Stahlhartes Geschäft im Wandel

Interview mit Ing. Heinz Kettner, Geschäftsführer der Stahl Judenburg GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Kettner, seit 1995 gehört die Stahl Judenburg GmbH zur GMH Gruppe als einem Marktführer im Bereich Edelstahlerzeugung. Die Wurzeln des Unternehmens reichen jedoch über 100 Jahre zurück. Welche, würden Sie sagen, sind die Meilensteine in der Firmengeschichte?

Heinz Kettner: Der erste ist natürlich die Gründung als Steirische Gußstahlwerke Danner & Co. KG im Jahr 1906. Der wichtigste Schritt in der neueren Zeit ist für uns aber ganz klar die Übernahme durch die damalige Georgsmarienhütte GmbH gewesen. Die Steirische Gußstahlwerke Danner & Co. KG war die zweite Akquisition der Georgsmarienhütte GmbH, die daraufhin zur Georgsmarienhütte Holding GmbH, kurz GMH Gruppe, wurde. Seitdem firmiert auch unser Unternehmen unter seinem heutigen Namen Stahl Judenburg GmbH. 1997 wurde die Gruppe durch die Akquisition der VTK Veredlungstechnik Krieglach GmbH erweitert. 1999 erfolgte der Aufbau einer neuen Kolbenstangenfertigung, 2008 der Neubau des Hubherdofens des Walzwerks. 2011 wurde mit der Kurzstückfertigung von Automotivekomponenten begonnen, 2012/13 die Blankstahlfertigung ausgebaut. 2016 wurde das Vorgerüst des Walzwerks automatisiert, seit 2017 ist der Ausbau der Komponentenfertigung im Gang. 2021 wurde in ein automatisiertes Kurzstück-Bearbeitungszentrum investiert.

Wirtschaftsforum: Werfen wir einen Blick auf Ihr Portfolio: Was genau umfasst es und wer sind Ihre Kunden?

Heinz Kettner: Nach wie vor erzeugen wir Walzstahl, allerdings zu einem geringeren Teil als früher. Einen großen Teil der Produktion macht Blankstahl aus; des Weiteren stellen wir Kolbenstangen und auch eingearbeitete Komponenten bis hin zu Kurzstücken für Automotive und Maschinenbau her. Im Hinblick auf unsere Kunden sind wir automotivelastig: Zu 75% fertigen wir für diesen Bereich, wobei wir zwei Hauptsegmente bedienen: einerseits Lenkungskomponenten und andererseits Komponenten für Dieseleinspritzung, hauptsächlich für Nutzfahrzeuge, und Turboladewellen für Benzinmotoren.

Wirtschaftsforum: Welche Zielgruppen könnten für Sie künftig interessant werden? Gibt es Überlegungen, in neue Marktsegmente einzutreten?

Heinz Kettner: Tatsächlich wollen wir den Non-Automotive-Bereich stärken, etwa den Maschinenbau, um ein Stück weit unabhängiger vom Automotivebereich zu werden und ein stabiles zweites Standbein zu haben. Im Maschinenbau, in der stationären und mobilen Hydraulik, sehen wir gute Chancen.

Wirtschaftsforum: Wie sehen Sie vor diesem Hintergrund die Entwicklung der Branche im Allgemeinen und welche Trends beschäftigen Sie?

