Eine Messe ist wie ein Biotop

Interview mit Wolfram N. Diener, Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe Düsseldorf GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Diener, die letzten zwei Jahre waren wirklich nicht einfach für die Messebranche. Doch bevor wir darauf zu sprechen kommen, können wir vielleicht noch einmal über die Zeit vor Corona reden.

Wolfram N. Diener: Besonders an unserer Messe Düsseldorf ist unser breit gefächertes Portfolio an Themen. Wir sehen viele Entwicklungsthemen, nicht nur geografisch, sondern auch für die Industrien. Wenn beispielsweise neue Themen auftauchen, präsentieren wir es häufig als Sonderthema auf einer Messe, um dann später eine eigene Messe daraus zu machen. Wir haben 20 weltweit führende Messen aus allen Bereichen am Standort Düsseldorf.

Wirtschaftsforum: Wie stellte sich die Situation vor 2020 allgemein für die Messebranche dar?

Wolfram N. Diener: Über Jahrzehnte konnten wir ein super Verhältnis zu Industrie und Verbänden aufbauen. Vor Corona sind wir zudem international stark gewachsen. Die deutschen Messen insgesamt sind gewachsen, viele allerdings vor allem durch M&A.

Wirtschaftsforum: Wie sieht das in Düsseldorf aus?

Wolfram N. Diener: Seit zwei Jahren wachsen auch wir über M&A. Kurz vor Corona erwarben wir 50% an der CIOSH in China, eine Messe für Arbeitssicherheit und Arbeitsschutz, die gut zu unserer A + A passt. Vor drei Monaten haben wir die Mehrheit an einer Veranstaltung in den USA übernommen. Die XPONENTIAL ist die weltweit führende Fachmesse und Konferenz für unbemannte und autonome Systeme auf dem Land, zu Wasser und in der Luft. Ein sehr zukunftsträchtiges Thema. Durch unsere Tochtergesellschaft Messe Düsseldorf North America (MDNA) sichern wir also uns den Zugang zu einer vielversprechenden Branche, die ein enormes Wachstumspotenzial bietet.

Wirtschaftsforum: Wir müssen auch über Corona sprechen.

Wolfram N. Diener: 2020 gab es die Absagen vieler großer Messen, ganz klar, aber wir haben schnell virtuelle Alternativen gefunden. Da die Produkte vieler unserer Branchen allerdings sehr erklärungsbedürftig sind, kann eine virtuelle Messe den persönlichen Kontakt und das Netzwerken vor Ort niemals voll und ganz ersetzen. Dank eines ausgefeilten Hygienekonzepts haben wir bewiesen, dass erfolgreiche Messen unter größtmöglichen Schutz für alle Beteiligten auch in Corona-Zeiten möglich sind. So konnten die Aussteller bspw. beim Caravan Salon 2020/21 sehr gute Geschäfte machen. Unsere Erkenntnis aus dieser Zeit: Wir müssen uns von Laufzeiten lösen, das multisensorische Erlebnis ist zwar weg, aber es gibt Themen, die für digitale Formate sicher zu einem bestimmten Maß geeignet sind. Jetzt machen wir durchgehend ein digitales Grundrauschen, ergänzend zu Präsenzveranstaltungen, die nur alle drei bis vier Jahre stattfinden.

Wirtschaftsforum: Wo ordnen Sie sich als Messe ein?

Wolfram N. Diener: In Deutschland sind wir rein aufs Messegeschäft bezogen die Nummer 1, weltweit ist Frankfurt größer.

Wirtschaftsforum: Wie sieht das aktuelle Messegeschehen aus?

Wolfram N. Diener: Wir sind stark im Investitionsgüter- und Maschinenbereich. Im September kommt die K wieder, die weltweit größte Kunststoffmesse. Interpack und Drupa stehen ebenfalls an. Gesundheit ist ein Thema, hier sind etwa medica, compamed oder Rehacare zu nennen. Ab nächstem Jahr können wir die Boot wieder begrüßen.

Wirtschaftsforum: Nachhaltigkeit und Digitalisierung sind echte Zukunftsthemen, oder?

Wolfram Diener: Zusammen mit Interpack haben wir eine ‘Safe Food’-Kampagne gemacht. Agrarprodukte aus Dritte-Welt-Ländern sollen mit möglichst wenig Verlust in die Zielländer gebracht werden. Seit Januar 2022 nutzen wir zu 100% Ökostrom. Wir sparen seit 2011 jährlich bis zu 5 t CO2 ein. Zudem haben wir unseren Heizbedarf in den letzten Jahren um fast 30% reduziert und einen Anforderungskatalog für Dienstleister aufgestellt.

Wirtschaftsforum: Digitalisierung ist das zweite angesprochene große Zukunftsthema.

Wolfram Diener: Seit fünf Jahren haben wir für interne Prozesse und End-to-End-Prozesse die digitale Transformation eingeleitet und bisher gute Erfolge erzielt. Wir bauen beständig unsere Infrastruktur auf dem Gelände aus.

Wirtschaftsforum: Was sind Ihre wichtigsten Erfolgsfaktoren?

Wolfram N. Diener: Wir entwickeln unsere Messen immer weiter und haben gute Trend-Scouts. Eine Messe hat keinen Status quo, sie ist ein Biotop, das im stetigen Wandel ist. Wir sind im ständigen Austausch mit der Industrie. Wir sind ohne betriebsbedingte Kündigungen durch die Pandemie gekommen und brauchten als einzige Messe in Deutschland keinen Cent von unseren Gesellschaftern.

