Kunststoff: Viel besser als sein Ruf

Interview mit Daniel Sieberer, Geschäftsführer und Eigentümer der GIWA GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Sieberer, wir haben bereits im Jahr 2021 ein Interview mit Ihnen geführt. Was haben Sie seitdem in Ihrem Unternehmen verändert? 

Daniel Sieberer: Als verarbeitende Industrie benötigen wir sehr große Mengen an Material, Energie und Arbeitskraft. Die kriegsbedingte Energiekrise und Energiepolitik der letzten Jahrzehnte sowie die Inflation als Folge der Coronakrise haben zu einer enormen Verteuerung aller Kostenfaktoren geführt, die wir in der Produktion einsetzen. Deshalb haben wir auf die Themen Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft gesetzt. Wir haben vor allem in Trenn-, Reinigungs- und Zerkleinerungsprozesse sowie in die Automatisierung des Materialtransports investiert. Wir verarbeiten Kunststoffabfälle zu neuen Produkten. Von den knapp 10.000 t an Kunststoffen, die wir aktuell verarbeiten, sind etwa 7.000 t Abfall. Das ist dreimal so viel wie im Jahr 2021. Aufgrund der geopolitischen Unsicherheit inklusive Neuordnung müssen wir in Europa meiner Meinung nach generell unabhängiger von Rohstoffländern werden und die Kreislaufwirtschaft als Chance begreifen. In den letzten Jahrzehnten hat man sich zu sehr auf den Lorbeeren der Vergangenheit ausgeruht, was sich derzeit in einer immer schlechter werdenden Wirtschaftsleistung und Wohlstandsverlusten niederschlägt. Deutschland und Europa brauchen wieder neue, tragfähige Zukunftsvisionen, die uns einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil verschaffen können, auch im geopolitischen Kontext. Als GIWA haben wir zudem den Bereich Mehrweg in den Fokus genommen. Mit Kunststoff kann viel Einweg durch Mehrweg ersetzt werden. 

Wirtschaftsforum: Herr Sieberer, was hat Sie motiviert, GIWA zu übernehmen und was haben Sie vorher gemacht? 

Daniel Sieberer: Kunststoff hat in der Gesellschaft einen sehr schlechten Ruf — man denkt gleich an die Bilder vom Plastik im Meer. Doch die Unverrottbarkeit des Materials ist Fluch und Segen zugleich. Genau diese Eigenschaft hat mich beim Kauf des Unternehmens fasziniert. Das Wort ‘Kunststoff’ enthält den Begriff ‘Kunst’ — das Material ist so vielseitig einsetzbar. Zuvor war ich etwa zehn Jahre im Vorstand einer anderen Firma, wollte aber schon immer Unternehmer sein. In meinen bisherigen beruflichen Stationen habe ich viel Erfahrung sammeln dürfen. Deshalb habe ich mich irgendwann entschlossen, meine gesamten Ersparnisse aus jahrelanger Arbeit als Angestellter inklusive meines Eigenheims in den Kauf der GIWA einzusetzen, um meinen eigenen Weg zu beginnen. 

Wirtschaftsforum: In welcher Hinsicht haben Sie das Unternehmen in den letzten Jahren verändert? 

Daniel Sieberer: Wir haben die Automatisierung sehr stark vorangetrieben und viele Prozesse optimiert. Dadurch können wir weitaus effizienter arbeiten. 

Wirtschaftsforum: Wie viele Mitarbeiter beschäftigen Sie und wie hoch ist Ihr Umsatz? 

Daniel Sieberer: Wir beschäftigen 150 Mitarbeiter und erzielen einen Umsatz von etwa 30 Millionen EUR. 

Wirtschaftsforum: Wo sehen Sie sich am Markt im Vergleich zum Wettbewerb? 
 
Daniel Sieberer: Ich sehe uns sehr gut positioniert, da wir Zukunftsthemen wie Kreislaufwirtschaft und Produktentwicklung fokussieren. In diesen Bereichen schauen wir weit über den Tellerrand hinaus. Ich bin überzeugt, dass ich als Quereinsteiger, gemeinsam mit dem Team, das ich hier aufbaue, den Kunden in unseren Branchen neue Impulse mit Mehrwert geben kann.

