Gefragt, wenn es kritisch wird

Interview mit Claudio Sinatra, Geschäftsführer der Deloro HTM GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Sinatra, was unterscheidet die Deloro HTM GmbH von der Konkurrenz?

Claudio Sinatra: Wir liefern eine komplette Lösung. Wir bieten dem Kunden etwas, das er dann direkt anwenden kann. Unsere Qualität ist sehr hoch. Wir haben internationale Strukturen und sind deshalb auch jederzeit in der Lage, komplizierte Situationen zu meistern.

Wirtschaftsforum: Sie sprechen von einer kompletten Lösung. Erläutern Sie uns bitte, was Sie darunter verstehen.

Claudio Sinatra: Unsere Firmengruppe liefert Lösungen für den Verschleiß in kritischen Anwendungen. ‘Deloro at the core of every critical process’ lautet daher unser Slogan. Unsere mechanischen Komponenten, die mittels verschiedener Technologien gefertigt werden, kommen in kritischen Bereichen zum Einsatz. Unsere Produkte liefern wir an die Maschinenbauindustrie. Unsere Märkte sind Automotive, Energie, Öl und Gas sowie Luftfahrtindustrie. Üblicherweise sind wir überall dort vertreten, wo etwas geschützt werden muss. Als Drittanbieter arbeiten wir im Auftrag.

Wirtschaftsforum: Neben Deloro HTM in Biel gibt es weitere Firmen innerhalb der Gruppe. Welche Aufgaben haben diese Standorte?

Claudio Sinatra: In Koblenz arbeiten wir zum Beispiel viel mit Sonderlegierungen auf Kobaltbasis. Das ist der Name der Legierung, ein Patent von uns. Hier geht es um die Beschichtung der Oberfläche, geschweißt oder gespritzt. Wir arbeiten mit harten Legierungen auf Basis von Kobalt und Nickel sowie Wolfram- und Chromiumkarbid. Die Produktion in Koblenz liefert auch Schweißmaterialien für diese Legierungen sowie die entsprechenden PTA-Schweißgeräte.

Wirtschaftsforum: Es gibt zwei weitere Firmen in Italien.

Claudio Sinatra: In Bellusco bei Mailand werden Beschichtungen gemacht, so wie auch in Koblenz. Dort werden die Produkte nach den Vorgaben der Kunden gedreht und gefräst. Es handelt sich um mechanische Komponenten mit Hartlegierungen, deren Bearbeitung sehr komplex ist. Eingesetzt werden diese Komponenten für Turbolader in Dieselmotoren, für Ventile und in der Nuklearindustrie. Benötigt werden sie auch für Pumpen für Raffinerien, beim Bohren in der Öl- und Gasindustrie sowie für Anlagen, die in der Lebensmittel- und in der Verpackungsindustrie verwendet werden. Deloro beschäftigt sich auch mit Feinguss und Schaufeln für Industriegasturbinen. Unser Standort hat besondere Kompetenzen in der HIP-Technologie. Diese Technologie wird zum Nachverdichten von Guss- oder Keramikteilen verwendet, um etwaige Fehler auszubessern. Dabei geht es um Additivmanufacturing, also um 3-D-Druck.

Wirtschaftsforum: Gibt es ein Alleinstellungsmerkmal, das die Deloro-Gruppe auszeichnet?

Claudio Sinatra: Wir sind das einzige Unternehmen weltweit mit einer so breiten Produktpalette. Wir sind im Grunde ein Lösungsanbieter. Deloro HTM hat durch den HIP-Prozess eine Pulvertechnologie entwickelt und bietet ein Produkt mit sehr guten Eigenschaften. Der HIP-Prozess erfordert Temperaturen von mehr als 1.000 °C und Drücke von über 1.000 bar. Das Pulver im Inneren der Komponente wird dann selbst zu einer Komponente.

Wirtschaftsforum: Bitte erzählen Sie uns noch etwas mehr über die Struktur der Deloro-Gruppe.

Claudio Sinatra: Jede der vier Firmen ist autonom, Deloro HTM in der Schweiz, Deloro Coatings und Deloro Microfusione in Italien und Deloro Wear Solutions in Deutschland. Alle vier Betriebe haben eine eigene Produktion und eigene Verkaufsabteilungen. Die deutsche Firma wird ein wenig als Hauptquartier gesehen, weil dort der CEO seinen Sitz hat. Alle vier Firmen haben einen Geschäftsführer, der für die Firma verantwortlich ist. Seit 2015 gehören wir zur Madison Industries Investementgruppe aus Chicago.

Wirtschaftsforum: Die Deloro-Gruppe ist international aufgestellt. Wie hoch ist Ihre Exportquote und welches sind Ihre wichtigsten Märkte?

Claudio Sinatra: Die Exportquote hängt immer vom jeweiligen Betrieb ab. Bei uns in der Schweiz liegt sie bei etwa 80%, die deutsche Deloro Wear Solution exportiert etwa 70% ihrer Produkte. Unsere wichtigsten Märkte sind die USA, Europa, der Nahe Osten und Afrika.

Wirtschaftsforum: Welche Funktion hat in Ihrem Unternehmen eigentlich das Marketing?

Claudio Sinatra: Es ist wichtig, dass unsere Produkte bekannt werden. Wer nicht in dem Bereich arbeitet, kennt unsere Produkte auch nicht. So haben wir vor zehn Jahren eine Legierung für Industriemesser herausgebracht, die am Anfang niemand richtig beachtet hat. Das wollen wir ändern. Wir haben auch Patente für unsere Legierungen angemeldet. Es wurde auch schon versucht, sie zu kopieren.

Wirtschaftsforum: Erzählen Sie uns bitte etwas über Ihren Werdegang im Unternehmen und Ihren Führungsstil.

Claudio Sinatra: Ich bin seit 2012 in der Firma. Angefangen habe ich als Verkaufsleiter. 2015 wurde ich Geschäftsführer von Deloro Coating in Bellusco bei Mailand. Seit September 2019 habe ich auch die Position als Geschäftsführer in der Schweiz inne. Man braucht hohe Flexibilität, einen guten Zeitplan und viel Pragmatismus. Die Teams sind extrem wichtig und wenn ich unterwegs bin, muss ich meinen Mitarbeitern unbedingt vertrauen können. Ich habe Erfahrung in der Verwaltung kleiner Betriebe. Ich möchte genau wissen, wie sie funktionieren, um sie dann zu verbessern. Die Welt ist viel schneller geworden. Früher hat der Preis eine große Rolle gespielt, heute sind auch Qualität und Lieferzeit sehr wichtig.

Wirtschaftsforum: Seit wann gibt es Deloro eigentlich?

Claudio Sinatra: Gegründet wurde das Unternehmen 1868 von M.J. O’Brien in Kanada. Dort förderte er neben Gold auch besonders reines Kobalt. Später kam Elwood Haynes als Gesellschafter hinzu. Im Laufe der Jahrzehnte wuchs das Unternehmen bis zu seiner heutigen Größe.

Wirtschaftsforum: Eine lange Vergangenheit. Wo möchten Sie in der Zukunft hin?

Claudio Sinatra: Madison Industries denkt sehr unternehmerisch, und das wird auch bei uns vermittelt. Wir wollen wachsen und auch etwas Neues machen. Es geht für uns darum herauszufinden, was die neuen Trends der Branche sein werden. Mit der 3-D-Technologie wird sich auf jeden Fall einiges ändern.

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