Kliniken mit Luft zum Atmen

Interview mit Prof. Christine Nickl-Weller, Aufsichtsratsvorsitzende der Nickl & Partner Architekten

Wirtschaftsforum: Frau Prof. Nickl- Weller, inwieweit wirkt sich die Coronakrise auf Ihre Schwerpunkte – die Entwicklung und den Bau von Krankenhäusern – aus?

Christine Nickl-Weller: Gesundheitsnetzwerk und Forschung, das sind die Bereiche, die wir nach vorn bringen. Gerade heute, im Rahmen der Corona-Pandemie, sind das brennende Themen. Wir sehen zum Beispiel, wie sinnlos Beatmungsgeräte sind, wenn es an ärztlicher Expertise fehlt. Anlaufstellen müssen neu überdacht werden. Das bedeutet, es muss Exzellenzcenter geben, die verschiedene Krankenhäuser digital betreuen. Das können Regionalkrankenhäuser oder universitäre Einrichtungen sein. Über dieses System können die Ärzte digital vor Ort sein, so dass eine ganz andere Spreizung erreicht wird. Ein kleines Krankenhaus in der Nähe hilft dem Patienten nicht, wenn die Expertise fehlt.

Wirtschaftsforum: Sie haben sich schon lange vor Corona mit diesen Themen beschäftigt. Was genau ist Ihr Forschungsgebiet?

Christine Nickl-Weller: Mein Forschungsschwerpunkt ist seit langem Healing Architecture. An der Technischen Universität Berlin habe ich den entsprechenden Lehrstuhl inne gehabt. Ich sammele Forschungsaspekte, die helfen, wirklich validierte Informationen weiterzugeben. Daneben habe ich immer daran gearbeitet, den modularen Aufbau von Häusern weiterzuentwickeln. Das erfolgte durch internationale Projekte und durch die Stiftung, die ich gemeinsam mit meinem Mann ins Leben gerufen habe. Wir haben versucht, eine Health Box zu entwickeln, sind jedoch von den großen Stiftungen verdrängt worden. Das Modell ist uns jedoch erhalten geblieben.

Wirtschaftsforum: Sind Sie mit Nickl & Partner Architekten ausschließlich im Bereich Krankenhäuser tätig?

Christine Nickl-Weller: Nein, nicht nur. Unser Tätigkeitsfeld umfasst die Planung und Durchführung von Bauten des Gesundheitswesens, der Forschung, des sozialen Wohnungsbaus, Hochschulbauten sowie des Städtebaus für Privatwirtschaft, und öffentliche Hand. Letzteres ist unser zweiter Schwerpunkt. Im Gesundheitswesen haben wir neben Krankenhäusern auch Altenheime realisiert. Später kamen die Hochtechnologie-Forschungsgebäude hinzu.

Wirtschaftsforum: War Ihr Ziel von Anfang an, ein Unternehmen dieser Größenordnung aufzubauen?

Christine Nickl-Weller: Nein, gar nicht. Mein Mann und ich haben die Firma 1979 gegründet und wollten nie ein großes Büro, sondern uns auf Qualität und den direkten Kontakt fokussieren. Durch unsere Spezialisierung auf Krankenhäuser entstanden aber recht schnell große Projekte. Damit wuchs auch das Unternehmen und die Gesellschaftsformen veränderten sich nach und nach. In Bayern waren wir eine der ersten Architekten-Aktiengesellschaften. Heute beschäftigen wir 200 Mitarbeiter und erwirtschaften allein mit der deutschen GmbH einen Jahresumsatz von 15 Millionen EUR. Neben München sind wir auch in Frankfurt, in der Schweiz, China, Indonesien, Russland und Frankreich vertreten. Mein Mann und ich sind weiterhin in der Entwicklung tätig, was uns viel Freude macht. Derzeit bereiten wir aber den Übergang an die nächste Generation, unsere zwei Söhne, vor. Wir haben inzwischen einen Weinberg gekauft und ich besuche Kurse, um mehr über die Winzerei zu lernen.

Wirtschaftsforum: Wie sind Sie überhaupt zur Architektur gekommen?

Christine Nickl-Weller: Mein Vater war Bauingenieur, daher kannte ich das Geschäft schon ein bisschen. Ich wollte immer Architektin werden und habe sehr dafür gekämpft – Meine Familie wollte eigentlich, dass ich Lehrerin werde. Im Studium habe ich meinen Mann kennengelernt. Zehn Jahre habe ich dann als Staatsbeamtin gearbeitet und in der Zeit viel gelernt. Mein Ziel war immer, das Besondere möglich zu machen; das ist heute noch so: Wenn es eine Lösung noch nicht gibt, tun wir alles dafür, sie zu finden. Wir versuchen, einen Mehrwert für die Gesellschaft und die Betroffenen zu erzielen. Dazu nutzen wir die neuesten Forschungsergebnisse und verbinden in unseren Gebäuden Wissenschaft und Praxis.

Wirtschaftsforum: Was bewegt Sie im Zeitalter von Corona besonders?

