„In fünf Jahren können wir den europäischen Batteriemarkt aus eigener Kraft bedienen!“
Interview mit Thomas Lebbing, Geschäftsführer der Jagenberg Converting Solutions GmbH
Wirtschaftsforum: Herr Lebbing, Jagenberg Converting Solutions ist vor drei Jahren angetreten, um mit seiner gewachsenen Kompetenz in der Verarbeitung von Endlossubstraten zum Auf- und Ausbau der europäischen Batterieindustrie für die Elektromobilität beizutragen. Wo genau fließt dabei Ihre Expertise ein?
Thomas Lebbing: Grundsätzlich benötigt die typische Batterie, wie sie auch in allen Elektrofahrzeugen verbaut wird, drei Folien – eine Anode, eine Kathode sowie eine Separatorfolie –, die im Rahmen eines Nassbeschichtungsverfahrens gefertigt werden. Dazu sind wiederum spezielle Beschichtungsanlagen erforderlich, in deren Entwicklung und Herstellung unsere Kernkompetenz liegt, die wir nun auch in diesem Segment ausspielen können. Durch unser Schwesterunternehmen, Lebbing automation & drives GmbH, die seit 25 Jahren Antriebs- und Steuerungssysteme für genau diese Art von Beschichtungsanlagen herstellt, bieten wir nicht nur den kompletten Maschinenbau mit Jagenberg Converting Solutions, sondern auch einen sehr hohen Grad an Automatisierungstechnik, lokal aus Europa an. Mit einer Länge von 100 m, einer Höhe von 10 m und einer Breite von 12 m sind allein die räumlichen Dimensionen dieser Maschinen gigantisch – und in den nächsten Jahren werden Hunderte von ihnen benötigt werden, um die Nachfrage im Batteriemarkt für Elektrofahrzeuge in Europa decken zu können.
Wirtschaftsforum: Liegt in einer solchen Ambition, den hiesigen Batteriemarkt aus eigener Kraft in Europa abzubilden, überhaupt eine realistische Perspektive oder nicht vielmehr ein Luftschloss?
Thomas Lebbing: Nein, das ist ganz und gar kein Luftschloss! Ich bin überzeugt, dass wir in circa fünf Jahren unseren eigenen Markt selbstständig bedienen können, sofern jetzt die richtigen Weichen dafür gestellt werden – angefangen bei den politischen Entscheidungsträgern. Denn wenn die Energiekosten weiterhin so hoch bleiben, wird es tatsächlich schwer für die europäischen Hersteller, ihre Batterien kosteneffizient in unserem Heimatmarkt zu produzieren. Dabei wird in den Offshore-Windparks in der Nord- und Ostsee längst genug nachhaltige Energie erzeugt, um ausreichend Fabriken mit günstigem Strom zu versorgen. Schweden macht vor, wie es geht – dort kostet die Kilowattstunde inzwischen nur noch 3 Cent, während in Deutschland weiterhin der fünf- bis sechsfache Betrag zu Buche schlägt.
Wirtschaftsforum: Eine weitere Hürde bei der Skalierung liegt sicherlich im allgemeinen Fachkräftemangel.
Thomas Lebbing: Das ist gerade für Deutschland als große Exportnation ein riesiges Problem. Da viele Maschinen und Anlagen ins Ausland verkauft werden, müssen wir auch ausreichend Mitarbeiter:innen finden, die bereit sind, dort die erforderlichen Service- und Montagearbeiten vorzunehmen und vor Ort entsprechende Beratungsleistungen anzubieten. Dabei haben wir jedoch festgestellt, dass sich an dieser Stelle bedauerlicherweise immer weniger Arbeitnehmer engagieren möchten – und gerade jüngere Fachkräfte bleiben offenbar lieber in ihrer näheren Umgebung, als in die weite Welt hinauszugehen. Meinen eigenen Werdegang habe ich noch ganz anders bestritten: Bevor ich Geschäftsführer von insgesamt vier Unternehmen der Jagenberg-Gruppe wurde, habe ich viele Jahre meiner Berufstätigkeit im Ausland verbracht und dabei unterschiedlichste Mentalitäten und Haltungen kennengelernt – Erfahrungen, die mein heutiges Wirken entscheidend beeinflussen. Wenn die junge Generation daran nicht mehr dasselbe Interesse hat, wird das auch Folgen für die exportgetriebene Wirtschaftskraft Deutschlands haben.
Wirtschaftsforum: Ist diese Entwicklung allein auf die Haltung junger Arbeitnehmer zurückzuführen?
Thomas Lebbing: Auch die bürokratischen Prozesse für beruflich bedingte Auslandsaufenthalte müssen dringend vereinfacht werden. So ist es derzeit bisweilen einfacher, Mitarbeiter:innen nach Kanada oder in die USA zu entsenden als in einen anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union. Auch unseren Versuch, hochqualifizierte Ingenieure aus Drittstaaten nach Deutschland zu holen und hier zu beschäftigen, mussten wir nach einem Jahr aufgrund der enormen bürokratischen Hürden weitgehend einstellen. Hier muss dringend ein Umdenken stattfinden, denn sonst bleibt die Gründung lokaler Niederlassungen außerhalb Deutschlands und Europas der einzige Weg, um die weltweiten Wissensressourcen effektiv nutzen zu können – was wiederum auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft gehen würde.
Wirtschaftsforum: Mit welchen Innovationen wird sich Jagenberg Converting Solutions in den nächsten Jahren besonders intensiv beschäftigen?
Thomas Lebbing: Im Moment liegt unser Fokus auf entsprechenden Skalierungsmaßnahmen, damit wir die schiere Masse an nachgefragten Anlagen dauerhaft bedienen können, sodass in Europa auch die benötigten Batterien und Elektrofahrzeuge in ausreichender Stückzahl vom Band rollen. Gleichzeitig arbeiten wir fieberhaft an der weiteren Verbesserung unserer Energieeffizienz, was sich in einer entsprechenden Kostenreduktion unserer Komponenten niederschlagen wird – auch das macht sich dann in der ganzen Wertschöpfungskette bemerkbar. Darüber hinaus werden derzeit in der gesamten Branche neue innovative Verfahren entwickelt, mit denen sich die Herstellungsprozesse kosten- wie ressourceneffizienter gestalten lassen – auch an dieser Stelle bringen wir unsere F&E-Expertise weiträumig ein, damit der europäische Qualitätsvorsprung vor den asiatischen Herstellern auch ein dauerhafter Wettbewerbsvorteil bleiben kann.