Insektenburger: Das große Krabbeln auf der Zunge
Interview mit Baris Özel, Gründer von Bugfoundation GmbH
Wirtschaftsforum: Vor acht Jahren haben Sie bei einer Reise nach Thailand zum ersten Mal Insekten gegessen. Hat Sie diese Erfahrung kulinarisch tatsächlich so begeistert, dass Sie unternehmerisch tätig werden wollten?
Baris Özel: Mein Mitgründer Max und ich sind seit knapp zwanzig Jahren beste Freunde. Als wir nach Thailand kamen, waren wir schon sieben oder acht Monate auf Weltreise gewesen. Wir hatten viel gesehen, und in einer solchen Situation ist man sowieso viel offener und probiert viel freimütiger neue Dinge aus. Die herrlichen Gerüche aus den Woks, in denen Insekten gebraten wurden, haben uns sofort angezogen und die Erinnerung an den guten Geschmack hat unser Reiseerlebnis sehr geprägt – obwohl wir da noch nicht die Idee für die Bugfoundation hatten.
Später, als wir zurück in der Heimat waren, hat Max seine Bachelor-Arbeit über dieses Thema geschrieben. Im Ergebnis stand ein unbestreitbares wissenschaftliches Fundament: Insekten als Nahrungsmittel sind lecker, nachhaltig und gesund. Wir haben uns dann gesagt: Das gibt es hier nicht – komm, lass uns Deutschlands ersten Insektenburger auf den Markt bringen.
„Die herrlichen Gerüche aus den Woks, in denen Insekten gebraten wurden, haben uns sofort angezogen und die Erinnerung an den guten Geschmack hat unser Reiseerlebnis sehr geprägt.“ Baris Özel
Wirtschaftsforum: Es gibt unzählige Arten von Insekten – warum sind ausgerechnet Buffalo-Würmer für die Herstellung Ihrer Burger-Pattys besonders geeignet?
Baris Özel: Es gibt ca. 2.000 essbare Insektenarten auf der Welt. Wir haben uns aus einer Vielzahl an Gründen für den Buffalo-Wurm entschieden, hauptsächlich wegen seines guten Geschmacks und seiner sehr guten Verfügbarkeit in Europa. Hier müssen die zum Verzehr bestimmten Larven nämlich eigens gezüchtet werden. Außerdem hat der Buffalo-Wurm im Vergleich zum Mehlwurm noch einen leicht besseren Nährwert und wir können ihn vollständig verwerten, ohne dass ein Rest übrigbleibt. Nicht zuletzt hat uns auch der Name sehr gut gefallen.
„Mit dem Thema Dschungelcamp wollen wir rein gar nichts zu tun haben. Wir als Bugfoundation stellen seriöse Produkte aus Insekten her.“ Baris Özel
Wirtschaftsforum: Insekten zu verzehren, kennt man hierzulande eher aus dem Dschungelcamp. Wie hoch sind die Hürden, westliche Konsumenten von Ihrer Burger-Kreation zu überzeugen?
Baris Özel: Dieser Punkt ist uns sehr wichtig: Mit dem Thema Dschungelcamp wollen wir rein gar nichts zu tun haben. Wir als Bugfoundation stellen seriöse Produkte aus Insekten her und positionieren uns ganz klar für den Massenmarkt.
Im Prinzip spielt sich auf Messen und anderen Verkostungen immer dasselbe ab. Wenn wir irgendwo unseren Burger in die Pfanne hauen und anbraten, werden die ersten Menschen von dem Geruch angelockt – genau wie es uns damals in Thailand erging – und dann werden wir gefragt, was das eigentlich ist. Darauf antworten wir ganz offen und stolz: „Das ist Deutschlands erster Insektenburger.“ Es folgt meist ein ungläubiger Blick, samt einem überraschten: „Der sieht ja ganz normal aus.“ Die meisten sind dann gerne bereit, ein Stück zu probieren – und wenn sie einmal probiert haben, wollen sie meistens noch ein zweites Stück haben.
Ich glaube also nicht, dass es hier eine große Hemmschwelle gibt. Viele in der westlichen Welt haben zwar gewisse Bilder im Kopf, wenn sie an Insekten als Nahrungsmittel denken, aber diese Bilder kann man relativ schnell löschen, wenn man die Menschen einmal dazu gebracht hat, zu probieren. Das gelingt uns allerdings auch nur, weil unser Fokus auf wirklich ästhetischen Produkten und einem tollen Geschmack liegt – auf den kommt es ja vor allem an. Denn wenn ein Produkt nicht schmeckt, kauft es niemand wieder, und sei es noch so gesund und nachhaltig.
