„Fokus nicht nur auf Heizungen legen“
Interview mit Tobias Kern, Geschäftsführender Gesellschafter der TMP Fenster + Türen GmbH
Wirtschaftsforum: Herr Kern, erzählen Sie uns doch zunächst etwas über den Ursprung von TMP.
Tobias Kern: Die Firma ist 1990 aus einer LPG entstanden, die in der Wendezeit autodidaktisch Fenstertechnik entwickelt hat. Wir sind dann mit dem großen Bedarf an Einfamilienhäusern stark gewachsen. Das ist heute nur eine unserer Sparten, in der wir nicht nur Fenster und Türen, sondern auch Service bieten. Wir bedienen Endkunden, Architekten, den Fachhandel, führen Großprojekte durch und betreiben den Onlineshop fertigfenster.de für Menschen, die ihre Fenster selbst einbauen wollen. In Bad Langensalza beschäftigen wir 300 Mitarbeiter. Darüber hinaus produzieren wir an zwei weiteren Standorten in Deutschland sowie in Litauen, wo 25 Menschen arbeiten. 2022 haben wir einen Umsatz von rund 70 Millionen EUR erzielt. Wir sind ein autarkes Unternehmen und bedienen den nordischen Markt. Weitere Internationalisierung ist derzeit nicht vorgesehen.
Wirtschaftsforum: Liegt Ihr Schwerpunkt immer noch auf den Einfamilienhäusern?
Tobias Kern: Derzeit ja. Zusammen mit dem Fachhandel, der unsere Produkte auch in Neubauten einsetzt, sind wir zu 75% im Bereich privater Hausbau tätig. Im Bereich der Einfamilienhäuser haben wir eine sehr große Kompetenz, nicht nur in der Herstellung von Fenstern und Türen, sondern auch in der Montage. Hier sind wir bundesweit tätig. Allerdings bricht der private Hausbau gerade zusammen. Wir leben derzeit von Überkapazitäten, die noch abgebaut werden müssen. Um den Rückgang auszugleichen, arbeiten wir verstärkt daran, alte Kunden zu reaktivieren, neue zu gewinnen und bestehende auch auf unsere anderen Kompetenzen hinzuweisen. Wir müssen unsere Geschäftsprozesse anpassen und uns transformieren. Die Nachfrage nach Einfamilienhäusern scheint sich nach einem deutlichen Rückgang jetzt auf einem niedrigen Niveau zu stabilisieren. Da es bis zu einem Jahr dauert, bis die Fensterbestellungen für einen Neubau bei uns eingehen, kommen diese Entwicklungen bei uns aber erst verzögert an.
Wirtschaftsforum: Ihr Portfolio reicht aber weit über Fenster und Türen hinaus...
Tobias Kern: Richtig, wir sind sehr breit aufgestellt und können viele Kompetenzen bei uns im Haus bündeln. Diese reichen von Insektenschutz bis hin zu großflächigen Fassaden aus Glas und Aluminium. Wir arbeiten mit großen, renommierten Lieferanten zusammen, zum Beispiel bei Kunststoffprofilen mit der Firma VEKA, dem Weltmarktführer im Bereich Fenstersysteme. Von ihnen bekommen wir Halbzeuge, aus denen wir fertige Produkte herstellen. Sie werden bei uns oder auf der Baustelle fertiggestellt. Bei Haustüren bieten wir zum Beispiel eine große Vielfalt an Modellen und fertigen etwa 5.000 Türen im Jahr.
Wirtschaftsforum: Was genau macht TMP so erfolgreich?
Tobias Kern: Wir haben viele alte Verbindungen. So empfehlen uns Bauleiter, die die Firma wechseln, an ihrem neuen Arbeitsplatz oft weiter. Wir liefern schnell, innerhalb von bis zu sechs Wochen. In der Fertigung sind wir sehr flexibel, da wir schnell und effizient modernisieren. Dass wir dadurch auch andere Kundengruppen bedienen und den Markt flexibler bearbeiten können, gibt uns eine gewisse Ruhe. Eine große Kompetenz liegt bei uns in der Montageorganisation. Wir kennen die Prozesse auf den Baustellen und arbeiten digital, etwa mit eigenen Apps zur Dokumentation und zum Austausch von Informationen. Wir unterscheiden uns auch durch das RAL-Gütezeichen, mit dem wir als Mitglied der RAL-Gütegemeinschaft Fenster, Fassaden und Haustüren unsere Partnerbetriebe nach entsprechender Auditierung zertifizieren. Damit ist sichergestellt, dass sie hohe Qualitätskriterien erfüllen.
Wirtschaftsforum: Wie entwickelt sich der Fenstermarkt im Hinblick auf Nachhaltigkeit?
Tobias Kern: Sehr viele Fenster müssen in Zukunft saniert werden, um Häuser energieeffizienter zu machen. Derzeit setzt die Politik unserer Meinung nach zu sehr auf den Neubau und die Modernisierung von Heizungen. Es geht aber erst einmal darum, über die Ertüchtigung der Außenwände Energie einzusparen. Sonst geht auch mit einer neuen Heizung zu viel Energie verloren. Das Thema Bauelemente kommt daher jetzt zu Recht auf den Prüfstand. Mit Blick auf den großen Sanierungsstau in Deutschland sind wir überzeugt, dass wir als Branche entscheidend zur Energiewende beitragen können. Das Thema Fenstersanierung wird daran einen großen Anteil haben.
Wirtschaftsforum: Wie werden Sie als Unternehmen nachhaltiger?
Tobias Kern: Wir werden in Zukunft sehr stark auf dieses Thema setzen. Beispielsweise sind wir Teil eines Systems, das dafür sorgt, dass PVC-Fenster in einen geordneten Kreislauf zurückgeführt, also recycelt und zu neuen Fenstern verarbeitet, werden. Damit wird der Einsatz von neuem PVC minimiert. Kunststofffenster halten etwa 40 Jahre. In Ostdeutschland kommen jetzt die ersten Fenster zurück in den Kreislauf. Wir haben auch umgestellt auf Solarstrom und LEDs und eine Umweltproduktdeklaration eingeführt. Regional sind wir stark vernetzt, wenn es um Umweltprojekte geht. Beispielsweise haben wir einen alten Turm, der früher eine Stromabgabestelle war, gekauft, um daraus einen Artenschutzturm zu machen. Nachhaltigkeit hat für uns aber auch eine soziale Komponente in Form von Jugendförderung und der Gewinnung und Bindung von Arbeitskräften – auch durch eine Unternehmenskultur, die von Verantwortung, Vertrauen, Kommunikation, Mut und Wertschätzung geprägt ist.
Wirtschaftsforum: Welche Themen werden Sie in Zukunft darüber hinaus beschäftigen?
Tobias Kern: Wir müssen die sich aus den veränderten Marktverhältnissen ergebenden Chancen nutzen. Dazu gehört für uns auch, neue Geschäftsfelder im Bau zu erschließen. Ein Fokus liegt auf der Innovation – wir werden uns darüber Gedanken machen, was ein Fenster noch leisten kann. Das Baugeschäft ist an sich sehr träge. Wir wollen es anders angehen und schnell etwas bewegen.