Für das Klima: Alle Hebel in Bewegung
Interview mit Dirk A. Neumayer, Geschäftsführer der Richard Neumayer GmbH
Wirtschaftsforum: Herr Neumayer, das Unternehmen Richard Neumayer ist seit über 150 Jahren am Markt. Wofür steht die Firma?
Dirk A. Neumayer: Unser zentrales Thema war immer die Mobilität. Es begann mit dem Schmieden von Hufeisen, dann folgten Kolben für Verbrenner. Heute haben wir ein starkes Wachstum bei den Komponenten für die E-Mobilität. Unser Ziel war immer, innovativ zu sein und unsere Kunden bei ihren Innovationen zu begleiten.
Wirtschaftsforum: Was ist Ihr Kerngeschäft?
Dirk A. Neumayer: 200 t Stahl werden bei uns am Tag geschmiedet, geformt und zum großen Teil weiterbearbeitet. In die Bearbeitung und Montage einzusteigen waren wichtige Schritte. So sind wir heute in der Lage, einbaufertig zu montieren. Wir fertigen Produkte, die höchsten Beanspruchungen ausgesetzt sind wie zum Beispiel Bremshebel für Lkw oder Motorenkolben. Unser früherer Slogan lautete deshalb ‘Wir schmieden Sicherheit’. Eine wichtige Rolle spielen inzwischen Antriebsräder für die E-Mobilität. Hier werden Schmiedeteile benötigt, da hohe Drehmomente übertragen werden. Ein weiteres Standbein ist der Non-Automotive-Bereich mit der Bearbeitung von hochlegiertem Stahl.
Wirtschaftsforum: Wo steht das Unternehmen wirtschaftlich?
Dirk A. Neumayer: Unser Umsatz liegt bei 145 Millionen EUR und ist leicht steigend. Für die Zukunft erwarten wir weiterhin ein leichtes Wachstum. Wichtig für eine solche Entwicklung wird sein, unsere Wertschöpfungstiefe im Bereich Bearbeitung und Montage zu erweitern und uns konsequent auf Klimaschutz auszurichten. Das Thema hat bereits mein Vater intensiv verfolgt, und auch ich sehe unsere Generationen in der Verantwortung. Wir müssen diese Aufgabe lösen. Mit einem so energieintensiven Unternehmen wie unserer Schmiede haben wir große Hebel, die wir im Sinne des Klimaschutzes nutzen können. Im Vergleich zu 2018 konnten wir in unserem direkten Einflußbereich die Treibhausgasemissionen bereits um über 90% reduzieren. Ein großes Innovationsfeld!
Wirtschaftsforum: Wie sieht das konkret aus?
Dirk A. Neumayer: Unser Slogan lautet heute ‘We innovate in green forging’ – Wir wollen grün schmieden mit Innovationen, die direkt wirksam sind. Wenn wir beispielsweise auf das Verbrennen fossiler Brennstoffe verzichten können, dann hat das sofort eine positive Wirkung auf die Begrenzung der Erderwärmung. Auch unsere Kunden, die in ihrer Lieferkette Treibhausgasemissionen reduzieren wollen, sind begeistert. Dies führt dazu, dass wir gegenüber anderen Mitbewerbern einen klaren Wettbewerbsvorteil haben. Beispiele für solche Innovationen gibt es viele. So haben wir ein Verfahren eingeführt, mit dem ein kompletter Fertigungsschritt eingespart werden kann. Durch die kontrollierte Abkühlung aus der Schmiedewärme anstatt einer zusätzlichen Wärmebehandlung sparen wir 95% Erdgas ein. Im Bereich Leistungselektronik haben wir für einen siebenstelligen Betrag drei Erwärmungsanlagen ausgetauscht. Sie werden jetzt auf Basis von Siliziumkarbid betrieben, was circa zwei Millionen kW Strom spart. Sämtliche Dachflächen sind mit Solarpanels belegt – 1.4 MWp – doch das reicht nicht einmal für 2% unseres Strombedarfs! Die direkte Versorgung mit Eigenerzeugung ist in der energieintensiven Industrie schwer umsetzbar. Unsere Mitarbeiter leisten einen großen Beitrag, indem sie ihre Pausen so legen, dass die Maschinen für die Erwärmungsprozesse durchlaufen können. Das spart circa 250.000 kWh pro Jahr. Die meisten Prozesse sind bereits elektrifiziert, damit hat mein Vater begonnen. Seit Januar 2021 arbeiten wir mit 100% Ökostrom zunächst aus norwegischer Wasserkraft. Für wirksamen Klimaschutz ist der Ausbau der Erneuerbaren wichtig! Deshalb haben wir ein Green Power Purchase Agreement, kurz PPA, mit unserem Energieversorger SachsenEnergie geschlossen – ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Klimaneutralität!