„Viele in der westlichen Welt haben zwar gewisse Bilder im Kopf, wenn sie an Insekten als Nahrungsmittel denken, aber diese Bilder kann man relativ schnell löschen, wenn man die Menschen einmal dazu gebracht hat, zu probieren.“ Baris Özel
Wirtschaftsforum: Ihre ersten Geschäftspartner waren zwei Restaurants in Brüssel im Herbst 2015. Was haben Sie bei dieser ersten Kooperation für Ihr Unternehmen gelernt?
Baris Özel: Der Start in Belgien war steinig und schwer, was mitunter auch daran lag, dass wir als kleines Start-up versuchen mussten, in einem Land zu agieren, in dem wir uns im Grunde überhaupt nicht auskannten. Wir konnten uns zwar auf Englisch sehr gut verständigen, aber am Ende gab es doch deutliche kulturelle Unterschiede, derer wir uns zu Beginn nicht hinreichend bewusst waren.
Damals war unser Produkt noch nicht so weit entwickelt und präsentierfähig. Wir mussten bei den Gastronomen also sehr viel Überzeugungsarbeit leisten, dass unsere Insektenburger toll schmecken, nahrhaft sind und sich auf der Speisekarte gut machen werden. Eines der beiden Restaurants hat unsere Produkte heute noch auf der Speisekarte. Unser Fokusmarkt ist trotzdem von Anfang an Deutschland gewesen.
Wirtschaftsforum: Ihr Burger hat es kürzlich auch ins Sortiment von Rewe geschafft. Verliert Ihr Produkt durch seinen Platz im Kühlregal nicht an Exotik?
Baris Özel: Nein, dort ist unser Burger genau am rechten Fleck. Unsere Produkte sollen in den Alltag integrierbar sein und daher sehen wir uns gar nicht als sonderlich exotisch an. Klar, für die Menschen in Europa mag es sich zunächst noch exotisch anhören, aber das ist nicht unser Ansatz. Im Gegenteil: Wir freuen uns sehr, dass wir unser Produkt mittlerweile im Rewe anbieten können und dass es so gut angenommen wird.
„Unser Ziel war es von Anfang an, den Verzehr von Insekten in Europa alltäglich zu machen.“ Baris Özel
Wirtschaftsforum: Wie viel Überzeugungsarbeit mussten Sie bei Rewe leisten, um ins Sortiment aufgenommen zu werden?
Baris Özel: Gar keine. Das war das Schöne daran. Im Januar haben wir auf der Grünen Woche den Pressevertretern mitgeteilt, dass wir dieses Jahr auf den Massenmarkt treten würden. Danach stand unser Telefon nicht mehr still. Der gesamte Handel aus Deutschland war am Apparat und alle wollten das Produkt haben.
Letztendlich haben wir uns für Rewe als Vertriebspartner entschieden, weil die Gespräche von Anfang an auf Augenhöhe stattgefunden haben. Die Atmosphäre war sehr sympathisch, was für uns äußert wichtig war: Denn der Handel ist hart und als Start-up muss man dieses Umfeld erst einmal kennenlernen. Vor allem die Mengen, die wir vorher verkauft haben, sind im Vergleich dazu nicht wirklich erwähnenswert. Mittlerweile produzieren wir Burger im zweistelligen Tonnenbereich. Wir mussten also anfangen, sehr, sehr groß zu denken. Wir hatten unsere Partner, sowohl unsere Züchter als auch unseren Produzenten, aber schon sehr früh über unsere Ambitionen aufgeklärt: Unser Ziel war es von Anfang an, den Verzehr von Insekten in Europa alltäglich zu machen. Die gute Vorbereitung hat uns sehr geholfen.
„Dass es bei der „Höhle der Löwen“ nicht geklappt hat, lag schlicht daran, dass man dort unseren Wert nicht erkannte.“ Baris Özel
Wirtschaftsforum: Dieses Jahr wollten Sie bei der „Höhle der Löwen“ zusätzliches Kapital generieren, haben sich dann aber gegen das Angebot entschieden. Hatten Sie bei der Bugfoundation keine Lust auf einen prominenten Investor?
Baris Özel: Dass es bei der „Höhle der Löwen“ nicht geklappt hat, lag schlicht daran, dass man dort unseren Wert nicht erkannte. Wir hatten eine klare Vorstellung davon, was wir bei dieser Sendung erreichen wollten. Ich glaube, man hat im Fernsehen auch gesehen, dass wir zu unseren konkreten Zielen standen, obwohl leider auch nicht alles gezeigt worden ist. Im Anschluss haben wir mit der PHW-Gruppe ein Investment abgeschlossen. All diese Entscheidungen – bei der „Höhle der Löwen“ und danach – waren für uns genau richtig.
Interview: Julian Miller / Bilder: Bugfoundation