Wirtschaftsforum: Wie geht es weiter?

Wolfram N. Diener: Wir wollen international Messethemen entwickeln, die zu den Regionen passen. Es gibt immer weniger Weltleitmessen, aber immer mehr Kontinentalmessen. Wir wollen unsere digitalen Angebote ausbauen. Nach dem erfolgreichen ersten Halbjahr, insbesondere im Mai, erwarten uns viele weitere Highlights im gut gefüllten Messekalender. Da möchten wir zeigen, dass wir nach wie vor die gleiche Relevanz wie vor der Krise haben.

Tags
Nach themenverwandten Beiträgen filtern

Mehr zum Thema

„Jammern ist leichter als Handeln“

Interview mit Prof. Dr.-Ing. Dieter Gerling, Gründer der FEAAM GmbH

„Jammern ist leichter als Handeln“

Mit diesem Leitsatz gründete Professor Dieter Gerling 2006 die FEAAM GmbH – eine Ausgründung der Universität der Bundeswehr München. Fast zwei Jahrzehnte später entwickelt sein zehnköpfiges Team elektrische Antriebe für…

Holz, Hightech, Handwerk: Verpackung für den internationalen Erfolg

Interview mit Moritz Krings, künftiger Geschäftsführer der Peter Krings GmbH & Co. KG

Holz, Hightech, Handwerk: Verpackung für den internationalen Erfolg

Seit über 160 Jahren steht die Peter Krings GmbH & Co. KG aus Stolberg für Kompetenz in der industriellen Holzverpackung. Aus einem einstigen Sägewerk entwickelte sich ein moderner Industriedienstleister, der…

Innovative Verpackung für eine nachhaltige Zukunft

Interview mit Philip De Bie, CEO und Bénédicte Soenen, Sales Director der Soenen Golfkarton NV

Innovative Verpackung für eine nachhaltige Zukunft

Ob Verpackungen für Waffeln, Tierfutter oder Hightech-Komponenten – die Soenen Golfkarton NV gehört zu den führenden Anbietern von individuellen Wellpappverpackungen in Nordwesteuropa. Mit zwei hoch automatisierten Standorten und einem klaren…

Spannendes aus der Region Düsseldorf

Für das leibliche Wohl

Interview mit Nicole Stein, Geschäftsführerin der Melles & Stein Messe-Service GmbH

Für das leibliche Wohl

Als innovativer und zuverlässiger Partner für die kulinarische und personelle Messestandbetreuung hat sich die Melles & Stein Messe-Service GmbH in der dynamischen Messewelt einen Namen gemacht. Trotz der Herausforderungen, die…

SMP Strategy Consulting: Als Eraneos Strategy weiterhin auf Erfolgskurs

Interview mit Marcel Vandieken, Geschäftsführer

SMP Strategy Consulting: Als Eraneos Strategy weiterhin auf Erfolgskurs

Seit mehr als 25 Jahren steht SMP für strategische Beratung, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt und umsetzbare Lösungen entwickelt. Auch deshalb hat sich das Düsseldorfer Unternehmen als eine…

Farben, die funktionieren – mit Borchers Additiven

Interview mit Dietmar Helker, EMEA Applications & Co-Supplier Leader der Bochers GmbH

Farben, die funktionieren – mit Borchers Additiven

Lackadditive sind spezielle Zusatzstoffe, die in der Farb- und Lackindustrie eingesetzt werden, um bestimmte Eigenschaften wie Fließverhalten, Trocknungsgeschwindigkeit oder Widerstandsfähigkeit gegenüber äußeren Einflüssen zu verändern und zu verbessern. Die Borchers…

Das könnte Sie auch interessieren

Bauen unter rollendem Rad

Interview mit Sebastian Glöckner, Geschäftsführer der eba-consult GmbH

Bauen unter rollendem Rad

Der Investitionsbedarf im deutschen Schienennetz ist immens, und nicht zuletzt durch das Sondervermögen der Bundesregierung sollen in Bälde umfangreiche Ertüchtigungsmaßnahmen umgesetzt werden. Dazu wird auch die Kompetenz einschlägig spezialisierter Bauüberwacher…

Stadtplanung im Auftrag der Zukunft

Interview mit Jan Nicolin, Dipl. Ing. Architekt und Geschäftsführer der Stadtbauplan GmbH

Stadtplanung im Auftrag der Zukunft

Wenn in deutschen Städten gebaut wird, dann oft mit einem Blick in die Zukunft – strukturiert, komplex und politisch. Gerade im öffentlichen Hochbau und in der Stadtentwicklung stehen Kommunen heute…

Vom Autoglasdienstleister zum hoch spezialisierten Industriepartner

Interview mit Han-Alexander Pothoven, Director Advanced Technologies der DK Prototyping for Automotive Glass

Vom Autoglasdienstleister zum hoch spezialisierten Industriepartner

Wie bringt man Innovation, Qualität und Tempo unter ein Glasdach? Han-Alexander Pothoven von DK Prototyping for Automotive Glass kennt die Antwort. Im Interview erläutert er, wie ein kleines Unternehmen aus…

TOP