„Mit Carbon-Recycling nachhaltiger werden“

Interview mit Martin Günter, Chief Administrative Officer der euro advanced carbon fiber composites GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Günter, welche Idee stand hinter der Gründung von eacc?

Martin Günter: Das Unternehmen ist 2011 aus einem Joint Venture von Daimler und Toray entstanden. Hintergrund war, dass Daimler sich stärker mit Leichtbaukomponenten befassen wollte. Der japanische Chemiekonzern Toray Industries war führender Anbieter von Carbon-Werkstoff für den Fahrzeugbau. Daimler ist 2015 ausgestiegen, dort wollte man wohl die Investitionen in eine andere Richtung lenken. Seitdem sind wir eine 100%ige Tochter von Toray.

Wirtschaftsforum: Welche Rolle spielt eacc innerhalb des Konzerns?

Martin Günter: Toray befasst sich mit Rohmaterialien wie Carbon und anderen chemischen Materialien, unter anderem für Bekleidung, die Luft- und Raumfahrt oder Wasseraufbereitungsanlagen. Innerhalb des Konzerns gehören wir zur Composite Group. Wir entwickeln Anwendungsfälle für den Rohstoff Carbon und bieten dies den Kunden als Dienstleistung an. Zum Teil beziehen sie direkt von uns. eacc ist Entwicklungspartner für industrielle Anwendungen.

Wirtschaftsforum: Wie ist das Unternehmen heute aufgestellt?

Martin Günter: eacc wurde in Esslingen gegründet, wo sich unser Headquarter und die Produktion befinden. Aus einem Gemeinschaftsprojekt mit BMW in den Jahren 2015 und 2016 heraus wurde ein weiterer Produktionsstandort in Markgröningen eröffnet, der zu einer großen Umsatzsteigerung geführt hat. Dort werden auch heute noch BMW-Produkte gefertigt. eacc beschäftigt 250 Mitarbeiter. Im Hinblick auf die Produktqualität sind wir einer der führenden Anbieter.

Wirtschaftsforum: Was stellt eacc in erster Linie her?

Martin Günter: Unser Schwerpunkt liegt im Bereich der sichtbaren Teile am Auto wie Kofferraumklappen oder Radfänger. Das sind unsere Hauptprodukte. Wir fertigen nach Kundenanforderung. Das bedeutet, unsere Entwicklungsabteilung plant das Produkt schon im Vorfeld gemeinsam mit dem Kunden; dann geht es in die Produktion. Die Sichtteile wie Laderaummulden und Heckklappen werden lackiert geliefert. Wir arbeiten, historisch bedingt, eng mit Mercedes-AMG zusammen. Unsere technische Expertise ist anerkannt, und wir stehen für Innovationen im Werkstoffbereich.

Wirtschaftsforum: Gibt es auf dem Gebiet neue Entwicklungen?

Martin Günter: Aktuell beschäftigen wir uns mit Nachhaltigkeitsprojekten zu recycelbarem Material. Beim Bau von Elektrofahrzeugen und den Batterien dafür müssen Kohlefaserelemente einbezogen werden, denn sie bieten technische Vorteile: Den Temperaturen, die sie aushalten müssen, können herkömmliche Stoffe nicht standhalten. All unsere Kunden stellen ihr Portfolio unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten um. Hier sind wir als Lieferant gefordert, die Nachhaltigkeitskette mit zu unterstützen. Wir verbessern sowohl unsere eigenen Aktivitäten als auch unsere Produkte. Recycelbare Stoffe werden aktiv angefragt. Positive Testergebnisse haben wir schon. Das Recycling von Carbon ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Bei Toray war das Bemühen um Nachhaltigkeit und eine lebenswerte Umwelt schon immer ein Grundkonzept.

Wirtschaftsforum: Leichtbau ist nicht nur im Automobilbau ein Thema. Sind Sie auch auf anderen Gebieten aktiv?

Martin Günter: Bisher haben wir uns auf die Automobilindustrie konzentriert. Aktuell arbeiten wir aber auch an Projekten für Windindustrie, Zugverkehr und andere Anwendungsgebiete. Unser Ziel ist, zu diversifizieren. Derzeit entfallen die meisten unserer Aktivitäten auf Kunden in Deutschland und Großbritannien. Da wir für neue Themen offen sind, werden aber auch andere Märkte ins Spiel kommen.

Wirtschaftsforum: Was sind die besonderen Stärken Ihres Unternehmens?

Martin Günter: Wir sind Teil eines großen Konzerns, haben aber eine hohe Eigenständigkeit. Das Unternehmen ist mittelständisch geprägt, dabei sind wir absolut interkulturell: Unsere Belegschaft besteht aus 15 bis 20 Nationalitäten. Wir haben japanisches Management in ein deutsches Umfeld eingegliedert.

Wirtschaftsforum: Inwieweit ist eacc von der japanischen Kultur beeinflusst?

Martin Günter: Es steckt schon viel vom japanischen Wertesystem im Unternehmen. Wir mussten aber eine eigene Identität für die Firma schaffen; das war 2019 ein großes Thema. Anfang 2020 haben wir eine Umfrage zur Unternehmenskultur durchgeführt und auf dieser Grundlage ein neues Leitbild entwickelt. Es beinhaltet Innovation, kulturelle Vielfalt, Kompetenz, das Streben nach ständiger Verbesserung und ist stark geprägt vom japanischen Genba-Ansatz. Wir sind mutig, unternehmerisch und leistungsorientiert und pflegen einen offenen und wertschätzenden Umgang, der auf Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, Integrität und Glaubwürdigkeit basiert.

Wirtschaftsforum: Welche Vision haben Sie für das Unternehmen?

Martin Günter: Unser vorrangiges Ziel ist es, unsere Kunden mit unserer technologischen Kompetenz zu begeistern, unabhängig ob Klein-, Mittel- oder Großserie. Die Zusammenarbeit mit unseren Partnerunternehmen werden wir stärker nutzen, um nicht nur Toray-Unternehmen, sondern auch Kunden des Konzerns Lösungen anzubieten, die in Kooperation mit uns realisiert werden können – selbst wenn wir nicht der Produzent sind.

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