Höhenflug in der Nische

Interview mit Uta Peter, Geschäftsführerin der Schüschke GmbH & Co. KG

Schüschke ist auf dem besten Weg, zum Inbegriff für Waschtische in der Luftfahrt zu werden. Gegründet wurde das Unternehmen 1986 von Uwe Schüschke als klassische Schreinerei mit dem Schwerpunkt Küchenmöbel. Als der technikaffine Tischlermeister eine CNC-Maschine erwarb und dadurch neue Märkte erschließen konnte, stellte er die Weichen neu. „Damals kam der Mineralwerkstoff Varicor® auf den europäischen Markt; in den USA hatte sich das ähnliche Material Corian® bereits durchgesetzt“, erzählt Uta Peter, die seit 2017 Geschäftsführerin ist.

„Herr Schüschke hatte die Idee, Waschtische aus Varicor® für die Luftfahrt anzubieten und kam mit Airbus in Hamburg ins Gespräch. Anders als der große Wettbewerber Boeing setzte Airbus schon damals auf Individualität, um sich zu differenzieren. Vor diesem Hintergrund bot sich Varicor® als idealer Werkstoff an. Waschtische wurden vorher meist aus Edelstahl gefertigt; mit Varicor ergaben sich spannende, neue Gestaltungsmöglichkeiten, da das Material für eine warme, angenehme Atmosphäre sorgt und optisch und haptisch überzeugt.“

Varicor® punktet in vielerlei Hinsicht. Der Werkstoff kann wie Holz bearbeitet werden, ist aber ein homogenes Material, das durchgefärbt ist, abgeschliffen, repariert und recycelt werden kann. Für anspruchsvolle Oberflächen ist Varicor® geradezu prädestiniert. 

„Schüschke hat sich mit Varicor über die Jahre hinweg kontinuierlich weiterentwickelt“, so Uta Peter. „Heute decken wir für die Firma Varicor den gesamten Bereich Luftfahrt ab, sind hier Spezialist und haben das Material hinsichtlich der in der Luftfahrtindustrie geltenden Anforderungen weiterentwickelt. Dabei geht es zum Beispiel um Themen wie Brandschutz und Gewicht.“

Komplettanbieter in der Nische

Vor 25 Jahren stieg Schüschke in die Luftfahrt ein und fertigte nach vierjähriger Entwicklungszeit erste Waschtische für den Airbus A320. In diesem Jahr liefert das Unternehmen den 58.000sten Waschtisch aus. Auch wenn die Luftfahrtindustrie damit den Schwerpunkt des Geschäfts bildet, gibt es mit der Baubranche ein zweites Standbein.

In Hotels, Kindergärten, Laboren, Krankenhäusern und Bürogebäuden, überall dort, wo Oberflächen robust sein müssen oder anti-virale Eigenschaften haben sollen, wird Varicor® verarbeitet – für Wickelkombinationen, Waschrinnen, Spiel- und Waschlandschaften oder Thekenanlagen. Entwickelt und produziert wird am Standort Kirchentellinsfurt, wo etwa 50 Mitarbeiter beschäftigt sind. Nachdem sich Firmengründer Uwe Schüschke aus Altersgründen aus dem Unternehmen zurückgezogen hatte, wurde der Betrieb 2016 Teil einer Investorengruppe.

Die dynamische Entwicklung hat sich auch nach der Übernahme fortgesetzt. War Schüschke bis dahin ausschließlich im Bereich der Waschtische tätig, folgte nun mit trays, bars und galleys der Schritt in die Kabine. „Wir sind in einer Nische tätig, in der wir uns sehr wohlfühlen und die wir komplett abdecken“, betont Uta Peter.

„Für unsere Kunden ist es wichtig, dass wir die gesamte Klaviatur beherrschen, von der Entwicklung bis zur Produktion und Montage. In der Regel erhalten wir von unseren Kunden 3-D-Daten, aus denen wir das gewünschte Produkt entwickeln.“ Schüschke fertigt Prototypen und Serienprodukte, Kleinstserien mit einem Bauteil und Großserien mit 1.000 Waschtischen in gleichbleibender Qualität. Der gesamte Produktionsprozess erfolgt inhouse; jedes Produkt hat die für die Luftfahrt notwendigen Zulassungen. Schüschke hat zwei Zulassungen vom Luftfahrtbundesamt; als Hersteller die Zulassung EASA Part 21G, als Reparaturbetrieb die EASA Part 145.

Krisen gemeistert

Auch in Zukunft will Schüschke mit Varicor-Waschtischen für die Luftfahrt Akzente setzen. Das Potenzial ist da. „Corona war für uns eine Herausforderung“, sagt Uta Peter. „Die Auftragslage war von einem Tag auf den anderen gleich null. Aber es war klar, dass es weitergehen würde. Wir pflegen enge Partnerschaften mit den Kunden und gemeinsam haben wir auch diese Herausforderung angenommen.“ Schüschke hat die Krise gut gemeistert. So gut, dass das Unternehmen 2023 mit dem Award ‘Most sustainable supplier in terms of performance’ ausgezeichnet wurde.

„Wir haben uns 2022 und 2023 sehr gut konsolidiert“, erklärt Uta Peter. „Jetzt gibt es in beiden Geschäftsfeldern erste Schritte in Richtung Weiterentwicklung. In der Luftfahrt steigen die Anforderungen, wir müssen uns auf den ramp-up bei Airbus vorbereiten und haben bereits in eine neue CNC-Maschine investiert. Nur so können wir zum Hidden Champion in der Luftfahrt rund um Waschtische aufsteigen.“

Innovative Technik allein reicht dafür nicht. Ein großes Thema ist es, qualifiziertes Personal zu finden. Es gibt viele langjährige Mitarbeiter, jetzt müssen neue Kräfte nachrücken. „Als Arbeitgeber können wir in dieser strukturstarken Region nur punkten, wenn wir Mitarbeitern Flexibilität bieten; zum Beispiel bei den Arbeitszeiten“, betont Uta Peter.

„Wir haben flache Hierarchien und legen großen Wert auf gemeinsame Rituale und kleine Aufmerksamkeiten. Als familienfreundliches Unternehmen zahlen wir Mitarbeitern, die länger als zwei Jahre bei uns sind, zusätzlich monatlich 30 EUR Kindergeld. Freitags gibt es Eis oder etwas Süßes. Ein kleiner Gruß zum Wochenende, aber auch ein Zeichen ehrlicher Wertschätzung.“

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