Wirtschaftsforum: Herr Sieberer, geben Sie uns bitte einen Einblick in Ihre Produktpalette. 

Daniel Sieberer: Die Baubranche ist eine große CO2-Schleuder, da sämtliche verwendete Materialien in der Herstellung einen hohen CO2-Ausstoß haben. Wir haben in diesem Kontext zum Beispiel mit einem Kunden ein neues Bausystem entwickelt, das den CO2-Fußabdruck von Gebäuden verbessert. Der Kunde heißt GreenCode und ist der technologisch führende Hersteller von Betonfertigteilwerken in Europa. Wir haben sehr leistungsfähige Maschinen und können große Mengen verarbeiten. Darüber hinaus haben wir uns auf das Thema Werkzeugverlagerung spezialisiert. Wir übernehmen die Werkzeuge von Unternehmen, die auf dem Markt nicht überleben können, und produzieren für deren Auftraggeber weiter. Die Schwäche der deutschen Industrie hat zu einem starken Verdrängungswettbewerb in der kunststoffverarbeitenden Industrie geführt – mit entsprechenden Folgen. Wir übernehmen zudem die komplette Logistik für den Kunden und liefern sogar über Amazon aus.

Wirtschaftsforum: Sind Ihre Aufträge individuell oder haben Sie eher ein Standardportfolio? 

Daniel Sieberer: Der größte Teil unserer Produktion ist individuell auf den einzelnen Kunden zugeschnitten. Zu unseren Auftraggebern gehören viele namhafte Marken wie Bosch, Siemens oder BMW. Doch wir entwickeln auch eigene Produkte, wie zum Beispiel aktuell ein Fußkreuz für Bürodrehstühle aus 100% recyceltem Kunststoff. 

Wirtschaftsforum: Können Sie uns ein weiteres Produktbeispiel nennen? 

Daniel Sieberer: Ein Beispiel sind Pflanzenpodeste: Mit Dehner Gartencenter haben wir eine Vereinbarung, dass sie uns ihre gebrauchten beziehungsweise kaputten Pflanzenpodeste schicken, aus denen wir dann neue herstellen. Ich finde es gut, wenn Unternehmen einen Beitrag zur Ressourcenschonung leisten. Schließlich ist die Ressourcenknappheit eine der großen He-rausforderungen unserer Zeit.

Wirtschaftsforum: Wodurch hebt sich Ihr Unternehmen von der Konkurrenz ab? 

Daniel Sieberer: Neben den bereits erwähnten Themen spielt auch die Regionalität eine große Rolle. Der Transport ist mittlerweile neben dem schlechten ökologischen Aspekt auch ein bedeutender Kostenfaktor geworden. Kundennähe ist also ein Wettbewerbsvorteil – vor allem, wenn es gelingt, durch Automatisierung den Faktor Arbeit im Produkt zu minimieren, was angesichts steigender Lohnkosten in Deutschland immer wichtiger wird. Des Weiteren punkten wir mit höchster Qualität, Liefertreue und Branchenverständnis.

Tags
Nach themenverwandten Beiträgen filtern

Mehr zum Thema Kunststoff, Metall, Holz & Co.

Millioneninvestitionen mitten in der Wirtschaftskrise

Interview mit Rüdiger Schaaf, Geschäftsführer der Lausitzer Stahlbau Ruhland GmbH

Millioneninvestitionen mitten in der Wirtschaftskrise

Mitten in der Energiekrise hatte die Lausitzer Stahlbau Ruhland GmbH volle Auftrags­bücher zu verzeichnen und tätigte weitsichtige Investitionen im zweistelligen Millionenbereich, während andere energieintensive Industrieunternehmen von Deindustrialisierung und Abwanderung sprachen.…

Räume gestalten mit natürlichem Charme

Interview mit Marina Röhr, Geschäftsführerin der Röhr GmbH

Räume gestalten mit natürlichem Charme

Holz ist längst nicht mehr nur ein Baustoff, sondern ein Sinnbild für Wärme, Natürlichkeit und Nachhaltigkeit. Ob in Wohnräumen, Hotels oder öffentlichen Einrichtungen – Holz verleiht jedem Raum eine besondere…

Biopolymere für eine nachhaltige Zukunft

Interview mit Anna Meluso, Assistenz der Geschäftsführung der Enyax s.r.l.

