„Die selbstlernende Fabrik aufbauen“

Interview mit Jens Bergner, Geschäftsführer der VACOM Vakuum Komponenten & Messtechnik GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Bergner, welche Meilensteine sind in der Geschichte von VACOM besonders hervorzuheben?

Jens Bergner: Meine Mutter, Diplom-Physikerin, hat VACOM von 1992 an aufgebaut. 2000 wurde die Firma vom Handels- zum Produktionsunternehmen für Vakuumkomponenten. 2008 wurde der Bereich Forschung und Entwicklung ins Leben gerufen, in den wir seitdem regelmäßig 10% unseres Umsatzes investieren. Unser letzter großer Schritt war in den vergangenen zwei Jahren die Investition von 40 Millionen EUR in Produktion, Technologien und den Aufbau einer Reinigungsfabrik. Wir haben jetzt die weltweit modernste Fabrik mit fahrerlosen Transportfahrzeugen, sich selbst organisierender Fertigungssteuerung und einem der modernsten Logistiksysteme und sind die Einzigen in der Vakuumbranche, die Industrie 4.0 erreicht haben. Meine Mutter war Mitglied im Innovationsdialog der Bundeskanzlerin, als 4.0 auf den Weg gebracht worden ist.

Wirtschaftsforum: Können Sie uns ein paar Zahlen und Fakten zum Unternehmen nennen?

Jens Bergner: Neben unserer Zentrale betreiben wir eine Niederlassung in Jena und eine in Belgien. VACOM beschäftigt 370 Mitarbeiter und 53 Auszubildende. Ausbildung war uns schon immer sehr wichtig. Über den Fachkräftemangel wird viel geklagt, aber wenn niemand ausbildet, gibt es auch keine Fachkräfte. Unser Wachstum wurde durch Corona etwas gebremst, liegt aber immer noch bei 25%.

Wirtschaftsforum: Wie waren Ihre Anfänge in der Firma?

Jens Bergner: Ich war elf Jahre alt, als VACOM gegründet wurde, bin also mit der Firma aufgewachsen. Sie war bei uns immer präsent, denn auch mein Vater, Professor der Vakuum- und Laserphysik, war in ihre Entwicklung eingebunden. Ich bin 2002 offiziell eingestiegen und habe 2007 unsere Tochterfirma in Belgien übernommen und integriert. Seit 2009 bin ich für die komplette operative Geschäftsführung zuständig. Für mich gab es gleich zwei Herausforderungen: Nach einem Brand Ende 2019 waren wir zunächst mit dem Wiederaufbau beschäftigt. Dann kam Corona. Derzeit können wir nur auf die Einflüsse von außen reagieren. Ich hoffe, dass wir in diesem Jahr wieder strategisch arbeiten können.

Wirtschaftsforum: Welche Themen beschäftigen Sie in Ihrer Position derzeit besonders? Haben Sie auch ein spezielles Steckenpferd?

Jens Bergner: Digitalisierung ist das eine große Thema. Wir haben den papierlosen Reinraum eingeführt und alle Prozesse lückenlos digitalisiert. Unser Ziel ist, die selbstlernende Fabrik aufzubauen. Im Moment sind wir noch eine reaktive Fabrik. Die besondere Herausforderung dabei ist, allen Ansprüchen an eine individuelle Produktion gerecht zu werden. Denn wir produzieren Sonderkomponenten in kleinsten Stückzahlen. Das zweite große Thema ist unsere internationale Expansion und Diversifikation. Aktuell beträgt unser Auslandsanteil 60%, mit steigender Tendenz. Ich selbst liebe Technologie. Vakuumtechnik wird in jedem High-End-Bereich benötigt, von der Luft- und Raumfahrt über die Computerchipherstellung bis zum Teilchenbeschleuniger, etwa bei der CERN oder DESY. Wir bauen die modernsten Maschinen der Welt und bewegen uns immer am Limit dessen, was erforscht und entdeckt wird. Das finde ich unheimlich spannend.

Wirtschaftsforum: Welches sind Ihre wichtigsten Produktbereiche?

Jens Bergner: Unsere wichtigsten Bereiche sind die Vakuummechanik, also Vakuumkammern und -bauteile, sowie Reinigungsdienstleistungen. Wir reinigen Bauteile auf höchstem industriellen Niveau und können filmische Verunreinigung im Nanobereich nachweisen. Auf ein allgemeinverständliches Beispiel übertragen ist das so, als wenn Sie drei Tropfen Öl auf einem Fußballfeld nachweisen würden. Notwendig ist das in hochreinen Anwendungen wie der Halbleiterindustrie. In diesem Bereich sind wir weltweit führend. Mit unserem neuen Produkt NOVION, einem multifunktionalen Messgerät für Vakuumtechnologie, haben wir 2020 den Thüringer Innovationspreis gewonnen und eine ganze Reihe weiterer Zukunftsprodukte entwickelt.

Wirtschaftsforum: Wie würden Sie Ihre Unternehmenskultur beschreiben?

Jens Bergner: Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben hat einen hohen Stellenwert, daher haben wir einen eigenen Kindergarten. Nachhaltigkeit spielt in allen Bereichen eine wichtige Rolle, daher auch der Fokus auf der Ausbildung. Wir verwenden Photovoltaik und betreiben ein Blockheizkraftwerk. Unsere Qualitätsansprüche beziehen sich nicht nur auf die Produkte, sondern auch auf den Umgang miteinander.

Wirtschaftsforum: Welche Themen bewegen Sie aktuell?

Jens Bergner: Im Moment ist es für uns ein großes Problem, wenn Mitarbeiter keine Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder haben. Ich bin selbst Vater von vier Kindern, und mein Wunsch wäre, dass die Schulen wieder geöffnet werden, auch, um ihnen wieder den Zugang zur Bildung zu ermöglichen. Dass junge Menschen, die ich in den nächsten Jahren einstellen werde, Defizite in der Ausbildung haben werden, macht mir wirklich Sorgen.

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