„Ein Bauunternehmen kann man nicht aus dem Elfenbeinturm führen!“

Interview mit Raúl Comesaña, Geschäftsführer der BBF Bau GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Comesaña, die BBF Gruppe engagiert sich mit einem sehr umfangreichen Tätigkeitsspektrum im Markt – worin liegen dabei Ihre zentralen Kompetenzen?

Raúl Comesaña: Wir bieten ungefähr 80% der Leistungen des Bauhauptgewerbes an und betreiben in diesem Zuge neben dem klassischen Hoch- und Tiefbau auch eine Gebäudetechnikfirma. Diese deckt das komplette Spektrum der technischen Gebäudeausstattung (TGA) ab, von der Elek-troinstallation bis zum Heizungs-, Lüftungs- und Sanitärbereich. Das ist sinnvoll, da die Gewerke oftmals Hand in Hand gehen. Weder der Elektriker, noch der Heizungsmonteur kann und darf zum Beispiel eine Wärmepumpe allein anschließen. Zudem bieten wir auch die gesamte Bandbreite des Garten- und Landschaftsbaus im Markt an und treten dabei sowohl als Generalunternehmer als auch in einzelnen Gewerken als Auftragnehmer für Drittunternehmen auf.

Wirtschaftsforum: Darüber hinaus betreiben Sie auch eine eigene Projektentwicklungsgesellschaft.

Raúl Comesaña: Wir entwickeln derzeit vorwiegend in der Region Berlin-Brandenburg, aber auch in kleinerem Umfang auf Rügen über 660.000 m2 reines Bauland aus unserem Eigenkapital. In diesem Zuge erwerben wir Grundstücke, fertigen dann die entsprechenden Bebauungspläne an, sorgen für die Erschließung und verkaufen anschließend die einzelnen Parzellen für Einfamilienhäuser oder für Gewerbetreibende bauträgerfrei und ohne Bauzwang.

Wirtschaftsforum: Aufgrund von regulatorischen Veränderungen wie auch im Zuge neuer Wohnformen durchläuft dieser Markt derzeit einen tiefgreifenden Wandel – wie erlebt Ihr Unternehmen diese Verschiebungen?

Raúl Comesaña: Was heute gut funktioniert, kann schon morgen nicht mehr funktionieren – dessen sind wir uns voll und ganz bewusst. Denn nicht nur die Genehmigungsverfahren sind heute aufwendiger und dauern länger als noch vor zehn Jahren, sondern auch die Notwendigkeit, auf nachhaltige Weise Wohn- und Lebensräume zu schaffen, verlangt uns wahrscheinlich einen noch größeren Weitblick ab als früher. Derzeit erschließen wir beispielsweise ein 150.000 m2 großes Areal mit über 160 Parzellen, in das wir schon gar keine Gasleitungen mehr legen, sondern auf eine völlig andere Wärmeinfrastruktur setzen. Bei einem anderen Neubauprojekt im Zeuthener Winkel errichten wir derweil ein Nahwärmenetz, über das die Haushalte später ihre Energie beziehen werden. Ich bin überzeugt, dass Themen wie energieautarke Quartiere in Zukunft eine noch viel größere Rolle spielen werden. Um uns dafür auch perspektivisch als kompetenter Partner aufzustellen, arbeiten wir unter anderem mit dem Fraunhofer Institut an einem Forschungsprojekt zu Wärmekraftanlagen zusammen. Aber auch unsere internen Prozesse sind stark vom technologischen Wandel betroffen – gut möglich, dass die KI weitreichende Impulse für effizientere Abläufe in der Buchhaltung und Angebotserstellung bereithält, durch die wir unsere Mitarbeiter in Zukunft weniger für Routineaufgaben und vielmehr für die wirklich komplexen Fragestellungen einsetzen können.

Wirtschaftsforum: Die Bevölkerung in Deutschland wird tendenziell älter. Wie verschieben sich vor diesem Hintergrund die Anforderungen an attraktiven Wohnraum?

