„Wir können nicht heilen, aber wir können helfen!“
Interview mit Dr. Wolfgang Walter, Geschäftsführer der Swedish Orphan Biovitrum GmbH
Wirtschaftsforum: Herr Dr. Walter, Swedish Orphan Biovitrum hat sich ganz dem Kampf gegen seltene Erkrankungen – oder fachsprachlich ausgedrückt: Rare beziehungsweise Orphan Diseases – verschrieben. An welcher Stelle setzt Ihr Engagement an?
Dr. Wolfgang Walter: Neben Patienten mit seltenen Entzündungs- und Stoffwechselerkrankungen stehen bei uns umfassende Therapieansätze zur Behandlung seltener Erkrankungen des Blutsystems im Zentrum der Aufmerksamkeit; hierbei liegt der Schwerpunkt vor allem auf schwerer Hämophilie, woran in Deutschland circa 3.500 Menschen leiden, und auf der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie mit circa 1.100 Betroffenen. Zwar können wir diese Erkrankungen nicht heilen, wohl aber die Lebensqualität der Patientinnen nachhaltig verbessern und ihnen in ihrem Alltag ein Stück mehr Normalität ermöglichen. Dabei erreichte Swedish Orphan Biovitrum als erstes Unternehmen bei der Faktorsubstitution eine nachhaltige Halbwertzeitverlängerung, sodass sich die Patienten nicht so oft Spritzen setzen müssen und dabei zudem einen höheren Talspiegel und somit auch eine bessere Blutungsprophylaxe erreichen konnten. Dieser deutlich verbesserte klinische Outcome ermöglicht einen nachhaltigen Gewinn an Sicherheit und Lebensqualität und bedeutet für die Patienten zweifellos eine echte Erleichterung in ihrem Alltag.
Wirtschaftsforum: Wie forschungsintensiv fällt Ihre Unternehmenstätigkeit dabei aus?
Dr. Wolfgang Walter: Lange nicht mehr so stark wie früher – denn gerade zu Beginn des Entwicklungsprozesses einer neuen pharmakologischen Intervention steht zumeist in den Sternen, ob der entsprechende Lösungsansatz jemals das Stadium fortgeschrittener Studien, geschweige denn die Marktreife erreichen wird. Deshalb setzen wir mit unserer Sourcing-Development-and-Commercialization-Struktur ganz auf die Lizenzierung fortgeschrittener Ansätze, die sich schon in der Phase III befinden oder bereits auf dem Markt erhältlich sind, um sie dann in klinischen Studien weiterzuentwickeln. Das senkt nicht nur unser unternehmerisches Risiko, sondern ermöglicht gleichzeitig einen zielgerichteten Einsatz unserer Expertise, die von einer starken Patientennähe geprägt ist. Die beständigen Verbesserungen unseres Produktspektrums hören dabei selbstverständlich niemals auf. Derzeit entwickeln wir etwa gemeinsam mit Sanofi ein Hämophiliepräparat der nächsten Generation mit einer so weitreichenden Halbwertzeitverlängerung, dass sich die Patienten mit Hämophilie A das Arzneimittel nur einmal pro Woche spritzen müssen und somit auch in schweren Krankheitsfällen hohe Talspiegel erreicht werden, sodass die Protektion derjenigen von moderaten bis milden Fällen entspricht. In den USA erhielt unser Partner Sanofi bereits eine Zulassung für dieses Arzneimittel; derzeit arbeiten wir daran, das Präparat im nächsten Jahr auch europäischen Patien¬ten anbieten zu können.
Wirtschaftsforum: Geht Ihr Engagement dabei auch über die Weiterentwicklung und Herstellung pharmakologischer Interventionen hinaus?
Dr. Wolfgang Walter: Wir befinden uns unablässig in einem engen Austausch mit Patientenvertretungen und haben mit Liberate Life schon vor langer Zeit eine Initiative ins Leben gerufen, die für eine nachhaltige Verbesserung der Lebensqualität von Hämophiliepatienten und ihren Angehörigen eintritt. Damit nimmt Swedish Orphan Biovitrum nicht nur die ausschließlichen medizinischen Bedürfnisse in den Blick, sondern stellt mit unserem klaren Fokus auf die generellen Patientenbedürfnisse den ganzen Menschen ins Zentrum, was auch aus einer rein medizinischen Sicht geboten ist – schließlich ist der Einfluss des Menschen auf sich selbst erwiesenermaßen enorm. Neben digitalen Services, mit denen wir den Betroffenen vor allem im Alltag eine wichtige Hilfestellung anbieten, engagieren wir uns dabei auch in Form von regelmäßigen Patientenveranstaltungen, bei denen wir nicht nur Schulungen auf dem aktuellen Stand der Forschung, sondern auch wichtige Impulse für eine allgemeine Lebenshilfe geben. Hier können junge Patienten im Teenageralter beispielsweise unter fachkundiger Anleitung zum ersten Mal in ihrem Leben scharfe Küchenmesser und -geräte verwenden, um Gemüse zuzubereiten, oder unter Anleitung eines Orthopäden Sport treiben. Was sich für Gesunde banal anhören mag, bedeutet für Menschen mit diesem Erkrankungsbild einen großen Schritt und einen wichtigen persönlichen Reifungsprozess. Diese Motivation, allen Betroffenen eine hohe Lebensqualität und einen weitgehend normalen Alltag zu ermöglichen, ist dabei nicht nur der zentrale Antrieb hinter unserer gesamten Unternehmenstätigkeit, sondern zugleich ein unbändiger Quell für die berufliche wie persönliche Erfüllung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich dieser Mission mit all ihrem fachlichen und ideellen Einsatz verschrieben haben.