Metamorphosen und Transformationen

Interview mit Tobias Ragge, CEO der HRS Group

Wirtschaftsforum: Herr Ragge, HRS ist seit 51 Jahren am Markt, seitdem Ihr Vater es als Reisebüro gegründet hatte. Heute ist es ein globales Technologieunternehmen mit über 1.000 Mitarbeitern, das im Travel-Bereich auf die Hotelvermittlung für Geschäftsreisen spezialisiert ist und sich darüber hinaus in der Business Automation Technology als Dienstleister für seine Kunden aufgestellt hat. Was waren die prägenden Schritte auf diesem Weg?

Tobias Ragge: Der erste große Schritt war der Einstieg ins Internet. 1995 ist HRS als einer der Pioniere ins Internet gestartet. Damit wandelte sich das Geschäftsmodell zu einem E-Commerce-Unternehmen – ein wahnsinniger Booster für unsere weitere Entwicklung, weil uns das von einem Zeitalter, in dem Buchungen hauptsächlich über Callcenter abgewickelt wurden, in die Ära des E-Commerce katapultierte. In der Folge konnten wir nicht nur 24/7 agieren, sondern auch international operieren.

Wirtschaftsforum: Sie haben damals Ihren Wettbewerber hotel.de übernommen und wurden Marktführer. Vom E-Commerce aus entwickelte HRS einen weiteren Geschäftsbereich, indem ein Software-as-a-Service-Modell aufgebaut wurde – noch einmal eine komplette Metamorphose.

Tobias Ragge: Ja, und eine, mit der für uns ein Wechsel vom B2C-Geschäft in einen B2B-Kontext einherging, indem wir begannen, Procure-to-pay-Prozesse für große Unternehmen aufzubauen. Wir digitalisieren also für große Konzerne deren Procureto-pay-Prozesse rund um ihre Reisetransaktionen, wiederum eine Veränderung in unserem Geschäftsmodell, die uns vom deutschen in den internationalen Markt geführt hat. Mittlerweile arbeiten wir mit 35% der Fortune 500 weltweit. Das reicht von Konzernen wie Google über Siemens und VW bis Tencent oder Alibaba. Dadurch mussten wir das Unternehmen ebenfalls globalisieren – für HRS sind inzwischen Menschen aus fast 70 Nationen tätig. Tatsächlich arbeiten nur noch 25% unserer Mitarbeiter in Deutschland. Wir sind heute ein Technologieunternehmen, das in den Bereichen Procuretec, Traveltec, aber auch Fintec – wir haben unser eigenes Fintec gebaut – aktiv ist. Aus dem Travel-Bereich sind wir also noch einmal in ganz andere Felder hineingegangen, eben Fintec und auch Business Automation Technology. Es geht eigentlich darum, digitale Prozessketten aufzubauen, um unseren Kunden das Leben so maximal transparent und einfach wie möglich zu machen.

Wirtschaftsforum: HRS ist heute eine Holding, deren Anteile nach wie vor zu 100% im Besitz Ihrer Familie sind. Sie sind ja mit dem Unternehmen aufgewachsen – war es für Sie eine logische Konsequenz, dort einzusteigen?

Tobias Ragge: Nein, ich bin nicht eingestiegen, weil meine Eltern das gewollt hätten oder ich das von mir selbst erwartet hätte. Sondern weil ich die Travel-Industrie wahnsinnig spannend finde und ein großes Potenzial darin sehe. Wir haben viele tolle Leute hier, es ist ein globales Umfeld. Das kommt meiner Person sehr entgegen, weil ich mich immer für die Welt und andere Kulturen interessiert habe. Dass ich hier arbeiten konnte, habe ich als riesigen Glücksfall gesehen. Natürlich muss man dann darin auch seinen eigenen Weg finden, was auch heißt, Realitäten ins Auge zu sehen.

Wirtschaftsforum: Wie meinen Sie das?

Tobias Ragge: HRS ist groß, global aufgestellt und bewegt sich in einem äußerst dynamischen Umfeld, in dem es um Geschwindigkeit geht und darum, die besten Leute zu haben. Im Zweifel findet man sie nicht im Familienverbund, sondern sie kommen von außerhalb. Es kann ein Spagat sein zwischen der Familie und den Erfordernissen des Unternehmens. Ich kann gottseidank sagen, dass ich mit sehr vielen guten Kolleginnen und Kollegen gesegnet bin.

Wirtschaftsforum: Als jemand, der in einem solchen global agierenden Unternehmen arbeitet und deshalb auch selbst auf der ganzen Welt unterwegs ist, haben Sie wahrscheinlich auch ‘den Blick von außen’ auf die politische Lage in Deutschland. Hätten Sie eine Message in Richtung Politik?

Tobias Ragge: Die Politik muss verstehen, in welcher nachhaltigen Transformation wir uns befinden. Es ist ein Prozess der Digitalisierung, der Deglobalisierung und der Decarbonisierung. Hier müssen vernünftige, langfristige Ziele definiert werden, aber nicht im Hauruckverfahren, wie es manchmal scheint. Die Politik muss Rahmenbedingungen setzen, die es Unternehmen ermöglichen, ihren Job zu machen und sich gleichzeitig aus diesem Dirigismus mit ständig neuen Gesetzesvorlagen zurückziehen. Die Bürokratie macht diese Transformation fast unmöglich. Außerdem: Wenn wir unseren Wohlstand bewahren wollen, müssen wir alle wieder mehr leisten und das auch wollen! Nur Work-Life-Balance, Wellbeing und 4-Tage-Woche mit vollem Lohnausgleich funktioniert nicht.

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