Neue Hüfte, neues Knie: Mobilität bis ins hohe Alter

Interview mit Florian Hoffmann, Geschäftsführer der implantcast GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Hoffmann, implantcast entwickelt und produziert orthopädische Implantate. Wie lässt sich Ihr Markt grob beschreiben?

Florian Hoffmann: Grundsätzlich sprechen wir von drei Segmenten: dem Primärmarkt – also standardisierte Erstimplantationen etwa an Hüfte oder Knie –, dem Revisionsmarkt, in dem bestehende Implantate ersetzt werden, und dem Tumormarkt. In Letzterem sind wir Weltmarktführer. Wir kommen ursprünglich aus dem Revisionsbereich, sind heute aber in allen drei Segmenten aktiv, mit Implantaten für Hüfte, Knie, Schulter, Ellenbogen, Finger und Sprunggelenk.

Wirtschaftsforum: Wie stark sind Ihre Produkte individualisiert?

Florian Hoffmann: Sehr stark, besonders in den komplexen Fällen. Wenn etwa Knochen zerstört sind oder ein Knochentumor vorliegt, fertigen wir individuelle Implantate auf Basis von CT- oder MRT-Daten an. Der Operateur prüft die digitale Planung, erteilt die Freigabe und wir produzieren exakt nach diesen Vorgaben. Besonders herausfordernd ist das bei Kindern mit Knochenkrebs. Dort kommen sogenannte Wachstumsprothesen zum Einsatz, die sich per elektrischem Impuls verlängern lassen; so wächst das Implantat mit. Das reduziert die Zahl der Operationen drastisch.

Wirtschaftsforum: Was unterscheidet implantcast von Wettbewerbern?

Florian Hoffmann: Vor allem die Qualität und die Nähe zum Kunden. Unsere Produkte sind präzise, modular und individuell kombinierbar – und sie stammen zu fast 100% aus Buxtehude. Die gesamte Wertschöpfungskette liegt in unserer Hand, wir arbeiten kaum mit externen Zulieferern. Das sorgt für Transparenz, Sicherheit und hohe Standards. Gleichzeitig pflegen wir enge, oft langjährige Partnerschaften zu Ärzten weltweit. Viele dieser Spezialisten, etwa Professoren aus Griechenland oder Brasilien, bringen sich aktiv in die Weiterentwicklung ein. Dieser Austausch ist unbezahlbar. Wir fördern den Austausch, etwa bei unseren jährlichen Kongressen, wo Chirurgen aus aller Welt schwierige Fälle offen besprechen und voneinander lernen.

Wirtschaftsforum: Wie beurteilen Sie den Markt aktuell?

Florian Hoffmann: Der Bedarf wächst – die Menschen werden älter und erwarten Mobilität bis ins hohe Alter. Aber auf der anderen Seite stehen unterfinanzierte Krankenhäuser und ein enormer Preisdruck, vor allem im Primärmarkt. Große US-Konzerne produzieren günstiger und dominieren viele Bereiche. Das mag kurzfristig attraktiv erscheinen, birgt aber Risiken. Wenn wir Schlüsseltechnologien wie die Medizintechnik in Deutschland halten wollen, muss das Gesundheitssystem bereit sein, dafür einzustehen. Sonst verlieren wir Know-how und Unabhängigkeit.

Wirtschaftsforum: Welche Rolle spielt die Regulierung dabei?

Florian Hoffmann: Sie spielt eine große Rolle. Die europäische MDR, also die Medical Device Regulation, hat gute Absichten, aber in der Praxis lähmt sie Innovation. Zulassungen dauern Jahre, während vergleichbare Verfahren in den USA teilweise in drei Monaten abgeschlossen sind. Das ist ein echter Wettbewerbsnachteil für den europäischen Standort. Aktuell lassen wir unsere Produkte bevorzugt in den USA zu, da die Prüfzyklen in Europa so lang sind, dass Produkte dort bis zu fünf Jahre später auf den Markt kommen.

Wirtschaftsforum: Wohin soll sich implantcast in den kommenden Jahren entwickeln?

Florian Hoffmann: Wir werden weiter international wachsen. Zuletzt haben wir unseren Vertrieb in Österreich in eine eigene Tochtergesellschaft überführt. Gleichzeitig investieren wir stark in Nachhaltigkeit und neue Technologien. Unsere Produktion nutzt zunehmend additive Fertigung, also 3D-Druckverfahren, die Material sparen und präziser arbeiten. Außerdem setzen wir auf Energieeffizienz, Photovoltaik und Elektromobilität. Auch künstliche Intelligenz spielt eine wachsende Rolle, etwa bei der Implantatplanung oder in der OP-Navigation.

Wirtschaftsforum: Verraten Sie uns zum Schluss noch, was Sie dabei persönlich antreibt?

Florian Hoffmann: Mein Antrieb ist, dass wir mit unserer Arbeit ganz konkret Menschen helfen. Es geht um Lebensqualität, um Beweglichkeit oder im Extremfall um das Überleben. Das sind Dinge, die bleiben. Und das motiviert mich jeden Tag aufs Neue.

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