Mit KI und Robotik in die Zukunft der Intralogistik
Interview mit Dipl.-Ing. Martin Gräb, Geschäftsführer Marketing & Vertrieb der BSS Bohnenberg GmbH
Wirtschaftsforum: Herr Gräb, die letzten Jahre waren durch wirtschaftliche Unsicherheiten geprägt. Wie hat sich das auf die BSS Bohnenberg GmbH ausgewirkt?
Martin Gräb: Ende 2022 wurde die Situation durch Inflation und steigende Zinsen herausfordernd. Bankkredite wurden teurer, was die Investitionsbereitschaft unserer Kunden stark beeinflusste, insbesondere in energieintensiven Branchen wie Schwerindustrie, Maschinenbau und Gießereien. Trotz dieser Zurückhaltung blieb der Bedarf an Automatisierung ungebrochen. Unsere Stärke ist, dass wir neben Neubauten auch Retrofit-Lösungen anbieten, mit denen wir bestehende Anlagen im laufenden Betrieb modernisieren. Das verschafft uns eine gewisse Flexibilität, die uns geholfen hat, weiterhin erfolgreich zu bleiben.
Wirtschaftsforum: Wie unterscheidet sich Ihr Unternehmen in der Intralogistik von anderen Anbietern?
Martin Gräb: Unser Vorteil liegt in unserer Vielseitigkeit. Wir bauen vollautomatische Logistikanlagen und bieten Lösungen, die branchenübergreifend funktionieren. Unsere Stärke ist jedoch, dass wir nicht nur neue Anlagen errichten, sondern auch bestehende modernisieren können – ohne den laufenden Betrieb zu beeinträchtigen. Wir decken die gesamte Wertschöpfungskette ab: von der Ideenfindung über die Beratung bis hin zur schlüsselfertigen Errichtung. Als weitere Leistungen bieten wir Wartung, Softwarepflege und Ersatzteilservice. Ein Beispiel ist unser hoch automatisiertes Logistikzentrum für einen Hersteller von Arbeitsschutzbekleidung. Wir arbeiten eng mit der ROFA AG zusammen und sind Teil der Logistiksystemgruppe.
Wirtschaftsforum: Wie wichtig sind Nachhaltigkeit und Digitalisierung in Ihrer Branche und welche Innovationen treiben Sie voran?
Martin Gräb: Nachhaltigkeit ist seit über 30 Jahren ein Kernthema für uns. Alle unsere Systeme sind vollelektrisch und wir setzen auf energiesparende Technologien. Zum Beispiel bewegt sich unsere Palettenförderanlage nur, wenn tatsächlich eine Palette transportiert wird. In Kombination mit modernen Sensoren und Automatisierung tragen wir zur Minimierung des Energieverbrauchs bei. Unsere Digitalisierungslösungen umfassen Lichtschranken zur Strommessung und KI, die in Hochregallagern zur optimalen Lagerplatznutzung und Prozessberechnung eingesetzt wird. Robotik ist ein weiterer Schwerpunkt: Unsere Greiftechnik ermöglicht das automatische Aufnehmen von Waren. Unser Pilotprojekt zeigt, wie ein Roboter autonom durchs Lager fährt und Waren von Paletten entnimmt.
Wirtschaftsforum: Welche Branchen bedienen Sie und welche Projekte sind besonders bemerkenswert?
Martin Gräb: Unsere Hauptkunden kommen aus der Lebensmittelherstellung und dem Lebensmittelhandel, die als besonders resilient gelten. Viele unserer Lösungen finden in Tiefkühlumgebungen Anwendung, wo Menschen kaum arbeiten können. Ein aktuelles Projekt ist ein automatisches Tiefkühllager für einen Lebensmittelhersteller, das Sortierfunktionen integriert hat. Ein wachsendes Feld ist auch die Tiernahrung, und wir sehen großes Potenzial im Onlinehandel. Hier bieten wir Lösungen für den B2C-Bereich, in dem kleinteilige Sendungen und schnelle Lieferungen immer wichtiger werden.
Wirtschaftsforum: Welche internationalen Märkte sind für Sie besonders vielversprechend und wie planen Sie Ihre Expansion?
Martin Gräb: Wir haben gezielt unsere Aktivitäten in Osteuropa ausgebaut und mit der Gründung von BSS CEE in Budapest eine solide Basis geschaffen. Märkte wie Polen, Tschechien und die Slowakei bieten großes Potenzial, und auch Skandinavien sehen wir als vielversprechend. In Nordamerika gibt es Herausforderungen durch hohe Einfuhrzölle, aber wir beobachten den Markt genau. Mittelfristig wollen wir etwa ein Viertel unseres Umsatzes im Ausland erzielen, um unabhängiger vom deutschen Markt zu werden. Messen spielen eine zentrale Rolle. Die LogiMat, an der wir 2003 als Erstaussteller teilnahmen, ist heute die weltweit führende Messe für Intralogistik. Zudem sind wir regelmäßig auf regionalen Veranstaltungen wie der Bergischen Expo vertreten.
Wirtschaftsforum: Was sind Ihre langfristigen Ziele für die BSS Bohnenberg GmbH und wie sehen Sie dabei die Rolle der Politik?
Martin Gräb: Langfristig wollen wir als Generalist agieren und flexibel auf besondere Anfragen reagieren. Bis 2025 planen wir, unsere Auslandsstandorte zu stärken und die Arbeitsbedingungen für unsere Mitarbeiter im Inland zu verbessern, um qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen. Ein großes Problem, das wir in Deutschland sehen, ist die überbordende Bürokratie. Das Baurecht verzögert Genehmigungen, was Investitionen erschwert. Wir hängen stark von der Stimmung in den Unternehmen ab und wünschen uns Maßnahmen, die Deutschland für den Warenumschlag attraktiver machen, wie zum Beispiel niedrigere Energiepreise und weniger Bürokratie.