Und die Kasse stimmt – Wie aus einem belächelten Haufen Bayern ein Marktführer wurde

Interview mit Patrick Brienen-Lucius, CRO der Orderbird AG

Eine K(l)asse für sich

„Wir waren jung, leichtsinnig und naiv genug zu glauben, dass wir es am Ende packen würden“, sagt Patrick Brienen-Lucius, Chief Revenue Officer bei orderbird. „Und genau diese Einstellung war das Erfolgsrezept gegen die Schwarzmaler.” Diese Einstellung gepaart mit einer ordentlichen Portion Selbstbewusstsein machte sie schnell zum Marktführer für iPad-Kassensysteme.

orderbird steht für ein Kassensystem, das direkt auf die Bedürfnisse der Gastronomen ausgerichtet ist. „Unser Produkt ist eine Lösung aus Hardware, Software und Service, das über herkömmliche Kassenfunktionen deutlich hinausgeht“, betont Patrick Brienen-Lucius. „Es ist ein Rundum-sorglos-Paket, das wertvolle Vorteile bringt: Dem Gastronomen wird die Arbeit erleichtert, das System ist selbsterklärend und braucht somit keine Einweisung. Es verleiht der Gastronomie einfach Flügel.“

Der Erfolg spricht für sich: 100 Mitarbeiter, zehn Millionen EUR Jahresumsatz, jährliche Wachstumsraten von 35%, Innovations- und Gründerpreise, starke Investoren wie Carsten Maschmeyer, namhafte Partner wie Metro und Mastercard – orderbird ist seit Jahren auf der Überholspur und gewinnt weiter an Fahrt.

Vier Freunde, ein Traum: Irgendwas Eigenes machen

Bastian Schmidtke war als Kassenspezialist bestens mit den traditionellen Kassen vertraut. Es waren klobige und komplexe Geräte, die ästhetisch wenig ansprechend waren. Zudem waren sie unglaublich teuer und nicht gerade benutzerfreundlich.

Als ausgesprochener Apple-Fan stellte er sich die Frage, wie er diese abschreckenden Kassensysteme in einen nutzerfreundlichen und leicht zu bedienenden Assistenten verwandeln könnte. Er dachte zunächst an den iPod touch, der bereits für die US-Army zum Steuern der Drohnen verwendet wurde. Wieso sollte es nicht möglich sein, ein Kassensystem zu entwickeln, das so einfach zu bedienen, so selbst erklärend und so elegant im Design wie ein Apple-Produkt ist?

Mit der Präsentation des ersten iPads zündete es in seinem Erfinderhirn wie eine Granate. Die Idee war geboren. Bastian holte seine ehemaligen Schulfreunde mit ins Boot: Artur Hasselach, Jakob Schreyer und Patrick Brienen-Lucius. Ein Kassenspezialist, ein Business Developer, ein Investmentbanker und ein Marketeer mit der Vision, die Kasse auf ein iPad zu bringen. Ein erster Kunde war schnell gefunden: Der Geschäftsführer des P1 in München überhörte zufällig die Unterhaltung der Gründer und war sofort Feuer und Flamme für das System. Er wollte es haben.

Vom ersten Rückschlag zum Kassenschlager

Der Prototyp wurde daraufhin 2010 zum Wiesn-Auftakt im Münchner Nobelclub getestet – mit Erfolg! „Uns allen war klar, dass es einen Bedarf für unser Produkt gibt, und dass es viele Probleme in der Gastronomie lösen wird“, so Patrick Brienen-Lucius. Doch sie hatten die Rechnung ohne den gemeinen Wirt gemacht. Dieser hatte in erster Linie Angst vor neuer Technologie, Angst vorm Zahlen der Steuern und überhaupt Angst vor allem, was mit Innovation oder Internet zu tun hatte.

Patrick Brienen-Lucius CRO
„Unsere Firmenkultur basiert auf einem starken Miteinander. Wir glauben daran, Gutes zu tun und unsere Kunden erfolgreicher zu machen.“ Patrick Brienen-LuciusCRO

Es musste zunächst also eine neue Zielgruppe erschlossen werden. Gerade die jungen Leute, Early Adopter und Innovatoren, waren mehr als unzufrieden mit den traditionellen Kassensystemen. Sie waren zu groß, sie waren schwer zu bedienen und passten nicht ins 21. Jahrhundert.

orderbird hing sich genau an diese Zielgruppe und wurde, dank passendem Online- und Social-Media-Marketing, zum Kassenschlager. Die Gründer gewannen Awards und bauten Kontakte auf, die am Ende des Tages Investoren wie Carsten Maschmeyer, Concardis, digital+ und die Metro AG auf den Plan riefen.

