Zellen im Fokus
Interview mit Dr. Roman Zantl, Geschäftsführer der ibidi GmbH
Wirtschaftsforum: Herr Dr. Zantl, Sie konzentrieren sich auf Lebendzell-Mikroskopie. Worum genau geht es in diesem Segment?
Dr. Roman Zantl: Bei uns geht es um zelluläre Systeme für die Therapie und Diagnostik. In der Grundlagenforschung entstehen entscheidende Ideen, die disruptive Erfolge im Bereich der Krebstherapie hervorbringen. Beispielsweise sind vor etwa 40 Jahren die Immuntherapien von akademischen Forschern entdeckt worden. Seitdem kontinuierlich verbessert, bieten sie heute herausragende medizinische Leistungen und eröffnen den Pharmaunternehmen Milliardenmärkte. Aus meiner Sicht wird die Grundlagenforschung in ihrer wesentlichen Bedeutung auf die Gesellschaft teilweise unterschätzt. Die Lebendzell-Mikroskopie ist noch eine Nische am Markt, aber sie wächst stetig.
Wirtschaftsforum: Bitte geben Sie uns doch einige Produktbeispiele.
Dr. Roman Zantl: Wir haben zum Beispiel Kammern entwickelt, die eine möglichst körperähnliche Umgebung simulieren. Wir simulieren Temperatur, Gas, Feuchtigkeit und sogar Blutgefäße. Dann werden dort Zellen eingesetzt und ihre Entwicklung beobachtet. Mit unseren Kammern sind wir marktführend.
Wirtschaftsforum: Gibt es aktuell Produktneuheiten oder Innovationen?
Dr. Roman Zantl: Wir haben unser Produktportfolio um Perfusionssysteme weiterentwickelt, mit denen man Zellen unter Stressbedingungen beobachten kann. Hier geht es zum Beispiel um Schnittwunden, Rötungen oder Schwellungen. Über Blutgefäße, die in den Bereich der Wunde hineinwachsen, werden dort Immunzellen angereichert. Darüber hinaus möchten wir in der nächsten Zeit auch neue Bereiche adressieren. Wir werden zum Beispiel ein neues Analysegerät auf den Markt bringen, eine integrative Lösung für alle Mikroskopie-Kammern. Außerdem verzeichnen wir zurzeit eine zunehmende Nachfrage nach einer vollautomatischen, KI-gestützten Datenanalyse. Zurzeit hängt die Qualität der Bilder noch stark vom Anwender ab. Deshalb entwickeln wir aktuell auch ein automatisiertes Mikroskop, das, mit einem Timelapse Imager ausgestattet, Bilder automatisiert aufnimmt.
Wirtschaftsforum: In welche neuen Bereiche wollen Sie sich mit ibidi entwickeln?
Dr. Roman Zantl: Es wird in Zukunft nicht mehr um einzelne Monokulturen gehen, sondern man wird sich immer mehr dem Organismus annähern. Wir stellen einen Trend zu 3-D-Zellkulturen fest. Dazu simuliert man in der Petrischale zum Beispiel eine Nierensubstruktur. Wir planen, ein Perfusionssystem und spezielle Kammern für sogenannte Bio-Reaktoren auf den Markt zu bringen, in die man solche 3-D-Zellkulturen einsetzen kann.
Wirtschaftsforum: Wer sind Ihre Kunden und aus welchen Ländern kommen diese?
Dr. Roman Zantl: Rund 90% unserer Kunden kommen aus der akademischen Forschung. Aber auch Unternehmen aus der Pharmabranche zählen zu unserem Kundenkreis. Mit unserem neuen Fokus auf die 3D-Zellkultur-Methoden und Effizienzmessung von Immuntherapeutika werden wir verstärkt in den pharmazeutischen Markt gehen. Unser größter Markt sind die USA. Daneben ist Deutschland wichtig für uns. In Europa konzentrieren wir uns auf Industrieländer wie England, Frankreich und die Schweiz. In Übersee sind wir in Japan und Südkorea gut aufgestellt und sind dabei, verstärkt in Indien und China Fuß zu fassen.
Wirtschaftsforum: Wie hat die COVID-Krise Ihr Unternehmen beeinflusst?
Dr. Roman Zantl: Wir sind Zulieferer der Biotechnologie, aber machen keine Diagnostik und auch keine Medizinprodukte. Das waren Bereiche, die rund um COVID profitiert haben. Wir entwickeln Werkzeuge für die biochemische Forschung. Hier war das Problem, dass viele Labore, sowohl in der Wissenschaft als auch in der Pharmabranche, geschlossen waren. Da aber die Forschungsgelder langfristig geplant sind, konnten wir den zwischenzeitlichen Umsatzrückgang nach den Coronabeschränkungen zum Teil wieder gut machen. Zwar hat die Pandemie die Lieferketten massiv beeinflusst, doch mein Geschäftsführungspartner Dr. Valentin Kahl hat die Situation sofort erfasst und vorausschauend die Lieferfähigkeit gesichert. Von Vorteil war hier, dass wir alles im Umkreis produzieren. Schließlich wurden wir hierfür mit dem bayerischen Exportportpreis ausgezeichnet.“
Wirtschaftsforum: Was sind Ihre Themen für das Jahr 2024?
Dr. Roman Zantl: Wir werden unser Perfusionssystem für Anwendungen in der 3-D-Zellkultur ausbauen. Hier geht es um Flüssigkeitsaustausch und die Automatisierung von Suchvorgängen im akademischen Zelllabor, Stichwort Bioreaktor. In zwei bis drei Jahren möchten wir ein Mikroskop für neue Marktsegmente lancieren.
Wirtschaftsforum: Welches langfristige Ziel haben Sie für ibidi? Gibt es eine Vision?
Dr. Roman Zantl: Unser Ziel ist es, die Lebendzellanalyse zu vereinfachen und zu verbessern, die Wissenschaft reproduzierbarer zu machen und einen Übergang vom Labor zum Patienten herstellen. Dabei geht es um den Aufbau von relevanten Zellumgebungen, in denen Zellen sich ähnlich verhalten, wie im menschlichen Körper, nicht wie im Labor. ibidi trägt mit seinen Produktinnovationen dazu bei, Tierversuche breiter einzuschränken. Wir können mit unseren Lösungen die Vorhersagekraft der Medikamenten-Entwicklung verbessern.
Wirtschaftsforum: Für Wachstum braucht man Personal. Ist der Fachkräftemangel ein Thema bei Ihnen?
Dr. Roman Zantl: Wir sind eng mit den Lehrstühlen an den Universitäten verbunden und profitieren von Empfehlungen. Aktuell suchen wir Elektroingenieure und IT-Mitarbeiter. Wir sind weltoffen, agieren auf der Basis von Werten und haben gute Themen und Projekte. Unser Geschäft hat einen echten Nutzen für Menschen. Nicht zuletzt ist unser Betriebsklima sehr freundlich und kollegial.