Die Bewegungskünstler
Interview mit Ralph Breuer, Geschäftsführer der Stromag GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Breuer, seit knapp 20 Jahren sind Sie für die Stromag GmbH tätig, hatten verschiedene Leitungsfunktionen inne und sind seit über drei Jahren Geschäftsführer. Was ist das Besondere an der Stromag?
Ralph Breuer: Die Stromag ist seit der Gründung konstant gewachsen und heute Teil des amerikanischen Konzerns Regal Rexnord, mit Sitz in Milwaukee. Trotz dieses dynamischen Wachstums ist sie weiterhin mittelständisch geprägt. Dieser Mittelstandsgeist ist für mich ein wesentliches Charakteristikum.
Wirtschaftsforum: Die Unternehmenswurzeln reichen weit zurück. Was waren die großen Meilensteine in der Stromag-Geschichte?
Ralph Breuer: Stromag wurde 1932 in Dortmund als Stromschienen und Apparatebau GmbH gegründet und zog 1933 nach Unna, wo sich auch heute noch der Hauptsitz befindet. Die Produktion beschränkte sich anfangs auf Stromschienen und elektrisches Kranmaterial, doch schon 1933 wurden Kupplungen in das Angebot aufgenommen und seitdem immer wieder optimiert und weiterentwickelt. Beispielhaft sind Spindel-Endschalter, Lamellenkupplungen, elektromagnetische Einscheibenkupplungen, Getriebe-Nocken-Endschalter und hydraulische Schiffskupplungen. Doch nicht allein der kontinuierliche Ausbau des Produktportfolios prägt die Stromag-Geschichte nachhaltig, sondern auch die Internationalisierung. Schon 1953 wurde die erste Niederlassung in Österreich gegründet, von 1961 bis 1981 folgten 15 weitere Tochtergesellschaften weltweit. In den über 90 Jahren seit der Gründung 1932 hat sich viel verändert; unverändert blieb die Kernkompetenz, die Herstellung von Antriebskomponenten.
Wirtschaftsforum: Auch organisatorisch gab es einschneidende Zäsuren. Wie sieht die heutige Aufstellung aus?
Ralph Breuer: Stromag war lange Zeit ein Familienunternehmen, wurde 2007 von der Investmentgesellschaft Equita übernommen. Im Jahr 2011 wurde die Stromag Teil des englischen Konzerns GKN. Im Dezember 2016 wurde Stromag vom amerikanischen Konzern Altra Industrial Motion mit Hauptsitz in Boston übernommen. Nachdem der gesamte Konzern im April 2023 mit Regal Rexnord gemergt wurde, ist die Stromag GmbH auch Bestandteil des amerikanischen Konzerns mit Sitz in Milwaukee. Die Übernahme war ein großer Schnitt und nicht zuletzt mit einem Kulturwechsel verbunden. Aber, wie ich bereits betont habe, herrscht bei Stromag weiterhin das Gefühl eines typischen mittelständischen Unternehmens.
Wirtschaftsforum: Die Herstellung von Kupplungen und Bremsen ist seit Beginn Stromags Kernkompetenz. Für welche Produkte und Anwendungsbereiche steht das Unternehmen genau?
Ralph Breuer: Wir liefern Kupplungen und Bremsen in jeglicher Form, also elektromechanische, pneumatische und hydraulische Aktuierungen. Hinzu kommen 2in1-Lösungen, also Kombinationen aus schaltbaren mit hochelastischen Kupplungen, zudem Endschalter, Drehgeber, Lamellen und Reibbeläge. Dabei handelt es sich meistens um kundenspezifische Ausführungen Engineered-to-Order. Wir haben zwar ein sehr breites Produktportfolio, liefern aber vor allem maßgeschneiderte Lösungen, die in enger Zusammenarbeit mit den Kunden erarbeitet werden. Angewendet werden die Produkte in einer Vielzahl von Märkten; das reicht von der Stahlindustrie über die Marine, den Bergbau und Motoren bis hin zu Flurförderfahrzeugen, Aufzügen, der Landwirtschaft und dem Bergbau. Wir arbeiten für große Namen wie Liebherr und deren Zulieferer. Letztlich findet man Stromag-Lösungen überall dort, wo Lasten bewegt werden. Also auch in der Theatertechnik und in TV-Studios.