Christine Nickl-Weller: Ich wünsche mir, dass wir aus dieser Situation lernen. Es ist immer schwieriger geworden, öffentliche Bauten durchzusetzen, die Luft zum Atmen lassen. Immer ging es nur ums Sparen. Viele Krankenhausflure sind nicht geeignet, unter diesen Bedingungen zu funktionieren. Ich setze mich dafür ein, dass sich das ändert. Das Bewusstsein dafür muss in die Entscheider-Ebene vordringen und die Politik muss ihren Beitrag leisten. Künstliche Intelligenz spielt dabei übrigens eine große Rolle: Wenn bestimmte Handgriffe von lernenden Robotern übernommen werden, kann in Virenzeiten Personal geschützt werden.

Tags
Nach themenverwandten Beiträgen filtern

Mehr zum Thema Bau

Mut zu echter Nachhaltigkeit

Interview mit Michael Oberfeichtner, Geschäftsführer der O. K. Energie Haus GmbH

Mut zu echter Nachhaltigkeit

Die Bauindustrie gilt als größter Umweltverschmutzer der Welt; sie verantwortet 40% des globalen CO2-Ausstoßes. Ein Umdenken ist überfällig. Die O.K. Energie Haus GmbH aus dem österreichischen Großpetersdorf musste nicht umdenken,…

Hohes Ansehen mit tiefen Bohrungen

Interview mit Rimt Wortberg, Geschäftsführer der Thade Gerdes GmbH

Hohes Ansehen mit tiefen Bohrungen

Aufschlussreich und tiefgründig – zwei Adjektive, die ein Unternehmen aus dem hohen Norden Deutschlands nicht treffender beschreiben könnten. Die Thade Gerdes GmbH ist ein gefragter Partner, der nicht nur in…

Flachdachbau mit System, Struktur und Weitblick

Interview mit Alexander Erba, Geschäftsführer der Holl Flachdachbau GmbH & Co. KG Isolierungen

Flachdachbau mit System, Struktur und Weitblick

Die Holl Flachdachbau GmbH & Co. KG Isolierungen aus Fellbach ist Spezialist für Flachdächer, Blitzschutz und Photovoltaik. Als Teil der Primutec Solutions Group setzt das Unternehmen auf Wachstum, Zukäufe und…

Spannendes aus der Region München

Mit dem besonderen Gespür für unverwechselbare Mode

Interview mit Michele Ventrella, Geschäftsführer der Agentur Ventrella GmbH

Mit dem besonderen Gespür für unverwechselbare Mode

Für Michele Ventrella ist Mode weniger Beruf als Berufung: In der Branche ist er für seine ausgeprägte Affinität zu Mode und besonders für seinen hochentwickelten Sinn für nicht alltägliche Designs…

Hinschauen, bemerken, wertschätzen

Interview mit Felix Schmidt, Geschäftsführer der Herrmann & Schmidt Dienstleistungen GmbH & Co. KG

Hinschauen, bemerken, wertschätzen

Die Gebäudereinigung ist weit mehr als nur Sauberkeit – sie ist ein essenzieller Handwerksberuf, der für Hygiene, Werterhalt und Sicherheit von Immobilien sorgt. Ob Bürogebäude, Krankenhäuser oder Industrieanlagen – professionelle…

Innovationen in Premium-Tiernahrung

Interview mit Marco Hierling, Geschäftsführer der AlphaPet Ventures GmbH

Innovationen in Premium-Tiernahrung

Die AlphaPet Ventures GmbH ist ein führender Anbieter von Premium-Tiernahrung, der für die Digitalisierung des Heimtiermarktes, seine innovativen Produkte und seinen Fokus auf Nachhaltigkeit bekannt ist. Mit CEO Marco Hierling…

Das könnte Sie auch interessieren

Grün denken, smart gestalten: Wie lebendige Mooswände Märkte erobern

Interview mit Carsten Schmieding, Geschäftsführer und Stefan Franke, Projektmanager bei NatureRooms

Grün denken, smart gestalten: Wie lebendige Mooswände Märkte erobern

Mit NatureRooms schlägt die Franke Filter GmbH ein neues Kapitel auf: Smarte, lebendige Mooswände bringen Natur, Design und Technologie zusammen – und eröffnen dem Unternehmen spannende Märkte über die Industrie…

Effizienz in der Bauwirtschaft

Interview mit Dipl.-Ing. Falk Hartmann, Geschäftsführer der Catterfeld Welker GmbH

Effizienz in der Bauwirtschaft

Nachhaltige und klar kommunizierte Entscheidungen der Politik sind notwendig, damit die Bauwirtschaft sicher planen kann – zu diesem Ergebnis kommt Dipl.-Ing. Falk Hartmann, Geschäftsführer der Catterfeld Welker GmbH. Aktuellen Herausforderungen…

„Unsere Architektur fördert Wohlbefinden und Heilung“

Interview mit Hieronimus Nickl, Geschäftsführender Gesellschafter der Nickl & Partner Architekten AG

„Unsere Architektur fördert Wohlbefinden und Heilung“

Unter dem Leitgedanken „Architektur für Menschen“ setzt die Nickl & Partner Architekten AG auf innovative Baukonzepte, die Heilung und Wohlbefinden fördern. Das international agierende Büro hat sich besonders in der…

TOP