Verbraucher akzeptieren nicht mehr alles

Interview mit Meinrad Schmitt, Geschäftsführer und Inhaber der Terra Naturkost Handels KG

Wirtschaftsforum: Herr Schmitt, Sie haben Terra selbst gegründet. Erzählen Sie doch zunächst etwas von den Anfängen.

Meinrad Schmitt: Nach meinem BWL-Studium habe ich mich 1987 als junger Gründer mit einem ERP-Gründerdarlehen selbstständig gemacht mit einem Naturkost-Frischdienst, das heißt mit verderblichen Lebensmitteln. Wir waren damals die ersten, die Bio-Produkte aus Italien, Frankreich und Spanien importiert haben. Im zweiten Jahr haben wir schon einen Umsatz von 3,2 Millionen DM gemacht, das war ein Wachstum von 100%. Dann kam der Mauerfall, der für uns großartig war. Wir konnten nun Regionalstrukturen im Brandenburger Umland aufbauen. So haben wir Kontakte zu früheren LPG-Vorsitzenden und jungen Gärtnern und Landwirten geknüpft, die daraufhin ihre Betriebe auf biologische Bewirtschaftung umgestellt haben. Das Unternehmen ist schon damals immer im zweistelligen Bereich gewachsen.

Wirtschaftsforum: Hat das Wachstum zu internen Veränderungen geführt?

Meinrad Schmitt: Ja, wir brauchten mehr Platz und sind 1992 von West- nach Ost-Berlin umgezogen, wo ich eine leerstehende Lagerhalle im heutigen Treptow gekauft hatte. 2000 kam dann die BSE-Krise. Die Konsumenten hatten plötzlich Angst, konventionelle Lebensmittel zu essen. Es ist schon etwas pervers, aber solche großen Krisen haben uns einen Riesenschub gegeben. Damals haben sich unsere Umsätze fast verdoppelt. Da auch unsere inzwischen drei Lager zu klein wurden, haben wir hier in Neukölln gebaut und sind 2002 umgezogen. Im gleichen Zug haben wir mit der Terra Trocken fusioniert, einem 1981 gegründeten Großhandel mit einem Trockensortiment. Am neuen Standort haben wir daher mit einem Vollsortiment angefangen. Seitdem haben wir alle paar Jahre unser Lager vergrößert und heute eine Fläche von gut 20.000 m².

Wirtschaftsforum: Wie läuft es jetzt in der Corona-Krise – Haben Sie auch davon profitiert?

Meinrad Schmitt: Wir hatten 2020 starke Schwankungen. Im ersten Lockdown hatten wir mit den Hamsterkäufen zu tun, auf die sich niemand vorbereiten konnte. Insgesamt hat unser Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um rund 20% zugelegt. Trotzdem würde ich uns nicht als Profiteure der Krise bezeichnen. Das Geschäft mit unseren Kunden aus den Bereichen Gastronomie und Hotel, Kantinen und Kinderläden ist sehr stark eingebrochen, während wir im Geschäft mit den Handelskunden unheimlich zugelegt haben. Diese Verschiebungen machen sehr viel Arbeit. Ich hätte gern auf den Umsatzzuwachs verzichtet und ohne Corona weitergearbeitet.

Wirtschaftsforum: Inwiefern haben sich Ihre Aufgaben als Geschäftsführer im Lauf der Jahre verändert?

Meinrad Schmitt: Meine Arbeit ist immer noch stark geprägt von einer Pioniermentalität. Als ich angefangen habe, waren Bio-Produkte kaum bekannt, es gab auch keine gesetzliche Grundlage dafür. Wir haben daher viel Aufklärungsarbeit geleistet. Heute gibt es einen starken Wettbewerb, auch durch die Supermarktketten. Für uns ist es eine große Herausforderung, das Unternehmen als ausschließlichen Bio-Anbieter sicher in die Zukunft zu führen.

Wirtschaftsforum: Welche Themen liegen Ihnen persönlich besonders am Herzen?

Meinrad Schmitt: Wir haben in Brandenburg viele regionale Bio-Betriebe – allein vier Molkereien sowie Landwirtschafts- und Gartenbetriebe – bei ihrer Gründung begleitet und weitere Molkereien inspiriert, auf Bio umzustellen. Das war möglich, weil wir hier im Umland zurzeit des Mauerfalls viele regionale Betriebe hatten. Die über lange Jahre gewachsenen Beziehungen zu ihnen sind mir sehr wichtig.

Wirtschaftsforum: Auf welchen Produkten liegt Ihr Schwerpunkt?

Meinrad Schmitt: Wir haben ein riesiges Sortiment mit 15.000 verschiedenen Artikeln im Lager. Zweidrittel davon machen frische Produkte wie Obst, Gemüse und Molkereierzeugnisse aus. Im Obst- und Gemüsebereich sind wir sehr gut vernetzt und haben Anteile an Importeuren, die nur Bio-Produkte einführen. Der bekannteste ist BioTropic, ein Importeur mit weltweiten Dependancen und Projekten, Mit ihm haben wir Partnerprojekte unter anderem an der Elfenbeinküste, wo für uns Ananas angebaut werden, und in der Dominikanischen Republik zum Anbau von Bananen. Wir haben auch einen politischen Anspruch, Projekte in Afrika anzustoßen, die vor Ort Wertschöpfung generieren.

Wirtschaftsforum: Welche Trends beobachten Sie in der Lebensmittelbranche?

Meinrad Schmitt: Der Trend geht zu transparenten und regionalen Produkten. Die Verbraucher akzeptieren nicht mehr alles. Sie möchten keine anonymen Produkte aus China oder sonst woher. Man möchte wissen, wo und unter welchen Bedingungen sie produziert werden. Bei jedem Tierskandal wächst das vegane Sortiment. Wir haben schon in den 1990er-Jahren Produkte aus Soja und Lupinen verkauft und in diesem Bereich noch immer die Nase vorn.

Wirtschaftsforum: Wie soll es weitergehen mit Terra, und was ist Ihre persönliche Motivation, dies voranzutreiben?

Meinrad Schmitt: Wachstum ist nicht das ausschließliche Firmenziel. Uns geht es darum, weiter am ökologischen Landbau zu arbeiten und weitere Betriebe dazu zu bringen, auf Bio umzustellen. Wir sehen uns als Mittler zwischen dem ökologischen Landbau und dem Verbraucher. Meine Motivation ist, dass ich mit Terra meine persönlichen Vorstellungen umsetzen kann, nämlich umweltfreundlich und nachhaltig zu arbeiten – zum Beispiel durch regionale Logistik, erneuerbare Energien und den Einsatz von umweltfreundlichen Fahrzeugen.

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