SaaS-Pioniere: Kassensysteme mieten statt kaufen

Einen echten Coup landete orderbird mit der Einführung des SaaS-Systems. „Kassen werden üblicherweise zum Kauf angeboten“, so Patrick Brienen-Lucius. „Wir haben erstmals ein Mietmodell für die Software eingeführt, waren die ersten, die sich getraut haben, direkt über das Telefon zu verkaufen. Wir waren so etwas wie die ‘New Kids on the Block’.“ Schnell war von Internationalisierung und weiteren Kundensegmenten die Rede, orderbird katapultierte sich in immer höhere Sphären und wuchs im dreistelligen Prozentbereich.

„2016 wurden wir Opfer von feindlichen DDoS-Attacken, die unsere Kunden außer Gefecht setzten. Man muss sich vorstellen: Tausende von Gastronomen in ganz Deutschland sind nicht mehr in der Lage, ihre Kasse zu bedienen und das zu Stoßzeiten! Das war unsere erste wirkliche Katastrophe als Jungunternehmer.“

Für manche Start-ups wäre hier das Ende der Reise gewesen, nicht so für orderbird. Das Unternehmen hielt zusammen, legte die Erschließung neuer Märkte auf Eis und investierte in die Sicherheit der Systeme. „Der daraus resultierende Fokus auf den Heimatmarkt war mehr Segen als Fluch, retrospektiv gesehen”, sagt Patrick Brienen-Lucius. „Wir wurden noch besser, in dem was wir tun und konnten die Marktführerschaft für iPad-Kassen in Deutschland, Österreich und der Schweiz deutlich ausbauen. Aus dieser Position der Stärke war der Markteintritt in Frankreich ein vergleichsweise leichtes Unterfangen.“

Gutes Design + Einfache Prozesse = mehr Umsatz!

Die Zeiten, in denen orderbird in erster Linie an hippe Café-Gründer aus Berlin verkauft wurde, sind längst vorbei. Mehr als jede zehnte verkaufte elektronische Kasse in Deutschland trägt mittlerweile den blauen orderbird im Logo. Entscheidend für den Erfolg von orderbird ist, dass sie das Thema ‘Kasse’ als ein hochkomplexes und emotionales Thema für den Gastronomen begreifen und sich an den konservativen Massenmarkt angepasst haben. In ein Kassensystem wird nur alle paar Jahre investiert und für den Laien ist es beinahe unmöglich, die verschiedenen Technologien der einzelnen Anbieter sinnvoll zu vergleichen.

„Das Vertrauen der verunsicherten Käuferschaft erlangen wir durch unsere einfachen und schlichten Produkte sowie mit tiefer Branchenkenntnis und einer Verfügbarkeit von mittlerweile 99,99%. Das, gepaart mit hochmodernen und professionellen Prozessen in Marketing und Vertrieb, ist unser Erfolgsgeheimnis“, schließt Patrick Brienen-Lucius. „Egal, ob Food-Truck oder großer Biergarten, Gastronomen generieren durch unsere Lösung im Durchschnitt 15% mehr Umsatz im ersten Jahr mit orderbird.”

Ausblick in die Zukunft

Am 01.01.2020 tritt in Deutschland die Kassensicherungsverordnung in Kraft, was bedeutet, dass über eine Million Händler in Deutschland ihre Registrierkasse aufrüsten müssen. Eine riesige Chance für orderbird, weiter auf die verstaubten Hersteller gut zu machen. „Wir rechnen damit, dass wir mehr als doppelt so viele Kassen wie unsere Marktbegleiter verkaufen”, prognostiziert Patrick Brienen-Lucius. Er selbst wird das laut eigener Auskunft aus der Ferne betrachten, da er sich nach über acht Jahren bei der orderbird AG mit all seiner Erfahrung die er in dieser Zeit machen konnte als Berater für Vertrieb und Marketing selbstständig machen wird.

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