SMART/LAB: Laden ohne Grenzen

Interview mit Dr. Mark Steffen Walcher, Geschäftsführer der smartlab Innovationsgesellschaft mbH

Wirtschaftsforum: Herr Dr. Walcher, wie hat sich smartlab in den letzten Jahren entwickelt – und welche Entscheidungen waren dabei prägend?

Dr. Mark Steffen Walcher: smartlab wurde Anfang der 2010er-Jahre als Think Tank von drei verschiedenen Stadtwerken gegründet – Osnabrück, Duisburg und Aachen. Wir sollten uns mit Zukunftsthemen beschäftigen, die noch nicht marktreif waren: Elektromobilität, Wasserstoff, Smart Street, Smart Home. Die Idee war, ein Schnellboot abseits der normalen Strukturen zu schaffen. Ich bin nach zwei Jahren dazugestoßen, geholt wegen meiner Erfahrung mit Elektromobilität in der Region Stuttgart, wo wir damals 500 Fahrzeuge an die Bevölkerung verteilt haben. Wir fokussierten uns relativ schnell auf die Elektromobilität und legten die anderen Themen erstmal beiseite. Der Durchbruch war die Vernetzung verschiedener Stadtwerke miteinander – revolutionär war damals die Idee, dass ich mit meiner Aachener Karte in Duisburg an einer öffentlichen Ladesäule Strom tanken kann. Das war der Nucleus für das heutige Unternehmen.

Wirtschaftsforum: Wie groß ist das Unternehmen inzwischen? Wie viele Mitarbeiter haben Sie?

Dr. Mark Steffen Walcher: Wir haben aktuell etwa 120 Mitarbeiter, die bei uns und bei unserem Tochterunternehmen e-clearing.net arbeiten, das für den europäischen Markt zuständig ist. Wir wachsen sehr dynamisch. Aus den damaligen wenigen Ladepunkten sind mittlerweile 27.000 eigene geworden, und wir arbeiten mit 280 Stadtwerken und über 200 anderen Unternehmen zusammen, die ihre Ladeinfrastruktur vorrangig öffentlich zur Verfügung stellen.

Wirtschaftsforum: Können Sie das System erklären? Wie funktioniert das technisch?

Dr. Mark Steffen Walcher: Sie müssen sich das so vorstellen: Sie haben immer ein Ladeprodukt – eine Karte oder App, entweder vom Autohersteller, vom Stadtwerk oder von anderen Anbietern. Dann gibt es verschiedene Infrastrukturbetreiber von Ladesäulen. Wir ermöglichen, dass Sie mit Ihrer Karte überall laden können, ohne sich um verschiedene Systeme kümmern zu müssen. 

Wir machen B2B-Verträge mit allen Betreibern und wickeln das sogenannte Settlement ab – also die Abrechnung. Gleichzeitig können unsere Stadtwerke-Partner ihre Säulen in ihrem eigenen Look and Feel betreiben. In Aachen sind sie orange, in Duisburg grün, in München blau – aber dahinter steckt immer unser System. Das Besondere ist: Sie können mit unseren Produkten nicht nur an unseren eigenen 27.000 Ladepunkten laden, sondern an etwa 180.000 Ladestationen deutschlandweit – auch bei Konkurrenten wie Shell oder Aral. Technisch geht es um den Austausch von drei einfachen Datensätzen: Authentifizierung, Strommenge und Standortdaten. 

Wirtschaftsforum: Was unterscheidet smartlab von anderen Anbietern in diesem hochdynamischen Wettbewerb?

Dr. Mark Steffen Walcher: Ehrlich gesagt sind die einzelnen Features am Ende bei allen Anbietern fast gleich – das ist wie beim Handy, ob Samsung oder Apple, am Ende wollen Sie beispielsweise einfach nur videotelefonieren. Was uns wirklich unterscheidet, ist unser riesiges Netzwerk und dass wir seit zwölf Jahren am Markt sind. Wir haben diese 480 Stadtwerke und Unternehmen, sind mittlerweile von DKV gekauft worden und haben einfach dieses solide Netzwerk aufgebaut. Es gibt jedes Jahr neue fancy Start-ups mit Flatrates oder kostenlosen Angeboten, die dann einen höheren öffentlichen Impact haben. Aber meistens verschwinden die geräuschlos. Der Riesenunterschied ist unsere Erfahrung, unser etabliertes Netzwerk und dass wir seit zwölf Jahren kontinuierlich wachsen. Dabei können wir nicht alles – aber das, was wir können, machen wir richtig gut.

Wirtschaftsforum: Wohin soll die Reise für smartlab zukünftig gehen?

Dr. Mark Steffen Walcher: Unser Ziel ist klar: Wir wollen unsere Marktführerschaft im Bereich Laden in Deutschland auf Europa ausweiten – gemeinsam mit unserem Mutterkonzern DKV. Erste Länder wie die Niederlande, Österreich und Belgien sind über unsere Plattform e-clearing.net bereits angebunden. Millionen Transaktionen laufen dort schon. Der nächste Schritt: Am 20. Mai launchen wir unsere neue App, die diese europäische Vernetzung noch besser abbildet. Zudem bringen wir Ende des Jahres ein neues Tool zur automatisierten Ladeabrechnung für Unternehmen auf den Markt.

Wirtschaftsforum: Die letzten fünf Jahre waren geprägt von Krisen. Wie haben diese Ihr Geschäft beeinflusst?

Dr. Mark Steffen Walcher: Ich bin grundsätzlich optimistisch. Die Elektromobilität wächst kontinuierlich, seit ich 2013 in dem Bereich arbeite. Die letzten fünf Jahre haben für unser Unternehmen eher positive Veränderungen gebracht – wir sind drastisch gewachsen. Während Corona gab es zwar weniger Ladevorgänge, aber das Geschäftsfeld ist trotzdem weitergewachsen. Die deutsche Automobilindustrie hat ihre Hausaufgaben nachgeholt, nachdem sie sich von Tesla abhängen ließ. Was Förderprogramme angeht: Ich bin mittlerweile sogar ein Gegner davon, weil die Automobilindustrie diese oft ausnutzt. Jetzt fallen die Preise bei VW und anderen drastisch, weil die CO2-Ausstöße der Flotten gesenkt werden müssen.

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