Ein Markt, der Wohncharakter verleiht
Interview mit Florian Bausch, Leiter Marketing und Produktentwicklung bei Vorwerk & Co. Teppichwerke

Wirtschaftsforum: Vorwerk ist seit über 130 Jahren am Markt und mit unterschiedlichen Produkten fester Bestandteil in Haushalten. Alles begann mit der Produktion von Teppichen. Was hat sich in den letzten Jahren am Markt am meisten verändert?
Florian Bausch: Ich bin jetzt seit drei Jahren bei Vorwerk Teppichwerke tätig und schon in dieser Zeit hat sich viel verändert. Was mich bei Vorwerk besonders fasziniert: der Teppichmarkt ist ein Markt, der sich komplett im Umbruch befindet. Bis vor zwei Jahren war er noch auf dem Stand der 90er-Jahre. Inzwischen ist er einem radikalen Marktwechsel unterworfen. Vorwerk hat schon viele Veränderungen erlebt und gemeistert. Das Unternehmen wurde 1883 als Teppichmanufaktur in Wuppertal gegründet. 1950 zog diese Manufaktur in die Nähe von Hannover. Heute haben wir unseren Sitz in Hameln.
Vorwerk brachte insgesamt viele Neuerungen auf den Markt. Dazu gehören die industrielle Teppichproduktion, Designerteppiche und die Produktionstechniken Web- und Tuft-Technik. Wenn Sie sich die Techniken vorstellen: Die Webtechnik ist der Formel1-Wagen und die Tuft-Technik ist der Volkswagen. Diese Techniken nutzen wir auch heute noch, aber dennoch machen wir das Unternehmen seit drei Jahren für die Zukunft fit. Das Thema Digitalisierung gewinnt immer mehr an Bedeutung und daran möchten wir uns anpassen.

"Was mich bei Vorwerk besonders fasziniert: der Teppichmarkt ist ein Markt, der sich komplett im Umbruch befindet." Florian Bausch
Wirtschaftsforum: Wie versuchen Sie, die Digitalisierung in Ihren Unternehmensalltag einzubringen?
Florian Bausch: Derzeit bauen wir Social Media auf. Denn auch unsere Zielgruppen, Bauherren, Architekten, Objekteure sind immer digitaler ausgerichtet. Generell wird sehr viel und stark über die sozialen Medien konsumiert. Daran wollen wir auch Teil haben. Ab 2019 gehen wir in den sozialen Netzwerken an den Start, im Oktober ist unsere schon neue Website online gegangen. Digitalisierung ist einfach ein Monsterprojekt für uns. Wir digitalisieren bei Vorwerk nicht die Wertschöpfungskette, also richten die Produktion nicht digital aus. Das folgt zu einem späteren Zeitpunkt. Wir digitalisieren derzeit den Markt, den Vertriebsprozess und damit einhergehend auch die Kundenkommunikation.
Wirtschaftsforum: Sie sagen, Sie digitalisieren Ihren internen Prozessablauf. Haben Sie auch Ihre Produktwelt an die Anforderungen des Teppichmarktes angepasst?
Florian Bausch: Wir wollen den Teppich aus dem Nischendasein zurückholen. Dafür haben wir ein Ordnungsprinzip in den Markt eingebaut, das es vorher noch nicht gab. Wir haben dazu vor drei Jahren eine repräsentative Studie in Deutschland mit 6000 Leuten durchgeführt. Wir haben herausgefunden, wie sich die Leute dem Thema Bodenbelag nähern. Daraufhin haben wir unsere Essential-, Superior-, Exclusive-Line und drei Stilwelten entwickelt. Dazu gehören Nature-, Art-, und Classic-Design. Mit dem Nature- und Classic-Design treffen wir 80% des europäischen Geschmacks. Bei uns finden Sie drei Produktlinien, drei Stilrichtungen und Millionen Möglichkeiten.

"Wir wollen den Teppich aus dem Nischendasein zurückholen. Dafür haben wir ein Ordnungsprinzip in den Markt eingebaut, das es vorher noch nicht gab." Florian Bausch
Wirtschaftsforum: Bei Millionen Möglichkeiten haben die Kunden eine sehr große Produktauswahl. Woher wissen Kunden dann noch, welcher Teppich der Richtige für sie ist?
Florian Bausch: Wir entwickeln für jeden Kunden den Teppich, den er gerne möchte. Wir haben einen eigenen Farbturm mit einem integrierten Roboter für unsere Produktion entwickelt. Dieser kann Farbrezepturen nach Wunsch aufbauen und zusammenmischen. Kommt eine Kundin zu uns und wünscht sich passend zu ihrer Bluse den farbigen Teppich, können wir genau diese Farbe zusammenmischen. Wir bieten Ware an, die sich dem Raum nicht unterordnet, sondern ihn dominiert. Vorwerk verleiht Wohncharakter. Gerade in der heutigen Zeit, wo viele Menschen in Großstädten zwischen Stahl, Stein und Beton leben, spielt das Thema Gemütlichkeit eine zentrale Rolle. Wir wollen außerdem mit Vorurteilen aufräumen. Wenn Sie heute hören, dass Teppiche nicht sauber und Hartboden besser ist, dann stimmt das nicht. Der Hartboden bindet den Staub nicht und dadurch haben Sie natürlich die Staubpartikel in der Luft. Der Vorwerk-Teppich ist so produziert, dass er sich vorne statisch auflädt und den Staub anzieht. Dadurch haben Sie insgesamt weniger Staub in der Luft und der Teppich ist allergikergeeignet. Und weil er latexfrei und umweltfreundlich produziert ist, riecht er auch nicht.

"Gerade in der heutigen Zeit, wo viele Menschen in Großstädten zwischen Stahl, Stein und Beton leben, spielt das Thema Gemütlichkeit eine zentrale Rolle." Florian Bausch
Wirtschaftsforum: Die Digitalisierung ist als großes Projekt schon jetzt geplant. Welche Pläne haben Sie sonst noch für das nächste Jahr?
Florian Bausch: Bis 2021 tauschen wir 100% der Produkte aus. Den Produktlaunch im B2B-Bereich haben wir mehrheitlich abgeschlossen. B2C gehen wir nächstes Jahr an. Dieses Jahr haben wir knapp 50 Produkte neu eingeführt. Nächstes Jahr planen wir, 30-35 neue Produkte einzuführen. Internationalisierung ist auch ein Thema. Es geht um die Reaktivierung von Märkten mit einer konsequenten Bearbeitung der Märkte Nordamerika und Asien. Ich freue mich auf den Kulturwandel, den wir derzeit anstreben und bin bereit, ihn so weiterführen, wie wir ihn schon begonnen haben.
Interview: Vera Gaidies / Fotos: Vorwerk & Co. Teppichwerke