150 Jahre Erfahrung in der Stahllogistik

Interview mit Steffen Siebel, Geschäftsführer der Gerhard Siebel GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Siebel, Ihr Unternehmen blickt bereits auf eine 150 Jahre währende Historie zurück – wie wurde Ihr Speditionsbetrieb zu dem, was er heute ist?

Steffen Siebel: Die ersten Aufzeichnungen zu unserem Unternehmen datieren um das Jahr 1850, als mein Vorfahr Konrad Siebel hier im Kreuztaler Raum mit zwei Pferdefuhrwerken nicht nur landwirtschaftliche Produkte, sondern bereits auch Kohle und erste Stahlerzeugnisse transportierte. Unsere heutige Logistikkette hat ihren Ursprung derweil in der Nachkriegszeit, als mein Großvater neben den Pferdefuhrwerken auch erste Lkw anschaffte, zu einer Zeit, als mit der fortgesetzten Erfolgsgeschichte namenhaften Stahlhersteller auch der Stahlbau eine starke Expansion erfuhr. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts beschleunigte sich auch das Wachstum unseres Unternehmens zusehends: Bestand unser Fuhrpark in den 1980er-Jahren noch aus fünf bis zehn Lkw, verzeichneten wir um die Jahrtausendwende bereits 25 Fahrzeuge und engagierten uns nicht mehr nur im Herzen der westdeutschen Stahlindustrie, dem Ruhrgebiet und Ostwestfalen, sondern ab 1995 auch im nationalen Fernverkehr. Heute verfügen wir über insgesamt 76 ziehende Einheiten und sind über einen Gleisanschluss auch in intermodale internationale Logistikketten eingebunden. 

Wirtschaftsforum: Worin liegen die zentralen Herausforderungen beim Transport von Stahlerzeugnissen im Vergleich zu anderen Logistiksegmenten? 

Steffen Siebel: Egal ob wir Vormaterialien wie Stahlcoils für große Stahlkonzerne fahren, Baustellen mit Trapezblechen für Lagerdächer oder das produzierende Gewerbe mit Fensterbeschlägen beliefern, bestehen bei all diesen Produkten besondere Anforderungen an die Ladungssicherung, die deutlich komplexer ausfallen als etwa beim Transportieren standardisierter Palettenware. Dementsprechend ist auch bei unseren Lkw-Fahrern und Fachkräften für Lagerlogistik nicht nur ein umfassendes Know-how, sondern auch eine entsprechende Sensibilisierung für die damit verbundenen Gefahrenquellen erforderlich – was in Zeiten weitreichender Fahrerassistenzsysteme allerdings immer schwerer zu vermitteln wird. Doch unsere Fracht erreicht gut und gerne ein Gesamtgewicht von 40 t, weshalb Sicherheit natürlich bei jedem einzelnen Prozessschritt an erster Stelle steht. Um uns gerade in Zeiten des allgemeinen Fachkräftemangels auch personell weiterhin stark aufstellen zu können, bleiben wir mit Überzeugung Ausbildungsbetrieb und beschäftigen derzeit insgesamt neun Auszubildende – sowohl als Berufskraftfahrer als auch als Fachkräfte für Lagerlogistik sowie als Kfz-Mechatroniker in unserer hauseigenen Werkstatt. 

Wirtschaftsforum: Um ihren CO2-Fußabdruck zu reduzieren, wollen immer mehr Unternehmen den in ihrer Logistikkette anfallenden Verkehr zunehmend von der Straße auf die Schiene verlegen – welche Folgen ergeben sich daraus für Ihre Spedition? 

Steffen Siebel: Mit einer 10.000 m2 großen Lagerhalle, in der derzeit circa 60.000 t Stahl liegen, und unserem eigenen Gleisanschluss treten wir als zentrales Hub auf und fungieren als wichtiger Knotenpunkt in den transnationalen Logistikketten, die einen hohen Komplexitätsgrad erreicht haben: So wird bei uns beispielsweise per Bahn Material aus Belgien oder den nordischen Ländern angeliefert, das dann von uns an die Stahlservicecenter oder Endverbraucher weitertransportiert wird. Gerade auf der letzten Meile kommt es dabei auf eine enge Abstimmung mit dem Kunden und eine unbedingte Termintreue an. Zudem verfügen nur die wenigsten Industriebetriebe noch über einen eigenen Gleisanschluss, schlicht weil die damit verbundenen Auflagen viel zu streng und die Kosten zu hoch sind. Deshalb wird der Straße auf der letzten Logistiketappe weiterhin die dominierende Rolle zufallen. Trotz aller Bestrebungen, die Schiene zu stärken, dürfte der Lkw-Verkehr insgesamt sogar noch zunehmen, allein schon, weil in einer Welt der globalisierten Warenströme der Konsum weiter steigen wird: Wenn ich heute bei Amazon eine Handyhülle für 5 EUR bestelle, wird sie mir morgen per Sprinter zugestellt. Daran haben sich die Verbraucher nun einmal gewöhnt. 

Wirtschaftsforum: Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit derweil für Ihr Unternehmen? 

Steffen Siebel: Eine große – gerade, weil wir als schlagkräftige Spedition von Haus aus einen großen CO2-Fußabdruck haben. Wir sind jedoch nicht in der Position, unseren gesamten Fuhrpark mit einem Schlag auf Elektro-Lkw umzurüsten, schlicht weil die infrastrukturellen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind. Perspektivisch sehen wir eher im Diesel HVO100 eine wichtige Innovation für uns. Darüber hinaus möchten wir unsere Lagerhallen gerne mit Photovoltaikmodulen versehen, um so nicht nur nachhaltiger, sondern auch kosteneffizienter arbeiten zu können: Denn wenn unser Kran einmal hoch- und runterfährt, entsteht dabei ein Stromverbrauch, für den ein Privathaushalt einen ganzen Monat brauchen würde. Eine wichtige Voraussetzung für diese Projekte ist aber ein weitsichtiger Planungshorizont, der für ein mittelständisches Unternehmen angesichts der vielfachen politischen Unsicherheiten aktuell einfach nicht besteht. Deshalb hoffen wir, dass die neue Bundesregierung schnell Klarheit über die steuerlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen für derartige Investitionen schaffen wird – damit wir als gewachsenes mittelständisches Unternehmen unseren Mitarbeitern und Kunden auch weiterhin eine sichere und stabile Zukunft bieten können.

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