„Nicht nur auf vermögende Zielgruppe blicken“
Interview mit Florian Braun, CEO und Inhaber der Unger GmbH & Co. KG

Wirtschaftsforum: Herr Braun, die Coronapandemie hat den stationären Handel zeitweise lahmgelegt. Wie ist es Ihnen als Händler ergangen, der sowohl stationär als auch im E-Commerce unterwegs ist?
Florian Braun: Das Verhältnis Retail zu E-Commerce lag bei uns zuletzt bei 70 zu 30. Das hat sich in der Pandemie komplett gedreht. Wir gehen davon aus, dass es sich auf 50 zu 50 einpendeln wird. Jetzt wollen wir uns mit einem tollen Retail-Erlebnis zurückmelden, aber den Pfad der Digitalisierung weitergehen und uns dort mehr Marktanteile erkämpfen. Unser Ziel für 2023 ist, wieder ein Verhältnis von 30 zu 70, also mit Schwerpunkt auf E-Commerce, zu erreichen. Wir haben im letzten Jahr viel digitale Kompetenz hinzugewonnen, dafür auslaufende stationäre Verträge nicht neu besetzt. Dadurch sind jetzt etwa je die Hälfte unserer 105 Mitarbeiter im klassischen Retail und im E-Commerce tätig. Unser Ziel ist es, spätestens 2030 auf 30 Millionen EUR Umsatz zu kommen. Viel wird davon abhängen, ob die Menschen wieder in den klassischen Handel zurückgehen oder ob ein Großteil des Geschäfts digital bleiben wird. Das wird sich wohl im nächsten halben Jahr zeigen.
Wirtschaftsforum: Unger ist ein Familienunternehmen. Wie verlief Ihr Weg in die Firma?
Florian Braun: Nachdem ich in London studiert hatte, bin ich 2005 als Juniorchef eingestiegen und habe das Unternehmen zunächst zusammen mit meinem Vater geführt. Seit elf Jahren bin ich als CEO allein verantwortlich. Ich hatte das Glück, dass dieser Generationsübergang sehr harmonisch ablief. Mein Vater hat mich nie ins Unternehmen gedrängt, sondern mir den Einstieg freigestellt. Es war zwar insgeheim sein größter Wunsch, aber er wollte mir unbedingt die Entscheidung allein überlassen. Für mich war immer klar, dass ich diesen Weg gehen werde.
Wirtschaftsforum: Wie sehen Sie sich als Führungsperson?
Florian Braun: Meine Mitarbeiter werfen mir immer vor, dass ich überall meine Finger hineinstecke. Ich hatte gerade gelernt, mich diesbezüglich besser zu sortieren, als die Pandemie kam und ich notgedrungen wieder rückfällig geworden bin. Denn in einer Krise gehört ein Kapitän auf die Brücke. Seit wir wissen, dass wir gut aus dieser Zeit herauskommen, baue ich die Mannschaft so auf, dass ich ein starkes Team um mich herum habe und mich in gewissen Feldern zurücknehmen kann.
Wirtschaftsforum: Wie hat sich der Handel seit Ihrem Einstieg verändert?
Florian Braun: Der Wandel ist ganz extrem. Ich komme aus dem klassischen Handel. Die Strukturen im Unternehmen waren damals ganz klar. Dann kam der Webshop hinzu und das Konsumentenverhalten änderte sich schon etwas. Wir haben ein neues Geschäft und eine Gastronomie eröffnet, Lifestyle-Shopping eingeführt und ein VIP-Team aufgebaut. Die Ware beziehen wir inzwischen von großen internationalen Konglomeraten, was die Zusammenarbeit sehr verändert hat. Diese Entwicklung ist wahnsinnig spannend und vielfältig. Im Grunde bin ich ja Modemann. Was mich erfüllt, ist die Zusammenstellung des Sortiments und der Verpackung. Luxury Retail ist mein Steckenpferd. Jetzt habe ich immer mehr mit E-Commerce- und, auch über meinen Freundeskreis, mit Startup-Themen zu tun, was extrem spannend ist.
Wirtschaftsforum: Wie wirken sich diese Entwicklungen auf Ihr Angebot aus?
Florian Braun: Das Konsumentenverhalten ändert sich hin zum schnellen und einfachen Onlinegeschäft – und oder zum Lifestyle-Shopping, das ist die Frage. Als Verkäufer von Luxus-Konsumgütern wird von uns ein kosmopolitisches internationales Einkaufsflair erwartet. Deshalb werden wir weiterhin Spektakel für den stationären Handel bieten, daneben aber auch einen extrem professionellen, serviceorientierten E-Commerce. Wir spielen in der Modewelt in der Luxusliga mit Brands wie Dior, Céline oder Chloé, die wir teils exklusiv führen. Dazu bieten wir ein wechselndes Markenportfolio mit jungen, unverbrauchten Brands. Unsere Kunden sollen das Gefühl haben, bei uns Dinge zu finden, die sie so woanders nicht bekommen. Voraussichtlich im Spätherbst werden wir ein eigenes, nachhaltiges und sehr transparentes Label herausbringen. Denn ich bin sicher, dass sich auch im Luxussegment der Nachhaltigkeitsgedanke durchsetzen wird.
Wirtschaftsforum: Luxusgüter kann sich nicht jeder leisten. Welche Menschen kaufen bei Ihnen ein?
Florian Braun: Unsere Zielgruppe reicht vom 15-jährigen Mädchen bis zur gestandenen älteren Dame. Wir verkaufen zwar Taschen und Mäntel für 3.000 oder 4.000 EUR, aber auch Ware zu Einstiegspreisen. Wer mit Luxusgütern handelt, darf nicht nur auf die sehr vermögende Zielgruppe blicken. Der Trend geht eher dahin, sich weniger, aber dafür etwas besonders Schönes und Ausgefallenes zu gönnen.
Wirtschaftsforum: Welche Ziele haben Sie sich für die Zukunft gesetzt?
Florian Braun: Wir wollen beweisen, dass gut gemachter, unterhaltsamer stationärer Handel auch in Zukunft erfolgreich sein kann – flankiert durch einen ganz starken E-Commerce.