„Mehrfachnutzung ist die höchste Stufe der Nachhaltigkeit“

Interview mit Dominik Lemken, Geschäftsführer der WALTHER Faltsysteme GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Lemken, Ihr Unternehmen steht für innovative, faltbare und nachhaltige Mehrwegladungsträger – und das seit beinahe 50 Jahren. Woher stammte die Idee für diese Lösung?

Dominik Lemken: Der Gründer der WALTHER Faltsysteme GmbH, Rolf Walther, befand sich damals auf Geschäftsreise in Japan und stieß dort auf einen faltbaren Mehrwegbehälter, den es so in Europa noch nicht gab. Er war überzeugt, dass diese Lösung auch hierzulande einen klaren Mehrwert für die Logistik bieten würde und suchte sich entsprechend einen Produktionspartner in Deutschland. Hier in Kevelaer wurde er dann fündig, und bis heute sind wir der Gründungsvision unseres Unternehmens treu geblieben: Von Transportbehältern über Rollcontainer bis hin zu Paletten und Tablaren entwickeln und fertigen wir alles, was in der Logistik als Mehrwegtransportladungsträger zum Einsatz kommen kann. Dabei decken wir die gesamte Wertschöpfungskette samt einer eigenen Konstruktionsabteilung und dem gesamten erforderlichen Werkzeugbau hier an unserem Standort ab und können von Losgrößen mit wenigen Tausend Exemplaren bis zu einer Stückzahl von mehreren Millionen jede Idee vom ersten Prototyp bis hin zur individualisierten Serienfertigung abbilden.

Wirtschaftsforum: Wie viel Individualisierung ist angesichts der umfassenden Standardisierung in der Logistik im Geschäftsalltag tatsächlich erforderlich?

Dominik Lemken: Es stimmt, Standardisierung liegt sozusagen in der DNA der Logistik. Natürlich bestehen in diesem Zuge bestimmte Grundmaße mit einer hohen Durchdringung. Doch es gibt auch zwei Treiber, die ein hohes Maß an innovativen individuellen Lösungen erforderlich machen. So müssen aufgrund der umfassenden Digitalisierung mittlerweile sämtliche Ladungsträger mit einer eigenen Kennung ausgestattet werden, um den Pool an Transportbehältern entlang der Supply Chain ordnungsgemäß nachvollziehen und verwalten zu können. Hier spielen auch Lösungen wie RFID-Kennzeichnungen eine immer bedeutsamere Rolle, weil dann gar kein Sichtkontakt zum Frachtpulk mehr erforderlich ist. Gleichzeitig nehmen die Automatisierungstendenzen in der Logistik immer weiter zu, weil oftmals schlicht das Personal fehlt, um die aufkommenden Mengen zielgerichtet abarbeiten zu können. In einem automatisierten Logistikzentrum werden jedoch förderfähige und mühelos identifizierbare Faltboxen benötigt, die auch Roboter problemlos aufrichten und zusammenfalten können müssen, um sie im Anschluss zu bepacken. Dafür sind individuelle Lösungsansätze unerlässlich.

Wirtschaftsforum: Ein weiteres wichtiges Thema, das die Logistikbranche derzeit beschäftigt, lautet Nachhaltigkeit – dabei wird Kunststoff, aus dem Ihre Ladungsbehälter gefertigt werden, oftmals eine problematische Ökobilanz unterstellt. Wie gehen Sie damit um?

Dominik Lemken: Unser Claim „Wir leben Nachhaltigkeit“ ist nicht entstanden, um auf einen Megatrend in jüngerer Zeit aufzuspringen, sondern unterstreicht vielmehr die Ambition, aus der heraus unser Unternehmen überhaupt gegründet wurde. Denn ein Mehrwegladungsträger wie eine unserer Faltboxen wird im Regelfall über 150-mal benutzt, bevor er das Ende seiner Lebensdauer erreicht hat und anschließend recycelt wird. Dabei ersetzt ein Transportbehälter, der mehrfach zum Einsatz kommt, bei jedem Umlauf einen Einwegladungsträger, weshalb die Wiederverwendung in der Abfallhierarchie auch an erster Stelle steht: Damit ist die Mehrfachnutzung die höchste Stufe der Nachhaltigkeit überhaupt. Dies wurde auch in ökobilanziellen Studien des Fraunhofer Instituts und von anderen renommierten Forschungseinrichtungen umfassend belegt. Dass Kunststoff bei Einwegverpackungen bisweilen nicht ordnungsgemäß entsorgt wird und dann in den Weltmeeren landet, ist auch aus unserer Sicht ein unhaltbarer Zustand, dem dringend entgegengewirkt werden muss. Aber das hat nichts mit unserer Unternehmenstätigkeit zu tun. Wir nehmen sämtliche von uns hergestellten Produkte, die das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben, von unseren Kunden zurück, schreddern das Material und führen es anschließend erneut unserer Fertigung zu. So entsteht ein geschlossener Stoffkreislauf ganz ohne Downcycling, obwohl die mechanischen Anforderungen an unsere Produkte insbesondere im Scharnierbereich alles andere als trivial sind.

Wirtschaftsforum: Mit welchen Innovationen beschäftigen Sie sich in jüngerer Zeit?

Dominik Lemken: 2021 haben wir einen neuen, platzsparenden Rollcontainer auf den Markt gebracht, bei dem es durch ein patentiertes Koppelsystem möglich ist, das Seitengitter mit einem schlichten Fußtritt zu demontieren. Für diese Innovation wurden wir unter anderem mit dem Red Dot Award ausgezeichnet, was unsere Ambition unterstreicht, auch in angestammten Segmenten neue Wege zu gehen. Wir blicken auch weiterhin mit offenen Augen in den Markt, um frühzeitig zu erkennen, wo sich mit dem Ersatz von Einweg-Trays durch Mehrweglösungen echte Nachhaltigkeitsgewinne erzielen lassen; dabei sehen wir für die Zukunft insbesondere im Haus- und Gartenbereich großes Potenzial. Am Ende ist jedoch nicht das Unternehmen als solches innovativ, sondern die Menschen, die sich dort tagtäglich engagieren. Eine besonders wichtige Grundlage für unseren anhaltenden Erfolg liegt somit in unserer offenen Unternehmenskultur, für die wir auch in unserer Region als attraktiver Arbeitgeber bekannt sind.

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