Pharmazeutische Exzellenz ‘Made in Germany’
Dr. Hans-Georg Feldmeier, CEO der Dermapharm Holding SE und der Dermapharm AG

Wirtschaftsforum: Herr Dr. Feldmeier, was sind heute die wichtigsten Standbeine des Dermapharm-Portfolios?
Dr. Hans-Georg Feldmeier: Unser Hauptstandbein sind patentfreie Markenarzneimittel für ausgewählte Märkte. Rund die Hälfte unserer Produkte sind Originalprodukte, die nur einen oder sogar gar keinen Wettbewerber haben. Mit diesen Produkten konzentrieren wir uns auf sechs Kerntherapiegebiete. Dies sind einmal Vitamine und Mineralstoffe, hier ist zum Beispiel das Vitamin-D-Präparat Dekristol® unser Flaggschiff. Dermatologie ist ein weiteres Kerngebiet – hier sind wir mit unserem Kortikoid Pred-nitop Marktführer. Kortikoide sind insgesamt ein wichtiger Bereich für uns. Prednisolut, ein Präparat, das viel in der Intensivmedizin eingesetzt wird, ist hier eines unserer Vorzeigeprodukte. In der Gynäkologie haben wir ein komplett neues Sortiment aufgebaut, mit dem Schwerpunkt auf Kontrazeptiva. Die Allergologie zählt ebenso zu unseren Kernthemen wie auch das Thema Schmerz. Hier sind wir zum Beispiel mit Keltican oder Myopridin, einem Muskelrelaxans, vertreten. Abgerundet wird unser Produktprogramm durch unser Parallelimportgeschäft und unsere Pflanzenextrakte.
Wirtschaftsforum: Welche Innovationen oder Neuheiten gibt es aktuell?
Dr. Hans-Georg Feldmeier: Wir arbeiten regelmäßig an neuen Produkten. Aktuell haben wir mit bite away®, einem hyperthermischen Stift gegen Mückenstiche, ein neues Produkt auf den Markt gebracht. Der funktioniert über das Prinzip der Erwärmung, die auch für viele andere Behandlungen nutzbar ist, zum Beispiel gegen neurodermitischen Juckreiz. Es wäre eine echte Innovation, wenn man diesen ohne Kortison behandeln könnte.
Wirtschaftsforum: Welche Auswirkungen hat die COVID-19-Pandemie bislang auf Ihr Unternehmen?
Dr. Hans-Georg Feldmeier: Der gesamte pharmazeutische Markt hat im März einen geradezu irrwitzigen Nachfrageboom erlebt. Große Kunden haben sich Bestände für zwei bis drei Monate auf Lager gelegt. Wir haben ein Portfolio, das in Teilbereichen von der Krise profitiert, aber nicht krisen-abhängig ist. So ist zum Beispiel unser Präparat Dexamethason, das entzündungshemmend wirkt, schnell bei COVID-19-Patienten angewendet worden und wird jetzt als Therapeutikum eingesetzt. Unser Vitamin-Sortiment ist verstärkt nachgefragt worden. Die Patienten wollten ihr Immunsystem stärken. Entsprechend haben wir die Produktion der stärker nachgefragten Produkte hochgefahren. Zudem hat BioNTech unsere Unterstützung angefragt für die Produktion des Impfstoffes gegen COVID-19.
Wirtschaftsforum: Wie ist es zu dieser Anfrage gekommen und was schätzen Sie, wann Sie mit der Produktion des Impfstoffes beginnen können?
Dr. Hans-Georg Feldmeier: Wir sind eine der Produktionsstätten des globalen Netzwerkes von BioNTech-Pfizer. Wir hoffen auf einen zeitnahen erfolgreichen Abschluss der Studien und dass der Impfstoff kurzfristig in möglichst vielen Märkten zugelassen wird.
Wirtschaftsforum: Was werden 2021 Ihre wichtigen Themen auf der Agenda sein?
Dr. Hans-Georg Feldmeier: Großes Potenzial sehen wir in den Synergien, die durch die Akquise von Allergopharma entstehen werden. 2021 wird ja unser erstes gemeinsames Geschäftsjahr. Natürlich setzen wir auch auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit BioNTech.
Wirtschaftsforum: Welches langfristige Ziel verfolgen Sie mit Dermapharm? Gibt es eine Vision?
Dr. Hans-Georg Feldmeier: Wir möchten das Wachstum der letzten Jahre weiter fortsetzen und mittelfristig unsere westeuropäische Internationalisierung erfolgreich abschließen. Unsere Entwicklungspipeline ist gut gefüllt, nicht nur für Deutschland, sondern auch für Europa. In den Bereichen Dermatologie und Schmerzbehandlung sehen wir noch vielversprechende Perspektiven. Weiter ausrollen möchten wir vor allem auch unsere Medizinprodukte wie bite away. Hier stehen wir noch ganz am Anfang.
Wirtschaftsforum: Wie sehen Sie die Rahmenbedingungen für die pharmazeutische Industrie für die kommenden Jahre?
Dr. Hans-Georg Feldmeier: Für pharmazeutische Unternehmen sind verlässliche Rahmenbedingungen sehr wichtig. Mit den Rabattverträgen, die 2009 eingeführt wurden, haben die gesetzlichen Krankenversicherungen einen großen Paradigmenwechsel gemacht und einen ruinösen Verdrängungswettbewerb angestoßen. So geht man nicht mit einem Wirtschaftszweig um, der ethisch- und moralisch verantwortungsvoll Produkte auf den Markt bringt, die dazu gedacht sind, Menschen zu helfen. Wir sind als Unternehmen unseren Patienten verpflichtet, aber auch unseren Mitarbeitern, der Entwicklung unseres Unternehmens und unseren Inhabern. Die pharmazeutische Industrie braucht eine langfristige Zukunftsperspektive in Deutschland und in Europa, die darf man nicht verspielen. Wir tun unser Bestes, auch über die Zusammenarbeit mit den entsprechenden Verbänden, wieder Teile der pharmazeutischen Produktion zurück nach Deutschland, beziehungsweise Europa zu holen. Dazu muss man Innovationen fördern und nicht noch mehr Porzellan zerschlagen. Ich selbst bewerbe mich gerade als Vorsitzender des Verbands der pharmazeutischen Industrie.