Kunststoff – innovativ wie nie
Interview mit Joachim Lehmann, BU Director Medical Europe, und Harald Spatz, Marketingleiter der Röchling Medical Neuhaus GmbH & Co. KG
Röchling ist ein mittelständischer Kunststoffverarbeiter in Familienbesitz, der international einen hervorragenden Ruf genießt. Die Gruppe ist mit Standorten in der ganzen Welt präsent und setzt konsequent auf Innovationen; Smart Factories, Industrie 4.0 und Sustainability sind Themen, mit denen man sich früh auseinandergesetzt hat.
„Kunststoff ist ein tolles Produkt“, betont Harald Spatz, Leiter Marketing & Kommunikation BU Medical Europe. „In unserer Branche gibt es im Prinzip wenig Werkstoffänderungen. Gerade bei hochwertigen Präparaten bleibt bruchsicherer Kunststoff alternativlos, wenn man nur an Lagerung und Transport denkt. Gleichzeitig stellen wir uns ganz bewusst Themen wie Nachhaltigkeit. Konkret heißt das zum Beispiel, dass wir laufend nach neuen Möglichkeiten der Abfallverwertung suchen und neue Wege im Energiemanagement gehen. Wir haben wichtige Management- und Umweltzertifizierungen, organisieren in den Werken Umwelt- und Nachhaltigkeitstage und unterstützen die Röchling-Stiftung zur Meeressäuberung. Kunststoff ist einfach ein bedeutsamer Werkstoff und als Kunststoffverarbeiter ist es unsere Aufgabe, der Negativpresse entgegenzusteuern und entsprechend zu handeln, indem wir zum Beispiel das Recycling vorantreiben.“
Konstant wachsen; schneller wachsen als der Markt
Die Röchling-Gruppe ist in den drei Bereichen Industrial, Automotive und Medical aktiv. Der Medical-Bereich bildet seit Anfang 2016 eine eigene Einheit und war vorher Teil der Business Unit Industrial.
„Die Bereiche Industrial und Automotive sind wirtschaftlichen Zyklen unterworfen“, so Joachim Lehmann, Director BU Medical Europe. „Das ist in der Medizintechnik nicht der Fall. Während sich die Wirtschaftskrise direkt auf die anderen Units auswirkte, blieb der Bereich Medical stabil.“
„Wir sehen uns als Solution Provider, der Kunden unterstützt und Arbeit abnimmt.“ Joachim LehmannDirector BU Medical Europe
Bis heute ist das so geblieben. Röchling Medical blieb nicht nur stabil, sondern wuchs überdurchschnittlich und schneller als der Markt – unter anderem dank gezielter strategischer Akquisitionen. Lag der Umsatz 2008 noch bei acht Millionen EUR, setzte man im vergangenen Jahr 124 Millionen EUR um. Verantwortlich für dieses Ergebnis sind die mittlerweile fünf operativen Standorte in Deutschland und den Vereinigten Staaten in Neuhaus am Rennweg, Brensbach, Waldachtal, Rochester (NY) und Lancaster (PA).
„Wir haben Unternehmen wie Lancaster (PA) oder Frank plastic in 2018 akquiriert, da sie das Portfolio ideal komplementieren und neue Impulse geben“, sagt Joachim Lehmann. „Mit den Übernahmen in Brensbach und Neuhaus waren umfassende Investitionen in Erweiterungen und Modernisierungen verbunden; nach wie vor sind wir im Integrationsmodus.“
Kunden Arbeit abnehmen, Mitarbeitern Chancen bieten
Innovativ ist auch ein entscheidendes Charakteristikum der Produkte selbst. Das Portfolio ist ebenso breit gefächert wie anspruchsvoll; unterschieden wird zwischen den Bereichen Pharma, Diagnostics, Surgery & Interventional und Fluid
Management. Während an den Standorten Brensbach und Neuhaus vor allem Primärverpackungen wie Verschlüsse, Kappen und Einsätze, Flaschen und Behälter, Beutel-Verschlüsse und Konnektoren hergestellt werden, geht es in Waldachtal um das Fluid Management, Surgery und industriellen Spritzguss.
