Präzise Messungen in jedem Winkel
Interview mit Torsten Wegner, Geschäftsführer der Novotechnik Messwertaufnehmer OHG
Wirtschaftsforum: Herr Wegner, wie hat sich Novotechnik denn über die Jahre entwickelt?
Torsten Wegner: Das Unternehmen wurde 1947 in Lindau gegründet, ist also über 75 Jahre alt. Seit 1956 sind wir in Ostfildern ansässig. 1984 wurde das Unternehmen an die Firma Siedle verkauft, die führend auf dem Gebiet der Türkommunikation ist. Seit dem Tod von Herrn Siedle im Jahr 2019 wird die Gruppe von seiner Frau geführt. An unserem Standort in Ostfildern befinden sich Entwicklung und Produktion. 1987 wurde außerdem ein Unternehmen in den USA in der Nähe von Boston gegründet, 2009 ein weiteres in Shanghai. Beide sind Handelsorganisationen. Wir haben einen hohen Exportanteil von knapp 75%. In Ostfildern beschäftigen wir circa 200 Mitarbeiter und erwirtschaften einen Jahresumsatz von 35 Millionen EUR.
Wirtschaftsforum: Könnten Sie Ihre Produkte etwas genauer erklären?
Torsten Wegner: Wir sind spezialisiert auf die Weg- und Winkelmessung. Bei der Winkelmessung wird rotierend gemessen, während bei der Längenmessung lineare Wege gemessen werden. Die Produkte werden unter anderem im Maschinenbau – beispielsweise für Spritzgussmaschinen – oder in der Agrartechnik sowie in vielen weiteren Applikationen und Branchen verwendet. Unsere Wegaufnehmer sind bei vielen namhaften Herstellern im Einsatz. Wir verfügen über einen großen Baukasten, mit dem wir fast alle Wünsche unserer Kunden in Bezug auf Größe und Ausführung erfüllen können. Unsere neuen Produkte kommen aus dem Bereich der kontaktlosen Sensorik. Hier kommen Technologien zum Einsatz wie zum Beispiel Hall-Technologie, GMR (Giant Magneto Resistance) oder Induktion. Dabei werden Elektronikbaugruppen verwendet, die wir in verschiedenen Gehäusen einsetzen. Die von uns entwickelte NOVOTURN Multiturn-Technologie ist patentiert und lizenziert. Mit ihr stellen wir Sensoren her, die rotativ mehrere Umdrehungen messen. Sie arbeiten mit dem magnetischen GMR-Effekt. Das heißt, selbst wenn der Sensor nicht bestromt wird, werden die Umdrehungen automatisch erfasst. Wird er wieder in Betrieb gesetzt, gibt er sofort die richtige Position aus (True-Power-on). Wir sind ein technik- und innovationsgetriebenes Unternehmen.
Wirtschaftsforum: Wo ist Novotechnik heute am Markt einzuordnen?
Torsten Wegner: In unserem stärksten Bereich der potentiometrischen Wegaufnehmer sind wir einer der Weltmarktführer. Wir wachsen aber auch stark auf dem Gebiet der kontaktlosen Sensorik. Hier sind wir in einigen Bereichen Technologieführer – unsere Multiturn-Technologie ist einzigartig.
Wirtschaftsforum: Was macht Novotechnik Ihrer Meinung nach so erfolgreich?
Torsten Wegner: Dafür gibt es eine Vielzahl von Gründen. Unserer Produkte sind technisch sehr hochwertig und dabei robust. Wir sind außerdem sehr gut im Projektgeschäft und haben einen hervorragenden Service. Zum Beispiel können wir Produkte für Applikationen anpassen. Und nicht zuletzt sind wir unseren Kunden ein verlässlicher Partner mit hoher Liefertreue.
Wirtschaftsforum: Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in Ihrem Unternehmen?
Torsten Wegner: Siedle und damit auch wir haben ein hohes Werteverständnis nicht nur in Bezug auf die Umwelt, sondern auch auf politische Themen. Beispielsweise beliefern wir keine Rüstungsapplikationen. Wir befassen uns mit Zukunftsthemen und haben zum Beispiel Sensoren für einen Satelliten (Cassini-Huygens Mission) geliefert, der zum Saturn geflogen ist, um auch in der Forschung weit vorne zu sein. Auch in der Medizintechnik sind wir aktiv. Umweltthemen sind uns wichtig. Wir waren schon früh im Solarmarkt, der aber heute für uns an Bedeutung verloren hat. Unsere Produkte versuchen wir so zu bauen, dass sie wieder auseinandergebaut werden können, dass also unter anderem Schrauben gelöst werden können. Das Aluminium kann dann getrennt und geschmolzen werden, sodass es wiederverwertet werden kann.
Wirtschaftsforum: Was tut sich bei Ihnen im Bereich Digitalisierung?
Torsten Wegner: In der Produktion haben wir vieles digitalisiert, nutzen beispielsweise Tablets mit Bauplänen und digitale Entwicklungstools. Die digitale Kommunikation wurde durch Corona noch einmal befeuert. Aber auch bei den Sensoren wird Digitalisierung ein Thema. Hier geht es um Predictive Maintenance, etwa durch Temperaturabfrage oder die Messung von Zyklenzahlen. Außerdem nutzen wir digitale Schnittstellen zum Kunden und Application Lifecycle Management Tools.
Wirtschaftsforum: Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung von Novotechnik?
Torsten Wegner: Wir wollen unsere Marktposition stärken und die kontaktlose Sensorik weiterentwickeln. Aktuell kämpfen wir mit den Ressourcen, vor allem in Hinblick auf das Personal. Mitarbeiterknappheit bremst das Wachstum. Für neue Produkte brauchen wir viele Elektroniker, insbesondere aus dem Bereich Mikroelektronik, und Softwareentwickler. Wir stehen im Wettbewerb zu großen Namen. Als kleine Firma bieten wir aber einem Ingenieur mit Leidenschaft alle Möglichkeiten, sich zu verwirklichen.