Heinz Kettner: Da wir stark in den Automotivebereich eingebunden sind, beschäftigt uns aktuell natürlich die Transformation zur E-Mobilität. Weniger im Lenkungssegment, denn das ist unabhängig von der Art der Motorisierung, aber im Bereich Einspritztechnik. Im Nutzfahrzeugbereich wird diese Transformation langsamer vonstattengehen, aber in absehbarer Zeit wird die Wende hin zur E-Mobilität vollzogen sein. Das müssen wir stemmen und im Hinblick darauf auch versuchen, unsere Wertschöpfungstiefe zu erhöhen und den Non-Automotive-Bereich weiter auszubauen. Wir liefern bereits eine große Zahl an Kurzstücken für E-Bikes. Das ist ein sehr stark wachsender Trend. Ein weiteres großes Thema, das uns bewegt, ist Green Steel – also Co2-Reduktion, Dekarbonisierung und die Nutzung von Abwärme in der Stahlproduktion. In dieser Hinsicht sind wir hier am Standort schon sehr gut aufgestellt; 80% der Abwärme können wir bereits zurückgewinnen. Mittels PV auf den Hallendächern produzieren wir eigenen Strom und kaufen darüber hinaus ausschließlich grünen Strom zu.

Wirtschaftsforum: Wie Sie anfangs sagten, investiert das Unternehmen stetig in den Ausbau seiner Anlagen und Produktionskapazitäten. Was sind darüber hinaus nach Ihrer Ansicht die Stärken von Stahl Judenburg und wodurch heben Sie sich vom Wettbewerb ab?

Heinz Kettner: Wir haben, das kann man wohl so sagen, eine sehr gute und fundierte Basis in der Anlagentechnik und spielen vom Know-how her in unserem Bereich mit Sicherheit in der oberen Liga. Ganz wichtig sind unsere Mitarbeiter: Sie sind unser wichtigstes Gut, und das ist nicht nur so dahingesagt! Bei uns herrscht ein starker Zusammenhalt, ein ausgeprägtes Wir-Gefühl. Darüber hinaus hat jeder die Möglichkeit, weiterzukommen: Jemand kann hier anfangen, alles von der Pike auf lernen und schließlich Geschäftsführer werden. So ging es mir. Und das erzeugt bei den Mitarbeitern Motivation und Aufbruchsstimmung. Das ist etwas, das in Verbindung mit Investitionen das Unternehmen vorantreibt. Das wird auch in der Gruppe so gesehen, man baut auf uns; wir genießen Vertrauen und Wertschätzung.

Wirtschaftsforum: Welche Impulse konnten Sie dem Unternehmen geben und wohin wollen Sie es in Zukunft führen?

Heinz Kettner: Ich bin ja wie gesagt in meine jetzige Position hineingewachsen und konnte über die Jahre gemeinsam mit meinen Vorgängern schon an der Instandhaltung, dem Ausbau der Infrastruktur und der Erhöhung der Anlageneffizienz arbeiten. Besonders stolz bin ich auf das gute Einvernehmen mit der Belegschaft, denn all das wird von den Mitarbeitern auch mitgetragen. Dass wir im vergangenen Jahr trotz Corona unsere vollautomatische Kurzstückanlage in Betrieb nehmen konnten, hat uns noch einmal einen Push gegeben. Ich maße mir nicht an, der Mastermind zu sein; mein Vorteil ist, dass ich das Unternehmen gut kenne, in der GMH Gruppe gut vernetzt bin und auf die Unterstützung eines sehr guten, engagierten Teams zählen kann. Wir konnten mit Expertise und Engagement die Verantwortlichen von unserem Standort überzeugen. In Zukunft wollen wir vom Vormateriallieferanten zum Komponentenlieferanten werden – das ist der Plan. Diese Transformation ist notwendig, um unseren Standort in die Zukunft zu führen und die Arbeitsplätze unserer 450 Mitarbeiter dauerhaft zu sichern.

Tags
Nach themenverwandten Beiträgen filtern

Mehr zum Thema Kunststoff, Metall, Holz & Co.