Rochester konzentriert sich auf die Produktion chirurgischer Geräte für minimalinvasive Eingriffe wie Schneidklingen mit Kunststoffummantelungen, sogenannte Jaws. Gerade im Bereich minimalinvasive Chirugie steigt die Nachfrage stetig. Eine intensive Forschungs- und Entwicklungsabteilung leistet hervorragende Arbeit, um regelmäßig Standards setzen zu können.
„Ein wichtiges Thema ist die Entwicklung von Plattformlösungen, um Standardisierungen gerecht zu werden“, so Joachim Lehmann. „Es geht in unserer Branche sowohl um das Beherrschen von Technologien und Produkten, um Entwicklung und Design, als auch darum, Kunden bei Zulassungen zu unterstützen, damit man nicht Produktlieferant, sondern Solution Provider ist. In unserem Umfeld die Regulatorik zu beherrschen, ist ein wichtiges Asset. Wir nehmen Kunden hier Arbeit ab, wofür sie dankbar sind. So wird Mehrwert generiert und dieser hebt uns von Wettbewerbern ab. Um das leisten zu können, setzen wir auf die Qualifizierung unseres Personals. Es ist insgesamt nicht einfach, Fachkräfte zu gewinnen, insbesondere in den technischen Berufen und solchen auf mittlerem Niveau. Im High End-Bereich können wir mit spannenden Technologien und Produkten trumpfen, da ist es einfacher. Wir sind daran interessiert, allen Mitarbeitern einen interessanten, abwechslungsreichen und sinnstiftenden Arbeitsplatz zu bieten, der mit der Familie vereinbar ist. In Neuhaus haben wir ein eigenes Ausbildungszentrum, wir bieten Quereinsteigerprogramme, die viele Türen öffnen – auch KFZ-Schlossern, die sich neu orientieren wollen.“
„Kunststoff ist ein toller Werkstoff. Wir legen größten Wert auf Nachhaltigkeit und sind in diesem Bereich mit verschiedenen Projekten sehr aktiv.“ Harald SpatzLeiter Marketing & Kommunikation BU Medical Europe
Smart Vernetzt
Auf der Höhe der Zeit zu agieren, oder ihr voraus zu sein, sieht Röchling als zentrale Herausforderung. „Die Pharmabranche ist in punkto Veränderungen eher konservativ“, erklärt Harald Spatz. „Wir sehen in der Digitalisierung enorme Zukunftschancen und haben entsprechend investiert. Unsere Fabriken sind sehr weit. In Brensbach wird zum Beispiel auch in hygienesensiblen Bereichen der GMP-Klasse C und unter Smart-Factory-Bedingungen produziert. Dank Investitionen von mehr als sieben Millionen EUR sind alle Logistik-, Fertigungs- und Gebäudetechnik-Systeme in den Werken miteinander vernetzt. Daten zur Reinraumqualität, zum Energieverbrauch oder zum Intralogistiksystem werden laufend erfasst und visualisiert. In Sachen Industrie 4.0 setzen wir hier tatsächlich neue Maßstäbe. Eine zentrale Herausforderung ist es, Patienten zu überzeugen, dass digitale Features einen Mehrwert bieten. Dieser Herausforderung stellen wir uns gemeinsam mit verschiedenen Universitätskliniken.“
Röchling ist damit ein internationaler Top-Player und „in den Bereichen minimalinvasiv und Primärpackmittel unter den Top 20“, wie Joachim Lehmann sagt. „Im Rahmen unserer Wachstumsstrategie werden wir innovative Produkte und weitere Dienstleistungen anbieten, um steigenden Qualitätsansprüchen gerecht zu werden. Wir fühlen uns in einem internationalen Unternehmensverband bestens gewappnet, um uns neuen Herausforderungen des Marktes zu stellen. Weil die Kernmärkte gesättigt sind und nicht mehr so stark wachsen, werden wir den Fokus stärker auf Schwellenländer richten und dort mittelfristig Präsenz zeigen. Aktuell konzentrieren wir uns auf die Erschließung Asiens. Fakt ist, wir wollen weiterhin wachsen und zwar schneller als der Markt.“