Biopolymere für eine nachhaltige Zukunft

Der Anspruch der Enyax S.r.l. ist es, ihren Kunden innovative und umweltfreundliche Kunststofflösungen anzubieten, die den aktuellen Nachhaltigkeitsstandards entsprechen. Seit ihrer Gründung im Jahr 2014 steht das Unternehmen für zukunftsweisende…

Spannendes aus der Region Landkreis Augsburg

175 Jahre Qualität und Innovation

Interview mit Dr. Markus Deurer, Geschäftsführer der Gregor Deurer GmbH & Co. KG

175 Jahre Qualität und Innovation

Gegründet 1848 ist die Gregor Deurer GmbH & Co. KG das älteste Bauunternehmen in Augsburg und noch heute im Besitz der Familie Deurer. Markus Deurer, Geschäftsführer in 6. Generation, sprach…

Kunzmann – die Glühweinmacher

Interview mit Guido Grebe, Geschäftsführer KUNZMANN Weinkellerei - Mineralbrunnen - Fruchtsaft GmbH & Co. KG

Kunzmann – die Glühweinmacher

Rudolf Kunzmann ist der Erfinder des trinkfertigen Glühweins in Flaschen, doch die KUNZMANN Weinkellerei-Mineralbrunnen-Fruchtsaft GmbH & Co. KG hat, wie der Name auch sagt, weitaus mehr zu bieten. Das Familienunternehmen…

Lust auf das Bessere

Interview mit Michael Mayer, Geschäftsführer der AHA GmbH

Lust auf das Bessere

Wenn Leidenschaft, Mut, Know-how, Kreativität, Professionalität und ein starkes Wir-Gefühl aufeinandertreffen, kann Außergewöhnliches entstehen. Wie bei der AHA-GmbH aus Gersthofen. Planer, Designer, Schreiner und Visionäre erarbeiten dort Ladenbau-Konzepte, die neue…

Das könnte Sie auch interessieren

30 Jahre Erfolg durch Innovation und Kundennähe

Interview mit Martin Tump, Geschäftsführer der Ingenieurbüro UTEK GmbH

30 Jahre Erfolg durch Innovation und Kundennähe

Ingenieurbüros spielen eine entscheidende Rolle in der Entwicklung und Umsetzung technischer Projekte – von der Planung komplexer Anlagen bis zur Sicherstellung von Compliance und Nachhaltigkeit. Sie bieten Unternehmen unterschiedlichster Branchen…

Komplette Abgassysteme: Standard oder individuell

Interview mit Anneke van Heiningen, Geschäftsführerin und Paul Groeneweg, Geschäftsführer sowie Michael van Wijk, Geschäftsführer der Discom B.V.

Komplette Abgassysteme: Standard oder individuell

Mensch und Umwelt werden durch viele Faktoren belastet. Schädliche Emissionen gehören ebenso dazu wie übermäßiger Lärm. Die ausgereiften Abgassysteme der niederländischen Discom B.V. reduzieren Lärm und Abgase auf ein Minimum.…

Lichtblick: Hightech trifft Nachhaltigkeit

Interview mit Christian Veser, Geschäftsführer der VEMA technische Kunststoffteile GmbH

Lichtblick: Hightech trifft Nachhaltigkeit

In Krauchenwies, unweit des Bodensees, hat die VEMA technische Kunststoffteile GmbH ihren Sitz. Das 65 Mitarbeiter starke Familienunternehmen hat sich unter der Leitung von Geschäftsführer Christian Veser, der sich die…

TOP