Mit Industrie 4.0 zum individuellen Mikroprodukt

Interview mit Gerrit Häcker, CEO und Gründer der Häcker Automation GmbH

Die Häcker Automation GmbH wurde vor fast 30 Jahren von Gerrit Häcker als klassisches Einzelunternehmen gegründet. Seitdem ist das Unternehmen kontinuierlich gewachsen. Der Umzug an den heutigen Standort erfolgte im Jahr 2000. Es folgten mehrere Erweiterungen der Produktionsfläche. Heute verfügt das Unternehmen über vier Produktionshallen und beschäftigt mehr als 50 Mitarbeiter.

Internationale Expansion

Starkes Wachstum kennzeichnete die vergangenen vier Jahre, dank der verstärkten Internationalisierung und des wachsenden Potenzials der Mikrotechnik. „Wir haben unsere Kunden beim Aufbau von internationalen Produktionsstandorten begleitet“, erklärt CEO und Firmengründer Gerrit Häcker. „Dabei stellen wir fest, dass immer mehr große Unternehmen nicht nur einzelne Maschinen, sondern ganze Produktionslinien nachfragen.“

Ein weiterer wichtiger Trend hat sich seit der Pandemie herauskristallisiert. „Seit Corona beobachten wir, dass Unternehmen versuchen, ihre Lieferketten zu sichern, indem sie die Produktionsmittel zurück nach Europa holen“, sagt Gerrit Häcker. „Das ist natürlich eine große Chance für uns.“

Ein Markt mit viel Potenzial

„Wir haben uns auf die Entwicklung von Automatisierungslösungen für Mikroprodukte spezialisiert“, erklärt Gerrit Häcker. „Das ist ein relativ neuer Fertigungsbereich, der aber ein großes Potenzial hat. Die Herausforderung dabei ist es, Maschinen in einer Zuverlässigkeit und Genauigkeit zu entwickeln, die es vorher nicht gab. Wir haben uns von den traditionellen Märkten abgehoben, weil wir Maschinen angeboten haben, die viel anspruchsvoller und exotischer waren. So helfen wir unseren Kunden, aus dem gewohnten Klischee auszubrechen und durch Innovation ihren Wettbewerbern einen Schritt voraus zu sein.“

Modularität

Das Besondere am Angebot von Häcker Automation ist das Baukastensystem mit mehr als 100 verschiedenen Modulen. Dank der offenen und modularen Maschinenplattform können 80% der Fertigungsanforderungen des Kunden aus dem Standardprogramm abgedeckt werden. Ein weiterer Vorteil ist ihre Flexibilität.

„Die zunehmende Individualisierung der Produkte hat dazu geführt, dass die Produktionszyklen weniger vorhersehbar sind“, erklärt Gerrit Häcker. „Wir haben auf Maschinen gesetzt, die für neue Produkte in der Zukunft anpassungsfähig sind.“

Kleinstarbeit

Wie der Name schon sagt, befasst sich die Mikrotechnik mit der Herstellung von sehr kleinen Geräten. „Die Produkte sind etwa einen Zentimeter groß oder kleiner und enthalten viele Miniaturkomponenten“, sagt Gerrit Häcker. „Unsere Maschinen arbeiten hochpräzise. Wir können einen Klebepunkt auf ein Haar setzen.“ Die Automatisierung in diesem Bereich ist noch relativ jung, wird aber in den kommenden Jahren weiter stark wachsen.

Wettbewerbsvorteile schaffen

„Nehmen wir als Beispiel Hörgeräte“, sagt Gerrit Häcker. „Da gibt es etwa zehn namhafte Anbieter. Wir arbeiten mit zwei von ihnen, die 60% des Weltmarktes abdecken, zusammen. Unter anderem dank der alternden Bevölkerung wächst dieser Markt um circa 20% pro Jahr, sodass jedes Jahr mittlerweile 20 Millionen Hörgeräte produziert werden. Bis vor 15 Jahren wurden diese in Handarbeit in Niedriglohnländern hergestellt. Da die Geräte immer kleiner und komplexer werden, steigt die Fehlerquote, sodass die manuelle Produktion unrentabel wird. Wer den ersten Schritt macht und in eine automatisierte Fertigungsstraße investiert, kann die Initiative auf dem Markt ergreifen.“

Vernetzte Produktion

Ein weiterer damit verbundener Trend ist die Umstellung von der Massenproduktion auf individuell zugeschnittene Produkte. Industrie 4.0 und Digitalisierung sind hier die wichtigsten Trends. „Die Digitalisierung an sich ist keine Industrie 4.0“, sagt Gerrit Häcker. „Aber wir nutzen die digitalen Werkzeuge, die uns heute zur Verfügung stehen, um eine viel stärkere Vernetzung im Produktionsprozess zu erreichen. Unsere Plattform fällt genau in diesen Gedanken rein. Zum Beispiel sind unsere Bearbeitungsköpfe mit Mikroprozessoren ausgestattet und bringen alle Fähigkeiten mit, die es für die Bearbeitungsfunktionen braucht. Setzt man die Maschinen zusammen, vernetzen sich die Bearbeitungsköpfe miteinander und arbeiten automatisch zusammen. Somit entstehen extrem wandlungsfähige Maschinen, die sich in kürzester Zeit den Anforderungen der Produktion anpassen. Das ist unser Verständnis von Industrie 4.0.“

Um die Entwicklung in diesem Bereich noch weiter voranzutreiben, hat das Unternehmen seine Maschinenplattformsoftware als Open Source zur Verfügung gestellt. „Wir haben keine Angst, es könnte jemand uns etwas wegnehmen. Ganz im Gegenteil. Wenn wir unsere Plattform öffnen, können wir von der Arbeit anderer profitieren“, stellt Gerrit Häcker fest.

Werte der Offenheit leben

Diese Offenheit spiegelt sich in den Werten und der Kultur des Unternehmens wider. „Wir sind sehr familiär und harmoniegeprägt unterwegs“, freut sich Gerrit Häcker. „Hier arbeiten zwar ausschließlich Menschen, die Herausforderungen suchen und eigenständig sind, doch die gegenseitige Kooperation und Unterstützung haben dabei Vorrang. Wir haben keine Angst vor Fehlern und akzeptieren, dass Manches nicht laufen wird, wie wir es erwarten. So sind wir offen für Innovation.“

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