„Die Logistik war schon immer ihrer Zeit voraus“
Interview mit Alfred Altmann, Geschäftsführer der Siba System Integration GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Altmann, seit über 20 Jahren bietet Ihr Unternehmen seinen Kunden effiziente und maßgeschneiderte Lagerlogistiklösungen an. Wie gestaltet sich dabei die Zusammenarbeit mit Ihren Partnern?
Alfred Altmann: In unserer Branche gibt es keine Katalogware. Wir bewegen uns deshalb von Anfang an in einem sehr interaktiven Prozess. Die große Kunst besteht für uns meist darin, herauszufinden, was für eine Lösung der Kunde genau benötigt, beziehungsweise welche tiefer liegende Fragestellung sich hinter dem jeweiligen Problem eigentlich verbirgt. Dieser erste Schritt ist oft der wichtigste: Denn jeder Kunde begegnet in seiner Geschäftstätigkeit anderen Herausforderungen.
Wirtschaftsforum: Worin unterscheiden sich Ihre Kunden?
Alfred Altmann: Ein Logistikunternehmen, das sich auf der B2B-Ebene engagiert, ist anders strukturiert als ein B2C-Player. Denken Sie beispielsweise an die Supply Chain, die einem Supermarkt vorgelagert ist: Das Produkt, das der Endkunde konsumiert, ist normalerweise relativ klein, wird jedoch in großen Stückzahlen produziert und geliefert – und schon an dieser Stelle gibt es länderspezifische Unterschiede: Denn während österreichische Supermarktketten die Anlieferung der Waren in ihren großen Logistik-Hubs in Form von Paletten wünschen, um sie danach auf die jeweiligen Einzelgeschäfte zu verteilen, betreibt die größte Supermarktkette Frankreichs einen ladenspezifischen Einkauf mit wesentlich kleineren Stückzahlen. Obwohl am Ende dieselben Produkte im Regal stehen, muss sich die Logistik dabei auf völlig unterschiedliche Rahmenbedingungen einstellen, die weit in die Supply Chain hineinwirken.
Wirtschaftsforum: Und nicht nur in diesem Beispiel ist die strukturelle Flexibilität der Logistik gefragt. Wie innovationsfreudig muss Ihre Branche deshalb sein?
Alfred Altmann: Aus meiner Beobachtung heraus ist die Logistik ihrer Zeit schon immer voraus gewesen. Als etwa die Diskussion um das Schlagwort Industrie 4.0 aufkam, musste ich bisweilen schmunzeln, weil wir diese Prinzipien in unserer Branche schon seit Jahrzehnten leben. Ich kann beispielsweise von meinem Arbeitsplatz in Österreich aus den Maschineneinsatz in einem Werk in Neuseeland in Echtzeit verfolgen und erkenne sofort, ob dort ein Motorproblem oder Ähnliches vorliegt. Die hohe Innovationskraft ist dabei eine direkte Folge der langen Vorlaufzeiten, die in unserer Branche vorherrschen und den Herausforderungen der Automobilfertigung nicht unähnlich sind. Ein Kraftfahrzeug, das heute dem Markt vorgestellt wird, wurde ja schon vor fünf Jahren entworfen, genauso wie ein Logistikzentrum, das heute seinen Betrieb aufnimmt, bereits vor etlichen Jahren konzipiert wurde.
Wirtschaftsforum: Wie wird das Lager der Zukunft aussehen?
Alfred Altmann: Schon heute ist die Lagerlogistik mit relativ wenig Personal behaftet. Da der Fachkräftemangel mit Sicherheit anhalten wird, werden einfache Tätigkeiten zwangsläufig mithilfe von Robotern ausgeführt werden müssen. Denn die Perspektiven für die Personalsituation bleiben angespannt und lassen sich auch nicht durch eine stärkere Zuwanderung nachhaltig verbessern: Die zusätzlichen Menschen, die dann Teil unserer Gesellschaft werden, sind ja schließlich nicht nur sogenanntes Humankapital, sondern auch Konsumentinnen – und wenn die Nachfrage nach Produkten steigt, steigt auch der Bedarf an Logistiklösungen.
Wirtschaftsforum: Welche Veränderungen stehen auf der technischen Seite in den nächsten Jahren in Ihrer Branche an?
Alfred Altmann: Sicherlich werden an dieser Stelle ebenfalls weitere Verbesserungen auf uns warten, auch wenn dabei langsam gewisse physikalische Grenzen näher rücken. Schon heute rechnen wir bei der Konzeption unserer Anlagen im Bereich von Millisekunden: Eine moderne Maschine in der Versandlogistik weist eine Sortierleistung von etwa 20.000 Paketen pro Stunde auf. Die weiteren Effizienzsteigerungen werden in der Vermeidung jeder unnötigen Bewegung liegen, um diese Taktzahl noch weiter zu erhöhen.
Wirtschaftsforum: Rechnen Sie auch mit systemischen Marktveränderungen in Ihrer Branche?
Alfred Altmann: Die zunehmende Komplexität wird zwangsläufig dazu führen, dass die Kunden nicht mehr in der Lage sein werden, all ihre Lösungen von nur einem einzigen Partner zu beziehen. Wir werden stattdessen eine weitere Ausdifferenzierung der Anbieter von Logistiklösungen sehen, die sich alle noch viel stärker auf ihre jeweilige Kernkompetenz konzentrieren und sich dort zentrale Wissensvorsprünge erarbeiten werden: Ein Unternehmen wird sich auf die Palettenlogistik fokussieren, ein anderes auf die Kartonagenebene und wieder ein anderes auf individuelle Einzelteile. Die Kooperation und die damit verbundenen Abstimmungskosten der Logistikanbieter untereinander und mit dem Kunden werden damit zunehmen. Einige Zeit später kann es dann zu einer erneuten Konsolidierung kommen, wenn all diese hochspezialisierten Unternehmen wieder unter einem Firmendach zusammengefasst werden, ohne dabei ihre inhaltliche Diversifizierung aufzugeben. Aber bis dahin dürfte es selbst in der schnelllebigen Welt der Logistik noch eine Weile hin sein.