Im Kreis gedacht - Nachhaltigkeit als Treiber für Wachstum

Interview mit Michael Pooley, CEO der IFCO Systems GmbH

Im Kreis gedacht - Nachhaltigkeit als Treiber für Wachstum

Die Kreislaufwirtschaft besiegelt das Ende der Verschwendung von Ressourcen und des Aufkommens riesiger Abfallmengen: Recycelte Materialien lassen sich beliebig oft wiederverwenden. Mit ihren Transportverpackungen aus Kunststoff für Frischeprodukte leistet die…

Schwaben nehmen es ganz genau

Interview mit Wolfram Barth, Geschäftsführer der BARTH Präzisionstechnik GmbH

Schwaben nehmen es ganz genau

Seit über 50 Jahren bearbeitet die BARTH Präzisionstechnik GmbH Metall. Das schwäbische Familienunternehmen steht seit der Gründung für höchste Ansprüche an Qualität und Präzision, um Kunden Wettbewerbsvorteile am Markt zu…

Hier wird an der Zukunft geschweißt

Interview mit Thomas Huldi, Geschäftsführer der RUWA-Drahtschweisswerk AG

Hier wird an der Zukunft geschweißt

Mit über 60 Jahren Erfahrung im Mattenschweißen ist die RUWA-Drahtschweisswerk AG nicht nur von Anfang an ihrer Kernkompetenz treu geblieben, sondern hat im Laufe der Jahrzehnte ihr Portfolio kontinuierlich ausgebaut…

Spannendes aus der Region Judenburg

Papierpassion statt Plastikflut

Interview mit Markus Bammer, Dr. Maximilian Luger und Markus Pölzl, Geschäftsführer der Brigl & Bergmeister GmbH

Papierpassion statt Plastikflut

Papiertragetüten an der Supermarktkasse, Tomaten in Papierboxen, Trinkhalme aus Papier – in immer mehr Verpackungsbereichen ersetzt Papier das lange dominierende Plastik. Diese Entwicklung beeinflusst die Arbeit der Brigl & Bergmeister…

Neue Wege in alten Gemäuern

Interview mit Veronika Kirchmair, Geschäftsführerin der Haslauer GmbH & Co. KG St. Peter Stiftskulinarium

Neue Wege in alten Gemäuern

Das St. Peter Stiftskulinarium in Salzburg ist mit über 1.200 Jahren das älteste Restaurant Europas – ein Haus mit außergewöhnlichem Charme, außergewöhnlichen Gästen und einem außergewöhnlichen Anspruch an Gastlichkeit und…

Wie man Convenience lebt

Interview mit Manuel Kropfmüller, Head of Sales and Marketing der Eisberg Österreich GmbH

Wie man Convenience lebt

Wir l(i)eben Convenience – so die Philosophie nicht nur der Eisberg Österreich GmbH, sondern der gesamten Eisberg-Gruppe. Der Standort Marchtrenk des Convenience-Spezialisten ist eine hochmoderne Anlage, die vor vier Jahren…

Das könnte Sie auch interessieren

Der Antrieb zur Veränderung

Interview mit Michael Fahrenbach, Geschäftsführer der Wöhrle GmbH & Co. KG

Der Antrieb zur Veränderung

Nichts verändert die Automobilindustrie derzeit mehr als die Transformation zur E-Mobilität. Als etablierter Zulieferer in dieser Branche unterstützt die Wöhrle GmbH & Co. KG weltweit ihre Kunden bei der Entwicklung…

Schwaben nehmen es ganz genau

Interview mit Wolfram Barth, Geschäftsführer der BARTH Präzisionstechnik GmbH

Schwaben nehmen es ganz genau

Seit über 50 Jahren bearbeitet die BARTH Präzisionstechnik GmbH Metall. Das schwäbische Familienunternehmen steht seit der Gründung für höchste Ansprüche an Qualität und Präzision, um Kunden Wettbewerbsvorteile am Markt zu…

Stahlharte Leistung!

Interview mit André Walter, Geschäftsführer der Härterei Reese Chemnitz GmbH & Co. KG

Stahlharte Leistung!

Das Härten durch Wärme ist ein uraltes Verfahren: „Das gibt es schon ewig“, weiß André Walter, Geschäftsführer der Härterei Reese Chemnitz GmbH & Co. KG. Allerdings bedarf vor allem das…

TOP