Wirtschaftsforum: Stromag ist seiner Kernkompetenz stets treu geblieben, hat sich dabei mit dem Markt und seinen Anforderungen weiterentwickelt. Welche Innovationen oder technischen Entwicklungen spielen heute eine Rolle?
Ralph Breuer: Ein Thema, das uns intensiv beschäftigt, ist die Elektrifizierung. In Häfen versucht man verstärkt, nur noch elektrisch zu manövrieren. Für Kupplungen haben wir deshalb einen kompakten Kombi-Standard entwickelt, der Volumen deutlich reduziert. Für nahezu jede Kombination von Elektro- oder Dieselmotor und Pumpe, Generator oder Riemenantrieb bieten wir passende 2in1-Lösungen. Digitale Technologien überzeugen unter anderem beim Predictive Maintenance. Da Sensoren anfällig sind und Elektronik unter Umständen ausfallen kann, wollen wir weg von der Sensorik. Durch spezielle elektronische Auswertungsmodule sind wir in der Lage, Modelle zur vorauschaubaren Wartung zu entwickeln. Der Vorteil besteht darin, dass Ersatzteile disponiert werden können, wenn es noch gar nicht zum Ausfall der Maschine gekommen ist, wir aber schon erkennen, wann der Verschleißfall eintritt. Insgesamt arbeiten wir intensiv an Prozessoptimierungen und das in enger Abstimmung mit dem Team in der USA.
Wirtschaftsforum: Stromag beschäftigt in Unna 435 Mitarbeiter, setzt rund 85 Millionen EUR um und rangiert abhängig von den Märkten unter den Top 2 bis 3 Unternehmen. Gibt es ein Erfolgsrezept? Was macht Stromag anders?
Ralph Breuer: Wir müssen aufgrund unseres Standortes mehr bieten als andere; die Herstellung ist beispielsweise teurer. Entscheidend ist, dass wir einen Mehrwert bieten, zum Beispiel durch kompetente und umfassende Kundenberatungen, die unser umfassendes Anwendungs-Know-how widerspiegeln. Hinzu kommt unser international tätiges Sales -und Serviceteam. Letztlich unterscheiden wir uns durch das Gesamtpaket und ein außergewöhnliches Anwendungswissen.
Wirtschaftsforum: Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit für Stromag?
Ralph Breuer: Eine große Rolle. Weil wir aktiv zum Klimaschutz beitragen wollen und uns hier in der Verpflichtung sehen, haben wir unter anderem eine Technologieumstellung in der Härterei vorgenommen und die Salzbadhärtung abgeschafft. Wir arbeiten mit LED-Technik, liefern Komponenten an Windturbinenhersteller und planen ein Solarfeld, um künftig mit durch Eigenerzeugung gewonnenem Strom arbeiten zu können. Natürlich ist auch das Nachhaltigkeitsreporting ein großes Thema.
Wirtschaftsforum: Die Stimmung in der Wirtschaft ist momentan getrübt. Wie blicken Sie nach vorn? Haben sie dabei einen Appell an die Regierung?
Ralph Breuer: Wir müssen die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands sichern; gerade das Ruhrgebiet steht unter Druck. Um hier neue Akzente zu setzen, wünschen wir uns vonseiten der Regierung einen Abbau bürokratischer Hürden; zudem müssen wir die Energiekosten wieder in den Griff bekommen und uns Gedanken über das Lieferkettengesetz machen, das viele Probleme mit sich bringt. Herausfordernd sind nicht zuletzt auch die Themen Bildung und Nachhaltigkeit. Wir müssen über Innovationen und Technologien reden, um CO2-Emissionen zu reduzieren; hier haben wir große Lücken. Schon in der Schule und Universität muss für diese Themen sensibilisiert und eine offene Kultur für technologische Innovationen geschaffen werden. Nur dann können wir uns vom internationalen Wettbewerb unterscheiden.
Wirtschaftsforum: Was reizt Sie persönlich an Ihrer Arbeit angesichts dieser großen Herausforderungen?
Ralph Breuer: Mich demotiviert Stillstand, dagegen motiviert mich jede Veränderung in die richtige Richtung. Bei Stromag sehe ich täglich neue Herausforderungen in einem spannenden Umfeld mit einem aufgeschlossenen, kompetenten Team und rund um spannende Technologien. Das ist mein persönlicher Ansporn, jeden Tag ein Stückchen besser zu werden.