSteel’ als Produzent von CO2-reduziertem Stahl als Benchmark der Branche bekannter werden. Neben unserem traditionellen Produktportfolio liefern wir hochwertige Sondergüten für den Konstruktionsbereich. Zum Beispiel sind Wind- und Solarplattformen auf hoher See von immer größerem Interesse. Für dieses spezifische Marktsegment, das rund 5% unseres Umsatzes ausmacht, liefern wir Stahl, der in den Tiefseebereich geht. Ein weiteres Feld, in dem wir bereits aktiv sind und das weiter ausgebaut werden soll, sind Stahlschwellen für Schienen. Neben neuen, nachhaltigen Produkten beschäftigt uns das Thema Fachkräftemangel; eine Herausforderung, das der aktuellen Überalterung der Bevölkerung, aber auch einem Sinneswandel und veränderten Erwartungen geschuldet ist. Personalknappheit muss langfristig aufgefangen und seitens der Politik über verschiedene Lösungskonzepte entgegengewirkt werden. SWT ist verstärkt und proaktiv auf Ausbildungsmessen präsent, um junge, kompetente Menschen für unser Unternehmen zu gewinnen.

Wirtschaftsforum: Mit welchen Alleinstellungsmerkmalen kann das Unternehmen angesichts dieser komplexen Marktbedingungen auftrumpfen?

Alexander Stier: Zum Beispiel mit einem sehr guten Netzwerk aus internationalen Kunden gepaart mit einem hochwertigen Produkt. Für einen Stahlproduzenten sind wir sehr flexibel, was Güten, Abmessungen und die Logistik betrifft. Wir können frisch gewalztes Material schnell an jeden Punkt in Europa und der Welt liefern.

Tags
Nach themenverwandten Beiträgen filtern

Mehr zum Thema Kunststoff, Metall, Holz & Co.

Kabelschutz mit nachhaltigem Ansatz

Interview mit Antonio Fortunati, Gechäftsführer der Tubifor Srl

Kabelschutz mit nachhaltigem Ansatz

Ob Wohnungsbau, Gewerbe oder Industrie – elektrische Installationen erfordern höchste Sicherheit und Qualität. Die Tubifor SRL aus Buonabitacolo, Italien, kombiniert modernste Technologie mit nachhaltigen Materialien, um zukunftsweisende Kabelschutzlösungen zu bieten.…

Lichtblick: Hightech trifft Nachhaltigkeit

Interview mit Christian Veser, Geschäftsführer der VEMA technische Kunststoffteile GmbH

Lichtblick: Hightech trifft Nachhaltigkeit

In Krauchenwies, unweit des Bodensees, hat die VEMA technische Kunststoffteile GmbH ihren Sitz. Das 65 Mitarbeiter starke Familienunternehmen hat sich unter der Leitung von Geschäftsführer Christian Veser, der sich die…

Präzision in Perfektion

Interview mit Markus Schlein, Geschäftsführer der Sack & Kiesselbach Maschinenfabrik GmbH

Präzision in Perfektion

Seit über 100 Jahren entwickelt und fertigt Sack & Kiesselbach Münz- und Industriepressen, die heute vornehmlich in der Erzeugung von Sammlerstücken und Medaillen aus Edelmetallen sowie in der Pharmaindustrie eingesetzt…

Spannendes aus der Region Landkreis Saalfeld-Rudolstadt

Ein starker Partner  für Handwerk und Technik

Interview mit Bernhard Furcht, Geschäftsführer der ASI Anlagen, Service, Instandhaltung GmbH

Ein starker Partner für Handwerk und Technik

Dienstleistungen in der Haustechnik, dem Facility Management und dem Anlagenservice sind unerlässlich für den reibungslosen Betrieb moderner Gebäude und Industrieanlagen. Dabei stehen Effizienz, Nachhaltigkeit und die Gewährleistung von Betriebssicherheit im…

Leicht, stark, nachhaltig –  die Zukunft gehört dem Leichtbau

Interview mit Andrea Klein, Geschäftsführerin der TUBUS WABEN GmbH & Co. KG

Leicht, stark, nachhaltig – die Zukunft gehört dem Leichtbau

Leichtbau ist weit mehr als eine technische Optimierung – er ist ein entscheidender Faktor für Nachhaltigkeit und Effizienz. Durch intelligente Materialwahl und innovative Konstruktionen lassen sich Gewicht, Energieverbrauch und Emissionen…

Der Döner für alle Fälle

Interview mit Mustafa Demirkürek, Gründer & Geschäftsführer der Alzarro Dönerworld GmbH

Der Döner für alle Fälle

Fertigprodukte sind aus den Supermarktregalen längst nicht mehr wegzudenken. Und doch fehlte dort bislang ein echter Klassiker: der Döner. Mustafa Demirkürek hat genau das geändert. Mit seiner Idee eines frischen,…

Das könnte Sie auch interessieren

„Wir machen möglich, was andere nicht können“

Interview mit Daniel Moder, Produktionsleiter der K. Moder GmbH

„Wir machen möglich, was andere nicht können“

Präzision, Flexibilität und technologische Innovation prägen die moderne Fertigungs­industrie. Die Fähigkeit, maßgeschneiderte Lösungen zu bieten, spielt dabei eine entscheidende Rolle. Mit ihrem Know-how, ihrer regionalen Verwurzelung und dem Fokus auf…

Forster Profilsysteme: Innovative Systeme aus Stahl

Interview mit Dr. Jürgen Schwarz, Geschäftsführer der Forster Profilsysteme GmbH

Forster Profilsysteme: Innovative Systeme aus Stahl

Forster Profilsysteme zählt zu den führenden Herstellern von Stahl- und Edelstahlsystemen für Fenster, Türen und Fassaden. Das Schweizer Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern verarbeitet über 12.000 t Stahl pro…

Innovative Armaturen mit Präzision, die begeistern

Interview mit Bernd Jenner, Geschäftsführer der Pfeiffer Chemie-Armaturenbau GmbH

Innovative Armaturen mit Präzision, die begeistern

Als Spezialist für ausgekleidete und metallische Armaturen ist die Pfeiffer Chemie-Armaturenbau GmbH ein wichtiger Partner der Industrie. Seit über 50 Jahren verbindet das Unternehmen technologische Expertise mit globaler Präsenz. Geschäftsführer…

TOP