Wirtschaftsforum: Wie digital ist Richard Neumayer schon?
Dirk A. Neumayer: Digitalisierung ist erfolgsentscheidend. Allein die Möglichkeiten im Bereich Industrie 4.0 sind genial und ermöglichen uns unter anderem, den Energieverbrauch pro Teil und Auftrag zu ermitteln und Vorhersagen für den Verbrauch zu treffen. Wir haben dadurch einen tiefen Einblick in die Prozesse und Zugriffsmöglichkeiten für Verbesserungsprozesse. Außerdem verfügen wir über ein digitales Instandhaltungsmanagement und bieten eine Mitarbeiter-App.
Wirtschaftsforum: Welche Gründe hat es, dass Ihr Unternehmen seit so vielen Jahrzehnten erfolgreich ist?
Dirk A. Neumayer: Das liegt zunächst einmal an unserer nachhaltigen Ausrichtung – wir denken in Generationen. Darüber hinaus identifizieren sich die Mitarbeiter sehr mit dem Unternehmen. Für uns spricht außerdem die Qualität unserer Produkte. Und nicht zuletzt sind wir aufgrund unserer hohen technischen Kompetenz in der Lage, gemeinsam mit den Kunden neue Dinge zu entwickeln, die zuvor noch niemand hergestellt hat. Ein Beispiel ist der Stahlkolben. Im Lkw-Bereich wird er schon lange genutzt, aber der Einsatz in Pkw war neu. Hier war wieder der Klimaschutz Wegweiser. Der Diesel-Stahlkolben spart zwischen 3 bis 5% Kraftstoffverbrauch.
Wirtschaftsforum: Noch eine persönliche Frage: Worin liegt Ihre tägliche Motivation?
Dirk A. Neumayer: Ein großer Antrieb ist die Verantwortung für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ihnen möchte ich eine attraktive Zukunft bieten. Mein Hauptziel ist, wirksam zum Klimaschutz beizutragen – unsere Enkel werden uns später fragen, was wir gegen den Klimawandel unternommen haben. Auch die Beschäftigung mit der Digitalisierung macht mir Spaß.
Wirtschaftsforum: Welche weiteren Ziele haben Sie mit dem Unternehmen?
Dirk A. Neumayer: Wir wollen weg vom reinen ‘Build to print’ und hin zum Entwicklungslieferanten. Je früher wir unsere Kunden in der Bauteilentwicklung begleiten, desto mehr können wir die Bauteile und Prozesse auf Nachhaltigkeit ausrichten. Unsere Kunden haben ein großes Interesse an grün geschmiedeten Teilen. Auch mit dem Kauf von Stahl mit niedrigem CO2-Fußabdruck tragen wir zum Klimaschutz bei. Ein Thema bereitet uns aktuell Sorge: Die Strompreise betragen ein Vielfaches der Stromerzeugungskosten. Das gefährdet massiv die Wettbewerbsfähigkeit. Wir benötigen faire Strompreise! Und die Möglichkeiten direkt selbst Strom zu erzeugen sind für energieintensive Unternehmen begrenzt. Genial wäre es, wenn die energieintesive Industrie eigenerzeugten Strom aus entfernteren Anlagen so behandeln könnte, als würde er direkt ins Firmennetz eingespeist. Das würde PPAs und den Ausbau der Erneuerbaren massiv stärken und es den Unternehmen ermöglichen, zumindest einen Teil des Stroms zu Erzeugungskosten selbst herzustellen. Das ist mein Appell an die Politik.