„Deutschland ist stark bei E-Commerce-Lösungen“
Interview mit Winfried Hering, COO der shopware AG

Wirtschaftsforum: Herr Hering, Sie sind noch nicht lange im Unternehmen. Können Sie uns dennoch die wichtigsten Schritte in der Geschichte von Shopware nennen?
Winfried Hering: Ich bin zwar erst seit einem Jahr als COO dabei. Da ich aus dem Nachbardorf von Schöppingen komme, kenne ich Shopware aber schon seit seiner Gründung im Jahr 2000. Ein wichtiger Step war, dass wir uns 2010 entschieden haben, über Open Source die Basis für alle frei zugänglich zu machen. So konnten Verbreitung und Innovationsgrad noch einmal erhöht werden. Wir beschäftigen heute 310 Mitarbeiter, dazu kommen zigtausend Entwickler, die an der Software arbeiten. Das sorgt für einen ungeheuren Innovationsschub. Aber er hat sich gelohnt. Nachdem wir die Software zunächst nur kontinuierlich weiterentwickelt hatten, haben wir 2019 mit Shopware 6 ein komplett neues Produkt auf den Markt gebracht. Beide Entscheidungen waren sehr mutig und vorausschauend.
Wirtschaftsforum: Wir ist Shopware strukturell organisiert?
Winfried Hering: Im Rahmen von Corona mussten wir unseren Campus in Schöppingen zwischenzeitlich herunterfahren. Die dadurch geschaffenen Remote-Lösungen haben sehr gut funktioniert. Jeder kann selbst entscheiden, ob er im Büro oder zu Hause arbeitet. Das hat uns die Möglichkeit eröffnet, auch außerhalb des Münsterlandes, genauer gesagt europaweit, Mitarbeiter mit E-Commerce-Erfahrung für uns zu gewinnen. Seit Anfang des Jahres ist unsere Mitarbeiterzahl um 70 Kollegen*innen gestiegen. Nicht nur, was das Produkt angeht, sondern auch in der Organisationsform schreiten wir also proaktiv voran.
Wirtschaftsforum: Das Unternehmen ist also beträchtlich gewachsen. Wird das Wachstum anhalten?
Winfried Hering: 2020 betrug unser Jahresumsatz 31 Millionen EUR, das war eine Million mehr als geplant. Längerfristig rechnen wir mit einem noch steileren Anstieg. Noch bemerkenswerter ist aber das Wachstum unserer Händler, deren Erfolg wir stets unterstützen. Unsere Händler, also alle Shopware-Shops, haben 2019 einen Umsatz von 7,8 Milliarden EUR erzielt. 2020 waren es zwölf Milliarden EUR. Im ersten Halbjahr dieses Jahres lag ihr Umsatz bereits bei über acht Milliarden EUR. Unser nächster Schritt wird die weitere Internationalisierung sein, als ersten Schritt in Europa, aber auch die USA stehen bei uns auf dem Plan.
Wirtschaftsforum: Was ist Ihr Part im Unternehmen?
Winfried Hering: Nachdem ich zuvor als Berater bei Shopware tätig war, hat mich Stefan Hamann, Vorstand und Gründer, ins Unternehmen geholt, um die Umsetzung seiner Vision datengetrieben zu unterstützen und Prozesse für die Skalierung aufzubauen. Ein Punkt, in dem wir noch besser werden wollen, ist die Art, wie wir über unsere eigene Arbeit denken. In der Regel wird input-basiert gearbeitet und gedacht. Wir wollen uns nochmal darauf fokussieren, warum wir etwas machen - etwa, um die Kundenfreundlichkeit und -zufriedenheit zu erhöhen. Hier wollen wir ein Umdenken erreichen.
Wirtschaftsforum: Welches sind Ihre wichtigsten Produkte?
Winfried Hering: Unsere Produkte unterteilen wir in drei Kategorien: Die Community Edition kann sich jeder herunterladen und nutzen. Die Professional Edition ist für ambitionierte Händler, die ein E-Commerce-Business strategisch aufbauen wollen. Unsere Enterprise Edition richtet sich an hochprofessionelle Händler, die zum Beispiel im B2B-Bereich tätig sind. Zu allen Editionen können die Kunden verschiedene Service-Level kaufen. Seit einem Jahr bieten wir unser Produkt außerdem als Cloud-Lösung an, wobei wir auch das Hosting übernehmen können. Wir agieren branchenübergreifend, und unsere Produkte werden heute nicht mehr nur zum Verkauf, sondern auch für die Vermietung genutzt. Auf die sich verändernden Businessmodelle zu reagieren, ist eine unserer Stärken.
Wirtschaftsforum: Wo stehen wir in Deutschland im Bereich E-Commerce?
Winfried Hering: Es wird immer darüber gesprochen, dass Deutschland so schlecht in der Digitalisierung ist. Das gilt ganz und gar nicht für den E-Commerce. Bei den Anbietern für E-Commerce-Lösungen haben wir sehr starke Mitbewerber, was kaum bekannt ist. Darauf können wir stolz sein. Unternehmen wie Shopware sind Hidden Champions. Im aktuellen Gartner Magic Quadrant für Digital Commerce sind neben uns noch vier weitere deutsche Firmen gelistet. Dieser Bereich sollte von der Wirtschaft noch mehr gefördert werden, um den Wissensstand, den wir hier haben, aufrechtzuerhalten.