Raus aus dem Alltag, rauf auf den Berg
Interview mit Thomas Aichner, Marketing Director Salewa der Oberalp AG

Wer könnte besser wissen, was ein Bergwanderer oder Kletterer benötigt, als ein aktiver Bergsteiger? Thomas Aichner, Marketing Director Salewa der Oberalp AG, hat sich immer gewünscht, auch beruflich näher an den Menschen und Unternehmen zu sein, die sich den Bergen verbunden fühlen. Er selbst lebt in einem kleinen Bergdorf auf einem Bauernhof und war in seiner Jugend professioneller Snowboarder.
„Nach meinem Wirtschaftsstudium und meiner Sportlerkarriere habe ich in der Touristikbranche gearbeitet und war zuletzt Direktor des Südtiroler Tourismus. Dann wollte ich noch einmal etwas Neues anfangen“, erzählt er. Vor einem Jahr ergab sich diese Möglichkeit bei Oberalp. „Hier kann ich meine Erfahrungen im Alpinismus und im Management verbinden“, so der Marketing Director.
Mit Salewa vertritt er eine Traditionsmarke. 1935 wurde sie in München gegründet und 1990 an das noch ältere Familienunternehmen Oberalp verkauft. Anton Oberrauch war bereits 1846 in das Textilgewerbe eingestiegen und hatte den Grundstein für die heutige Oberalp-Gruppe gelegt, die Heiner Oberrauch 1981 gegründet hat. Heute gehört die manage-mentgeführte Gruppe der fünften Generation der Familie Oberrauch. Sie beschäftigt 600 Mitarbeiter und ist in vielen Ländern Europas und den USA mit Niederlassungen vertreten.
Vom Rucksack bis zum Steigeisen: Starke Marken
Neben fünf eigenen Marken vertreibt Oberalp eine Reihe von Importmarken. Die bekannteste Fremdmarke ist Under Armour. „Wir haben aber auch Fischer Ski und jede Menge weiterer Marken aus dem Bereich Bergsport“, erzählt Thomas Aichner.
Die bekannteste Marke Salewa ist Europas führender Spezialist für Bergsportartikel. Sie umfasst Bergsportbekleidung und -schuhe sowie Ausrüstung vom Rucksack über Zelte bis hin zu Steigeisen und Helmen. Unter der jungen, innovativen Marke DYNAFIT findet der ambitionierte Sportler eine breite Auswahl an Tourenski-Material. WILD COUNTRY bietet technisches Klettermaterial sowie Kletterbekleidung. Die Schuhe dazu finden sich bei der Marke EVOLV.
Mit der fünften Eigenmarke POMOCA ist Oberalp führender Hersteller von selbstklebenden Skitourenfellen. Auch Schuhsohlen aus Gummi finden sich bei dieser Marke. Thomas Aichner macht deutlich, wie die eigenen Marken miteinander in Verbindung stehen: „Wir können Synergien zwischen unseren Marken nutzen. Wenn wir Grundlagenentwicklung machen, zum Beispiel für Stoffe, kommen uns die Ergebnisse auch bei den anderen Marken zugute. Aber auch innerhalb des Vertriebs und in der Kommunikation profitieren wir von Synergien.“
„Für uns ist es eine Grundregel, dass wir nur an Orten entwickeln und produzieren, an denen die Rechte der Arbeiter gewahrt werden.“ Thomas AichnerMarketing Director

Kurze Wege, lokale Rohstoffe: zertifizierte Nachhaltigkeit
Wer die Natur liebt und achtet, für den ist Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema. So auch für Oberalp. „Menschen, die in die Berge gehen, haben einen engen Bezug zur Natur und sind dem Thema gegenüber sehr sensibel. Für uns ist es eine Grundregel, dass wir nur an Orten entwickeln und produzieren, an denen die Rechte der Arbeiter gewahrt werden“, betont Thomas Aichner.
Oberalp ist Mitglied und Lead Partner der Fair Wear Foundation, die sich dafür einsetzt, die Arbeitsbedingungen in Textilfabriken zu verbessern. Auch die Materialien betreffend wird auf Nachhaltigkeit geachtet: Oberalp kann alle wichtigen globalen Zertifikate wie Bluesign oder Öko-Tex 100 vorweisen.
„Unsere Verkehrswege versuchen wir so kurz wie möglich zu halten und dafür die lokale Wirtschaft einzubinden“, sagt Thomas Aichner und nennt ein Beispiel: „Wir verwenden kaum noch Daune, sondern Wolle, die wir hier in Südtirol kaufen. Momentan fördern wir den Hanfanbau, um den Rohstoff für die Kleidungsproduktion nutzen zu können.“
Wandel im Handel
Mit den 50 eigenen Geschäften, die sich überwiegend in Italien, aber auch in der DACH-Region befinden, sowie seinen Onlineshops ist das Unternehmen einerseits im B2C-Bereich aktiv. Andererseits beliefert Oberalp auch die Händler. Derzeit finde in der Branche eine starke Konzentration statt, berichtet Thomas Aichner.
„Immer mehr Marken werden von wenigen Unternehmen aufgekauft. Wir haben es mittlerweile mit riesigen Konkurrenten zu tun, die nicht 200 Millionen, sondern zwei Milliarden EUR Umsatz machen.“ Er verweist auch auf stark veränderte Strukturen. „Wir erleben einen Wandel im Handel. Durch den Onlinehandel ist der Wettbewerb viel größer geworden. Jetzt müssen wir mit Unternehmen wie Amazon in Konkurrenz treten. Die großen Konzerne wie Decathlon gehen mit ihren Eigenmarken an den Markt und stellen die Branche dadurch ziemlich auf den Kopf.“
Nah am Kunden, digital und analog
Einen Wandel innerhalb des Unternehmens bringt die Digitalisierung mit sich. „Da wir sehr viele Produkte und eine große Zahl verschiedener Materialien anbieten, benötigen wir eine starke Software, um diese zu verwalten, zu verpacken und zu versenden“, führt Thomas Aichner aus.
Auch im Kundenservice und Marketing hätten digitale Technologien viel verändert und verbessert. Den persönlichen Kontakt kann das nicht ersetzen. Deshalb lädt Oberalp Kunden und Partner zweimal im Jahr zu einer großen Convention ein. Daneben nutzt das Unternehmen Social Media, klassisches Onlinemarketing und Pressearbeit, arbeitet mit Testimonials zusammen und sponsert verschiedene Athleten.
Zurück zur Natur: Mit Werten identifizieren
Thomas Aichner zieht die Motivation für seine Arbeit aus seiner eigenen Leidenschaft für die Berge. „Die Natur hilft den Menschen, aus dem Alltag auszusteigen und zu sich selbst zu finden. Die Berge sind die großen Lehrmeister des Lebens. Ich möchte Menschen inspirieren, zu ihnen zurück in die Natur zu gehen. Hier arbeite ich mit einem ehrlichen Produkt, das sich technisch auf einem sehr hohen Niveau befindet, und das sie dazu animieren kann.“
Für die Zukunft plant er, den Vertrieb stärker unter eigene Kontrolle zu bringen. „Wir wollen unsere Marken so entwickeln, dass jede einzelne zu einer starken Persönlichkeit mit einer klar definierten Zielgruppe wird. Die Menschen sollen sich für sie entscheiden, weil sie sich mit unseren Werten identifizieren und nicht nur, weil das Produkt weniger kostet“, wünscht sich Thomas Aichner.