Die Sehnsucht nach Abenteuer ist kein Trend, sondern die Folge einer Mangelerscheinung

Interview mit Markus Holthausen, Gründer und Geschäftsführer der Waldkauz GmbH & Co. KG

Wirtschaftsforum: Um auf dem Hochsitz leichter an Ihre Jagdutensilien zu kommen, haben Sie vor einigen Jahren für den eigenen Gebrauch eine Kleinteiletasche genäht. Inzwischen hat sich daraus ein stattliches Unternehmen entwickelt. In welchem Moment haben Sie erkannt, dass aus dieser Idee etwas Großes entstehen würde?

Markus Holthausen: Am Anfang war mein Antrieb vor allem die Lust, etwas Neues auszuprobieren. Wirtschaftliche Interessen haben damals nicht die geringste Rolle gespielt. Mein Standardspruch lautete ständig: ʻErstmal was auf die Beine stellen – über´s Geldverdienen machen wir uns später Gedanken.ʼ Die Erkenntnis, dass aus dem Spaßprojekt etwas Ernstes entstand, kam daher auch eher schleichend und nicht zu einem bestimmten Moment. Diese Einstellung gab mir aber auch die nötige Ruhe und Entschlossenheit, das Projekt voranzutreiben. Als Grafik-Designer stand ich ja bereits auf eigenen Beinen und konnte somit den Waldkauz langsam wachsen lassen.

Markus Holthausen
„Uns wurde klar: Wenn es mit dem Kauz ernsthaft weitergehen sollte, mussten unsere alten Jobs dran glauben. Das hat uns schon einige schlaflose Nächte bereitet.“ Markus Holthausen

Wirtschaftsforum: Im Hauptberuf sind sie noch lange Zeit Grafik-Designer geblieben – bis irgendwann doch der Sprung in die völlige Selbstständigkeit anstand. Was gab Ihnen dafür das entscheidende Quäntchen Mut?

Markus Holthausen: Das Projekt Waldkauz habe ich zusammen mit meiner Frau in jeder freien Minute neben meinem Brotverdienst vorangetrieben. Irgendwann machte es so viel Arbeit, dass beides nebeneinander nicht mehr ging. Uns wurde klar: Wenn es mit dem Kauz ernsthaft weitergehen sollte, mussten unsere alten Jobs dran glauben. Das hat uns schon einige schlaflose Nächte bereitet, denn ab da waren alle Sicherheiten für ein festes Einkommen dahin – noch dazu zu einer Zeit, als Nachwuchs ins Haus stand. Doch die Waagschale war langsam zum Waldkauz gekippt und wir hatten zu diesem Zeitpunkt schon ein ganz gut funktionierendes kleines Geschäft mit mehreren Mitarbeitern aufgebaut.

 

Wirtschaftsforum: Bei der Herstellung Ihrer Produkte spielt der Manufakturgedanke eine tragende Rolle. Könnten Sie Ihren Umsatz nicht beträchtlich steigern, wenn Sie stattdessen maschinell und seriell fertigen würden – und kann eine Manufaktur überhaupt einen Massenmarkt bedienen?

Markus Holthausen: Manufaktur bedeutet nicht, dass wir selbst gefilzte Taschen von Hand zusammennähen. Wir benutzen selbstverständlich Maschinen und versuchen auch, so effizient wie möglich zu arbeiten. Trotzdem besteht bei der Fertigung unserer Produkte ein hoher Anteil aus händischer Arbeit, bei der vor allem handwerkliches Geschick notwendig ist.

Viele unserer Produkte entstehen bei uns im eigenen Atelier, aber wir geben auch einige an sogenannte Zwischenmeister ab. Das sind meist kleinere Produktionsbetriebe in Deutschland und im europäischen Ausland, die mit hohem Anspruch an Qualität und Verarbeitung und in sehr enger Abstimmung mit uns einzelne Produkte für uns herstellen. Dabei hat jeder sein Spezialgebiet: Der Eine macht besonders gute Rucksäcke und Taschen, der Andere ist auf Jacken spezialisiert. Allen gleich ist dabei ein kompromissloser Qualitätsanspruch, mit dem wir nun fast schon zehn Jahre unseren Ruf erarbeitet haben.

„Loden aus Schurwolle ist eine der ältesten Outdoor-Textilien, die es gibt, und meiner Meinung nach eine der besten.“ Markus Holthausen
Markus Holthausen

Wirtschaftsforum: Sie haben längst nicht mehr nur Jäger als Kunden im Visier: Unter der Marke Steinkauz vertreiben Sie Produkte für Wanderer und Camper. Woran haben Sie erkannt, dass Sie Ihren Markt erweitern konnten, und was war dabei die größte Herausforderung?

Markus Holthausen: Ausrüstung und Bekleidung, die sich auf der Jagd bewährt hat, hat sich auch für alle möglichen anderen Outdoor-Aktivitäten qualifiziert. Das war also irgendwann ein logischer Schritt. Loden aus Schurwolle ist eine der ältesten Outdoor-Textilien, die es gibt, und meiner Meinung nach eine der besten. Da lag es nahe, dieses großartige Material in die Outdoor-Welt jenseits der Jagd zurückzubringen.

Wirtschaftsforum: Das populärste Video auf dem YouTube-Kanal von Waldkauz ist eine „Ode ans Draußen-Sein“ und erzählt von einem Outdoor-Trip nach Schweden. Warum ist Ihrer Meinung nach diese Sehnsucht nach Draußen mehr als nur ein kurzlebiger Trend?

Markus Holthausen: Die Sehnsucht nach Abenteuer ist kein Trend, sondern die Folge einer Mangelerscheinung. Wir digitalisieren und virtualisieren uns und unsere Umwelt immer mehr und verbringen einen großen Teil unserer Zeit mit unseren ganzen Medien- und Kommunikationskanälen. Dabei merken wir kaum, dass uns etwas abhanden kommt, was viel spannender ist als der ganze virtuelle Quatsch. Mit unserem Film wollte ich anregen, darüber einmal nachzudenken.

Interview: Julian Miller | Fotos: Waldkauz GmbH & Co. KG

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