Die Effizienz der Verbrennung
Interview mit Dipl.-Ing. Johannes Ulrich Martin, Geschäftsführer der MARTIN GmbH für Umwelt- und Energietechnik

Wirtschaftsforum: Herr Martin, bitte erzählen Sie uns zu Beginn unseres Gesprächs etwas über den aktuellen technischen Stand zur thermischen Verwertung von Abfällen.
Ulrich Martin: Gerne. Wir haben uns von der Müllverbrennung hin zur thermischen Verwertung entwickelt. Die Effizienz der Verbrennung beträgt inzwischen über 99% und darüber hinaus werden wertvolle Ressourcen aus den Abfällen zurückgewonnen. Eine Anlage von uns ist ein waschechtes Kraftwerk und wird dominiert durch Entwicklungen wie die Digitalisierung sowie neue Verfahren im Bereich des nachhaltigen Betriebes, Stichwort Technologien für Carbon Capture. Wir erstellen komplexe Gewerke, die auf Laufzeiten von 20 Jahren budgetiert werden, zum Teil aber bis zu 40 Jahre in Betrieb sind.
Wirtschaftsforum: Konzentrieren Sie sich ausschließlich auf die thermische Verwertung von Abfällen?
Ulrich Martin: Nein. Vor vier Jahren haben wir ein neues Geschäftsfeld eingerichtet, wo wir nicht nur die gemischten Rohstoffe, sondern auch Klärschlämme adressieren. Diese Ressourcenquelle werden wir zukünftig verstärkt für uns erschließen.
Wirtschaftsforum: Wie hat sich die MARTIN GmbH im Laufe der Zeit zum heutigen Unternehmen entwickelt?
Ulrich Martin: Die Firma wurde 1925 von meinem Urgroßvater Josef Martin gegründet. Wir sind also inzwischen die 4. Generation. Vor 100 Jahren war die thermische Verwertung von Abfällen bereits sehr in Mode. Die Ballungszentren hatten auch einen großen Bedarf an der thermischen Verwertung von Abfällen. Mein Urgroßvater hat sich dafür mit einer Idee selbstständig gemacht. Er entwickelte die Technologie der Rostfeuerung mittels Rückschub-Rost, welche bis heute noch Status quo ist und die Basis unseres Handelns darstellt. Die Branche war damals bereits ihrer Zeit voraus, denn vor einiger Zeit haben wir aus dem Archiv eine 80 bis 90 Jahre alte Aufzeichnung ausgegraben, die elektrisch betriebene Abfallsammelfahrzeuge zeigt. Die Hygienisierung des Abfalls und dessen Entsorgung standen damals im Vordergrund. Das hat sich gewandelt, denn heute fokussieren wir uns auf Ressourcen- und Energieeffizienz. Es geht um die größtmögliche Rückgewinnung von Eisen- und Nichteisenmetallen wie Aluminium, Kupfer und Ähnlichem. Wir liefern mit unseren Kraftwerken in großen Ballungsgebieten die Fernwärme. Um der Gesellschaft zu zeigen, wie nachhaltig unsere Anlagen sind, leisten wir viel Aufklärungsarbeit und bieten regelmäßig Führungen an.
Wirtschaftsforum: Wie würden Sie die Stärken Ihres Unternehmens beschreiben?
Ulrich Martin: Was uns besonders auszeichnet, ist unsere große Kontinuität. Wir sind nicht durch externe Investoren oder kurzfristige Veränderungen beeinflusst. Unser sehr kleiner Gesellschafterkreis mit drei Gesellschaftern trifft Entscheidungen sehr schnell. Wir kennen die Unternehmens- und Marktlage sehr genau und haben immer die nächsten zehn Jahre im Blick. Wir reagieren also nicht auf kurzfristige Schwankungen des Marktes. Als Ingenieurunternehmen sind unsere Mitarbeiter unser wichtigstes Kapital. Wir versuchen, jeden Einzelnen zu fördern und reagieren auf Krisen nicht durch Personalmaßnahmen. Außerdem haben wir einen sehr starken technologischen Fokus, beispielsweise investieren wir circa 5% unseres Umsatzes in Forschung und Entwicklung.
Wirtschaftsforum: Wie ist die Struktur der MARTIN GmbH heute?
Ulrich Martin: In unserer Firmengruppe beschäftigen wir zurzeit 550 Mitarbeiter, davon 250 am Hauptsitz in München. Darüber hinaus betreiben wir ein weltweites Netzwerk aus Service-Niederlassungen und besitzen verschiedene Beteiligungen mit Produkten rund um die thermische Verwertung von Abfällen.
Wirtschaftsforum: Wie sprechen Sie neue Kunden an und wo sind Ihre wichtigsten Märkte?
Ulrich Martin: Unser Vertrieb ist eine Mischung aus eigenem Geschäft und Partnerschaften. Weltweit vertrauen wir Partnern, die das Geschäft auf Basis unserer Technologie abwickeln. Unsere Fokusregionen sind mit Abstand China sowie Japan und Europa. Als potenzielle Märkte mit Nachholbedarf sehen wir Indien, Südostasien, Afrika und Südamerika. Selbst wir in Europa haben noch Defizite, es findet derzeit jedoch ein Umdenken statt.
Wirtschaftsforum: Wie ist Ihr Ausblick für die kommenden fünf bis zehn Jahre?
Ulrich Martin: Die thermische Verwertung von Abfällen wird weiterhin ein elementarer Bestandteil der Entsorgungsbranche sein. Wir möchten bereits bestehende Materialströme noch stärker in die Gesellschaft und in neue Produktströme einbinden und sie noch weiter in die Kreisläufe integrieren, sodass sie Hand in Hand mit dem Recycling gehen. Durch die Übernahme eines französischen Spezialisten zur Abgasreinigung wird diese Sparte als weiteres Standbein noch größeren Raum einnehmen und weitere Expansion ermöglichen.