Raúl Comesaña: Im Rahmen unseres sehr umfassenden Entwicklungsansatzes engagieren wir uns nicht nur bei der Errichtung von altersgerechten Wohnmöglichkeiten, sondern betreiben mit unserem Projekt ʻPIA – Pflege ist allesʼ auch einen Pflegedienst mit entsprechenden Tagespflege- und Wohngemeinschaftsangeboten in Berlin-Pankow. Gleichzeitig erleben wir durchaus, wie sich die Ansprüche und Bedürfnisse älterer Menschen verändern: Viele möchten im höheren Lebensalter nicht mehr in einem 100 m2 großen Einfamilienhaus auf über 1.000 m2 Land leben – ein solches Areal auf Trab zu halten, kostet schließlich viel Mühe und Energie. Deswegen stoßen alternative Wohnformen, etwa in Form von Wohngemeinschaften, wie man sie bisher eher aus dem studentischen Lebensabschnitt kannte, auch bei älteren Menschen auf zunehmend größeres Interesse – mitunter auch aus schieren Kostengründen, schlicht weil die Rente für viele im Alter traurigerweise nicht mehr zum Leben reicht. Darüber hinaus lassen die gestiegenen Preise das klassische Einfamilienhaus mit 800 m2 Grundstücksfläche, wie es hier in Brandenburg bislang weitgehend ortstypisch war, in vielen Fällen nicht mehr zu. Die Grundstücke werden damit kleiner, das Einfamilienhaus gerät stärker zum Mietobjekt und wird nicht mehr unbedingt weit überwiegend als Eigenheim genutzt werden.

Wirtschaftsforum: Nach Ihrem Management-Studium an der European Business School waren Sie zunächst noch bei anderen Projektentwicklern tätig, bevor Sie sich schließlich dazu entschlossen, mit der BBF Gruppe das Unternehmen Ihres Vaters zu übernehmen – wie leicht fiel Ihnen dieser Schritt?

Raúl Comesaña: Ich kannte den Betrieb natürlich schon von klein auf. Mit 14 Jahren habe ich bereits im Tiefbau mitgearbeitet, schlicht weil es mir wichtig war, zu erleben, was unsere Jungs jeden Tag auf den Baustellen leisten – teilweise bei 30 °C Außentemperatur und ab 5.30 Uhr morgens. Es wäre unmöglich, ein solches Unternehmen aus dem Elfenbeinturm heraus zu führen! Trotzdem war viele Jahre später die Entscheidung, die Verantwortung für die Zukunft der BBF Gruppe und all ihrer Mitarbeiter zu übernehmen, keine leichte. Mein Vater hat einmal gesagt: Ein Unternehmen ist wie eine Krake, denn es dringt in jeden Winkel deines Lebens vor. Als Unternehmer steht man ständig unter Strom, und auch ich bin schon morgens zur Arbeit gefahren und habe mich gefragt, wie wir die enormen Herausforderungen des anstehenden Tages wohl bewältigen würden. Natürlich war es mir wichtig, das, was mein Vater 30 Jahre lang aufgebaut hatte, zu ehren und auch in seinem Sinne in die Zukunft zu führen. Aber ich verspüre auch ganz klar ein gesellschaftliches Verantwortungsgefühl, dem ich mich stellen möchte.

Wirtschaftsforum: Wofür sehen Sie sich dabei genau in der Verantwortung?

Raúl Comesaña: Mein Vater stammt aus Spanien, meine Mutter aus Königs Wusterhausen, ich selbst bin in Berlin geboren, und ich schätze sehr, was wir an Deutschland haben – einen gut funktionierenden Rechtsstaat mit einem starken Sozialgedanken. Deshalb stimmen mich manche Debatten, die wir derzeit in unserem Land führen, auch sehr traurig. Das Fundament für den Fortbestand eines wirtschaftlich und gesellschaftlich gesunden Deutschland sind dabei aus meiner Sicht klar die Unternehmen, die auf Basis eines nachhaltigen Wertegerüsts unseren Wohlstand sichern. Das geht jedoch wiede-rum mit einer weitreichenden Verantwortung für die Unternehmer einher: Es liegt an uns, unseren Mitarbeitern eine sichere Zukunft zu eröffnen, für ein stabiles Steueraufkommen zu sorgen und wichtige Innovationen umzusetzen, damit wir auch morgen noch wettbewerbsfähig sind.

Wirtschaftsforum: Eine Verantwortung, der sich anscheinend immer weniger junge Menschen stellen möchten.

Raúl Comesaña: Ich glaube, viele Jungunternehmer fokussieren sich auf Start-ups und wollen damit oft das Rad neu erfinden. Das ist legitim – aber aus meiner Sicht gibt es gerade im Mittelstand sehr viele schöne und gewachsene Unternehmen, die ein enormes Erfolgspotenzial versprechen. Meine Erfahrung lehrt mich, dass man gut auf dem Bestehenden aufbauen und gleichzeitig wichtige Innovationen voranbringen kann, um damit das jeweilige Unternehmen auch zu seinem eigenen zu machen: Denn es gibt kaum etwas Schöneres, als andere Menschen dafür zu begeistern, gemeinsam eine spannende Vision zu verfolgen!

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