Die Zwergenwelt ist Bio
Interview mit Jochen Walz, Geschäftsleiter der Zwergenwiese Naturkost GmbH
Es war einmal eine Frau, die in Karlsruhe einen Biomarkt betrieb, zu einer Zeit, als Bioprodukte noch exotische Randerscheinungen waren. 1979 legte Susanne Schöning den Grundstein für das Unternehmen, als sie auf der Schwäbischen Alb eine Landkommune gründete. Dass diese bald darauf auseinanderbrach, tat dem Erfolg keinen Abbruch.
„Anfang der 1980er-Jahre hat sie mit festgelegt, was Bio eigentlich bedeutet“, sagt Geschäftsleiter Jochen Walz und ergänzt: „Sie war damals ihrer Zeit voraus.“
Susanne Schöning kehrte in ihre Heimat Schleswig-Holstein zurück, kaufte einen Bauernhof und gründete das Unternehmen Zwergenwiese. „Dort hat sie Brotaufstriche hergestellt, die Etiketten selbst gezeichnet und als die ersten Bioläden in der Region eröffnet wurden, hat sie diese beliefert“, berichtet er. Bald war die Zwergenmütze in aller Munde.
Die erste Mitarbeiterin wurde 1992 eingestellt und man baute ein industrielles Werk auf, das 1996 mit elf Mitarbeitern in Betrieb genommen wurde. Mit der BSE-Krise kam Anfang 2000 der Boom, erzählt Jochen Walz: „Wir hatten ein Umsatzwachstum von 100 bis 300%, da niemand mehr Fleisch essen wollte.“ Bis 2010 wurde die Produktionsfläche verdreifacht sowie Lager und Logistikzentrum gebaut.
Boom mit Bio
Der Bio-Boom hielt an und der Vegan-Boom kam noch hinzu, sodass das Unternehmen weiter wuchs. 2019 wird ein neuer Verwaltungstrakt mit weiteren 400 m² fertiggestellt sein. Seit 2017 gehört Zwergenwiese zur Rapunzel-Gruppe. Es ist das Ergebnis einer langen Zusammenarbeit: Joseph Wilhelm, Inhaber der Rapunzel-Gruppe, belieferte Susanne Schöning bereits in Karlsruhe mit seinen Mandelmusen.
Bio ist nicht teuer – konventionell ist viel zu billig! Der Verbraucher hat durch seine Kaufentscheidung die Macht, etwas zu verändern. Jochen WalzGeschäftsleiter
Verändert hat sich dadurch aber nichts, wie Jochen Walz betont: „Man ist sich einig, dass Veränderungen nicht von außen kommen dürfen, sondern aus dem Unternehmen heraus entstehen müssen.“ 115 Mitarbeiter zählt das Unternehmen heute. In 40 Jahren hat es sich von einer Landkommune zu einem mittelständischen Betrieb mit einem Jahresumsatz von 26 Millionen EUR und zum Marktführer im Bereich Naturkost-Brotaufstriche und -Tomatensoßen entwickelt.
Superfood aus der Region
Noch immer habe es der Naturkostfachhandel schwer, sich gegenüber dem konventionellen Lebensmitteleinzelhandel zu behaupten, sagt Jochen Walz. „Wir müssen deshalb Innovationsführer sein und immer ein besseres Produkt anbieten.“
Das bedeutet für Zwergenwiese unter anderem, regionale Rohstoffe zu verwenden – das Gemüse kommt zu 90% aus dem norddeutschen Raum. Die ‘Dauerbrenner’, verschiedene Sorten vegetarische Schmalze, sind bereits seit 40 Jahren im Programm.
Daneben bietet Zwergenwiese allein 52 vegane und vegetarische Brotaufstriche, zuckerfreie Fruchtaufstriche, Senf aus deutscher Senfsaat und zwölf verschiedene Tomatensaucen. 2017 habe man sich mit Fertiggerichten auch neuen Ufern zugewandt, so der Geschäftsleiter. Dank der eigenen Produktentwicklung entstehen immer neue Produkte und man ist stets auf der Suche nach neuen Rohstoffen.
Den Trend zu ‘Superfoods’ sieht Jochen Walz kritisch: „Sie haben nicht mehr viel mit Bio zu tun, da sie über weite Wege nach Deutschland transportiert werden. Wir setzen auf heimische Superfoods: Rote Bete hat genauso viel Superfood-Charakter wie Chiasamen.“
Den Markt verändern
Bei Zwergenwiese wird viel Wert auf das soziale Miteinander gelegt. Die Bezahlung ist übertariflich, die Mitarbeiter erhalten Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Kostenfreie Massagen und ein Gymnastik-Angebot tragen zum Wohlfühlklima bei. Fachkräftemangel ist daher auch kein Thema.
Jochen Walz zweifelt nicht daran, dass Bio die Zukunft ist. Eine Koexistenz von Bio-Anbau und konventioneller Landwirtschaft ist für ihn keine Option. „Ich bin überzeugt, dass Bio irgendwann die Menschen ernähren können wird. Wer Bio kauft, tut sich etwas Gutes und stellt sicher, dass seine Kinder und Enkel noch gut auf diesem Planeten leben können. Bio ist auch nicht teuer – konventionell ist viel zu billig! Der Verbraucher hat durch seine Kaufentscheidung die Macht, etwas zu verändern.“