„Ob Teilstück oder Gesamtkonzept – wir liefern, was gebraucht wird“
Interview mit Sebastiano Guerini, General Manager der Crezza S.r.l.

Wirtschaftsforum: Herr Guerini, erzählen Sie uns etwas über die Anfänge Ihres Unternehmens – was waren die wichtigsten Meilensteine?
Sebastiano Guerini: Die Crezza S.r.l. wurde im April 1992 von Corrado und Giordano Guerini zusammen mit dem Gesellschafter Daniele Patrini gegründet, als direkte Reaktion auf die schweren Schäden, die eine verheerende Überschwemmung im benachbarten Veltlin verursacht hatte. Die Gründer erkannten damals das enorme Potenzial industriell gefertigter Betonelemente für eine schnelle, effiziente und vor allem sichere Rekonstruktion der zerstörten Flussufer. Sie entwickelten daraufhin ein innovatives Konzept zur Reglementierung der Wasserläufe und zum Wiederaufbau der Uferzonen mithilfe von Betonfertigteilen – eine Lösung, die nicht nur technisch überzeugte, sondern auch ökologisch und wirtschaftlich sinnvoll war. Dieses erfolgreiche Initialprojekt markierte den Beginn unseres Unternehmens. Bereits kurze Zeit später fand unsere Technologie breite Anerkennung, sodass wir unter anderem für die Neugestaltung der Entwässerungssysteme des Flughafens Malpensa beauftragt wurden – ein Meilenstein, der unser Know-how auf nationaler Ebene bekannt machte und den Weg für viele weitere Großprojekte ebnete.
Wirtschaftsforum: Auf welche Dienstleistungen und Produkte ist Crezza spezialisiert?
Sebastiano Guerini: Unser Kerngeschäft ist die Herstellung von mittelgroßen bis großen Betonfertigteilen für den Bau öffentlicher Infrastrukturen – insbesondere für Autobahnen, Tunnel, Viadukte und Brücken. Und wir zeichnen uns dadurch aus, dass wir die gesamte Wertschöpfungskette abdecken: von der maßgeschneiderten Planung über die Produktion bis hin zur Montage.
Wirtschaftsforum: Was sind Ihre Hauptprodukte?
Sebastiano Guerini: Zu unseren Hauptprodukten zählen die sogenannten New Jersey-Schutzplanken sowie die Herstellung und Verlegung von Tunnelsegmenten aus Betonfertigteilen – eine Lösung, die erstmals von Crezza entwickelt und eingeführt wurde und die Bautechniken für Tunnelauskleidungen revolutionierte. Darüber hinaus haben einige Produktlinien dank unserer Forschung im Bereich nachhaltiger Materialien und Produktionsverfahren die Umweltzertifizierung EPD erhalten.
Wirtschaftsforum: Welche Zielgruppen sprechen Sie mit Ihrem Angebot an?
Sebastiano Guerini: Wir arbeiten sowohl mit öffentlichen Auftraggebern als auch mit privaten Bauunternehmen zusammen – vom kleinen Familienbetrieb bis hin zu großen multinationalen Konzernen. Unsere Flexibilität ist dabei entscheidend: Wir können einzelne Betonfertigteile liefern oder komplette Projekte in schlüsselfertiger Ausführung übernehmen.
Wirtschaftsforum: Welche Rolle spielen Forschung und Entwicklung in Ihrem Unternehmen?
Sebastiano Guerini: Eine sehr große. Sicherheit ist das höchste Gut im Infrastrukturbereich – deshalb investieren wir kontinuierlich in Forschung und Entwicklung. Bei den Schutzplanken setzen wir auf ständige Weiterentwicklung, um Unfallfolgen bestmöglich zu minimieren. Auch bei der Tunnelauskleidung entwickeln wir innovative Fertigteil-Lösungen, die nicht nur sicher, sondern auch wirtschaftlich vorteilhaft und ressourcenschonend in der Produktion sind. Um der Innovationskraft weiteren Auftrieb zu geben, haben wir 2002 gemeinsam mit führenden Marktteilnehmern aus ganz Italien den Verband ABESCA gegründet, der sich der kontinuierlichen Forschung und Weiterentwicklung im Bereich der Straßensicherheit widmet – mit dem Ziel, die Wirksamkeit und Anpassungsfähigkeit dieser Systeme an die steigenden Anforderungen moderner Infrastrukturen stetig zu verbessern.
Wirtschaftsforum: Wie hat sich das Unternehmen in den letzten Jahren entwickelt?
Sebastiano Guerini: Wir sind stark gewachsen – sowohl beim Personal als auch beim Produktionsvolumen. Von anfänglich zehn Mitarbeitern sind wir auf rund 100 festangestellte Mitarbeiter gewachsen, ergänzt durch externe Fachkräfte je nach Projektumfang. Ausgehend von unserem historischen Standort in Gordona, der nach wie vor unser Hauptsitz und unser größtes Werk ist, können wir heute das gesamte italienische Staatsgebiet direkt oder über langjährige Partner abdecken.
Wirtschaftsforum: Haben Sie auch internationale Projekte?
Sebastiano Guerini: Ja, wir liefern Projekte in die Schweiz, nach Frankreich, Österreich und gelegentlich auch in weiter entfernte Märkte. Ein Highlight war die Lieferung aller Notfalltreppen für die U-Bahn in Kopenhagen. Wir waren außerdem aktiv an Tunnelprojekten in Monte Carlo und am Eisenbahntransitkorridor durch den Gotthard beteiligt, bei denen wir maßgeschneiderte Lösungen konzipiert und umgesetzt haben, um bestehende Herausforderungen zu bewältigen – was letztlich den planmäßigen Baufortschritt und Abschluss ermöglichte. Kürzlich waren wir zudem am Sanierungsprojekt des Mont-Blanc-Tunnels beteiligt, nachdem wir bereits bei der ersten Instandsetzung nach dem tragischen Brand von 1999 mitgewirkt hatten. Weitere Projekte waren die Modernisierung der Autobahn A8 Milano-Laghi – der ersten Autobahn Europas – und die Realisierung mehrerer Stationen der neuen U-Bahn-Linie M4 in Mailand, bei der wir erstmals in Italien die sogenannte ‘Concrete Graphic’-Technologie eingeführt haben.
Wirtschaftsforum: Wie hat sich die Marktsituation zuletzt entwickelt?
Sebastiano Guerini: Nach einer Phase des Stillstands bei öffentlichen Infrastrukturvorhaben in Italien beobachten wir aktuell eine klare Erholung. Die Nachfrage steigt – auch durch die Investitionsprogramme der Regierung. Der Krieg in der Ukraine und die Inflation hatten nur begrenzte Auswirkungen auf unser Marktsegment. Selbst während der Pandemie konnten wir – dank Sondergenehmigungen für strategische Projekte – unsere Produktion aufrechterhalten.
Wirtschaftsforum: Was sind Ihre Ziele für die kommenden Jahre?
Sebastiano Guerini: Wir möchten unsere Marktposition weiter festigen und ein Referenzpunkt für technische Qualität, Innovationskraft und Verlässlichkeit bleiben. Gleichzeitig evaluieren wir neue Möglichkeiten für eine strategische und nachhaltige Expansion im Ausland – insbesondere in benachbarten europäischen Märkten mit hohem Infrastrukturbedarf. Unsere Philosophie bleibt dabei unverändert: kundenorientierte, sichere und nachhaltige Lösungen auf höchstem technischen Niveau anzubieten – mit Effizienz, Langlebigkeit und einem klaren Mehrwert für unsere Partner.