„Nachhaltigkeit ehrlich kommunizieren“

Interview mit Aline Schirm-Marzolf, CEO der Taracell AG

Wirtschaftsforum: Frau Schirm-Marzolf, welche Meilensteine waren in der Geschichte von Taracell besonders wichtig?

Aline Schirm-Marzolf: Die Firma wurde 1898 in Künten im Kanton Aargau gegründet. Unsere Wurzeln liegen also auf dem Land, und wir sind immer bodenständig geblieben. 1955 wurde erstmals ein Bienenkasten aus Partikelschaum hergestellt. Das war der Einstieg in die komplette Palette der Kunststoffverarbeitung. Um einen Fuß in der EU zu behalten, wurde 1994 im Elsass die Taracell France gegründet. Die damalige R. Meiers Söhne AG firmierte 2014 um in Taracell AG. Da kein Mitglied der Familie Meier mehr in der Unternehmensführung war, habe ich 2015 die Gruppe als CEO in fünfter Generation übernommen. Ich war damals schon 16 Jahre im Unternehmen. Wir zahlen keine Dividenden aus, sondern investieren in die Firma und die Mitarbeiter. Die letzten Jahre waren geprägt von großen Investitionen in die Anschaffung von Anlagen.

Wirtschaftsforum: Wie hat sich das Unternehmen wirtschaftlich entwickelt?

Aline Schirm-Marzolf: Unser Ziel ist nicht unbedingt Wachstum, sondern Rentabilität. In der Corona-Zeit haben wir allerdings deutliches Wachstum generiert. Wir waren als relevanter Systemlieferant anerkannt und verpflichtet, in Frankreich für die Automobilindustrie und in der Schweiz für die Pharmaindustrie jederzeit zu liefern. Auch weiterhin rechnen wir mit einer sehr positiven Entwicklung.

Wirtschaftsforum: Wie sehen Sie Ihre Aufgabe als CEO?

Aline Schirm-Marzolf: Als CEO der Taracell muss man das Unternehmen auch operativ sehr gut kennen. Ich habe jede Abteilung im Unternehmen durchlaufen. Seine Historie hat mich sehr geprägt. Unsere Herkunft als Schweizer Familienunternehmen und dessen Werte sind mir wichtig. Ich möchte die Chancen, die mir der ehemalige CEO und Aktionär Herr Meier gegeben hat, mich einzubringen und die Taracell voranzubringen, auch meinen Mitarbeitern ermöglichen. Das versuche ich jeden Tag umzusetzen.

Wirtschaftsforum: Warum sind Ihnen die Werte so wichtig?

Aline Schirm-Marzolf: Werte sind nicht verhandelbar. Sie sind grundlegend für unsere Gemeinschaft. Jeder hat als Individuum einen Platz und einen Stellenwert in der Firma. Als KMU sind wir nicht daran interessiert, eine Holding zu werden, in der der Mitarbeiter nur eine Nummer ist. Unsere Nähe zu den Mitarbeitern macht uns stark.

Wirtschaftsforum: Welches sind Ihre wichtigsten Produkte?

Aline Schirm-Marzolf: Unsere Hauptstandbeine sind Partikelschaumlösungen, Extrusionsblasen und Hybrid-Lösungen. Wir sind branchenunabhängig, in einigen Bereichen aber besonders stark. Für die Automobilbranche stellen wir technische Formteile für das Interieur her, für die Pharmaindustrie nachhaltige Verpackungslösungen. Für die Gebäudelogistik bieten wir Träger und ein Hochregallagerkonzept. Außerdem sind wir stark im Monitoring, also Intelligenz in der Verpackung: Wir überwachen die Kühlkette durch selbst entwickelte Produkte wie einen Datenlogger. Für die Uhrenindustrie bieten wir Möglichkeiten zum Schutz der Fertigungskette. Für den Einzelhandel wie E-Commerce haben wir temperaturgeführte Transportlösungen entwickelt. Wir sind gut positioniert, weil wir oft Sachen machen, die andere nicht machen wollen, und übernehmen technische Herausforderungen, die der Markt noch nicht bieten kann. Unsere Ingenieure sind extrem vielseitig.

Wirtschaftsforum: Was bewegt Sie im Bereich Marketing; wie bringen Sie das, was Sie tun, an Mann und Frau?

Aline Schirm-Marzolf: Unser Ziel ist, die Zukunftsthemen besser zu kommunizieren, so verständlich, dass sie jeder versteht. Nachhaltigkeit beschäftigt uns seit vielen Jahren. Dieses Thema möchten wir ehrlich präsentieren, so wie es wirklich ist. Dazu gehört auch, die Herausforderungen aufzeigen. Kunststoff ist nicht pauschal schlecht. Wir bieten unseren Kunden hier verschiedene nachhaltige Lösungen an. Zum Beispiel arbeiten wir an Schaumstoffen, die nicht erdölbasiert sind. Im Zentrum steht aber immer die Wirtschaftlichkeit der Lösung. Wir bieten auch Möglichkeiten der Materialtrennung. EPS können wir so gut recyceln, dass wir den Kreislauf zu 100% schließen können. So sind wir in der Lage, den CO2-Fußabdruck drastisch zu reduzieren. Auch im Ökodesign sind wir sehr gut. Durch intelligente Verpackungen mit sauberem Monitoring können wir beispielsweise die Isolierung genau den Erfordernissen anpassen. Um dieses komplexe Thema einfach zu erklären, werden wir uns zukünftig mehr auf Social Media konzentrieren.

Wirtschaftsforum: Was, glauben Sie, macht Taracell so erfolgreich?

Aline Schirm-Marzolf: Wir arbeiten mit Leidenschaft. Ich denke, ich spreche für uns alle, wenn ich sage, dass wir nicht nur arbeiten, um uns zu ernähren, sondern das mit Spaß und Freude machen. Ich glaube, dass die Kunden neben der Innovation auch unsere direkte und ehrliche Art schätzen.

Wirtschaftsforum: Was möchten Sie in Zukunft mit Taracell erreichen?

Aline Schirm-Marzolf: Unsere Schwerpunkte sind, unseren Energieverbrauch und CO2-Fußabdruck zu verbessern, sowie das Wissensmanagement. Wir möchten die digitale Transformation in Produktion und Prozessen sauber und effizient implementieren und begleiten.

Wirtschaftsforum: Was ist denn für Sie persönlich der Antrieb für Ihr Engagement im Unternehmen?

Aline Schirm-Marzolf: Die Taracell ist meine Familie. Ich habe meine soziale Verantwortung wahrgenommen. Als CEO habe ich die Möglichkeit, die Zukunft der Mitarbeiter zu sichern und nachhaltige Infrastrukturen zu schaffen. Dass wir als Unternehmen selbstständig und unabhängig sind, gibt mir zudem die Freiheit, auch einmal nein zu sagen.

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