Rausgehen, um weiterzukommen
Interview mit Jakob Schöffel, CEO der Schöffel Gruppe und Stefan Ostertag, CMO/CDO von Schöffel SPORT

Wirtschaftsforum: Herr Schöffel, Sie führen Schöffel nun in 8. Generation. Wie kam es zu Ihrer Entscheidung, so früh Verantwortung im Unternehmen zu übernehmen? Wie war Ihr Weg in die Geschäftsführung?
Jakob Schöffel: Das war ein ganz besonderer Weg – und auch ein sehr persönlicher. Ich bin mit dem Unternehmen aufgewachsen. Meinen ersten ‘Auftritt’ hatte ich mit sechs Jahren auf dem Laufsteg – damals präsentierte ich Kinder-Skibekleidung bei unserer 200-Jahr-Feier. Seitdem hat mich Schöffel nie losgelassen. Irgendwann kam der Punkt, an dem ich gespürt habe: Jetzt ist es dran. Nicht aus Pflichtgefühl, sondern aus echter Überzeugung. Ich wollte gestalten, weiterentwickeln, etwas aufbauen – auf dem Fundament unserer großartigen Geschichte. Die Reise begann nicht irgendwo draußen, sondern in mir – mit einer inneren Haltung und dem klaren Wunsch, Verantwortung zu übernehmen.
Wirtschaftsforum: Herr Ostertag, Sie kamen von Jack Wolfskin. Warum haben Sie sich für Schöffel entschieden?
Stefan Ostertag: Schöffel hatte für mich immer eine gewisse Strahlkraft. Als Mitbewerber haben sie uns bei Jack Wolfskin regelmäßig herausgefordert – auf die gute Art. Und dann kam die Chance, hier den digitalen Vertrieb aufzubauen – eine absolute Traumaufgabe. Ich liebe die Outdoorwelt, ich liebe das Draußensein – und wenn man diese Leidenschaft mit dem Beruf verbinden kann, entsteht etwas Großartiges. Heute verantworte ich die Bereiche Marketing und Digital Business und kann sagen: Es macht richtig Freude, dieses Unternehmen mitzugestalten. Auch für mich war es eine Reise, die im Inneren begonnen hat – mit dem Wunsch, Teil von etwas Sinnvollem zu sein.
Wirtschaftsforum: Und Sie gestalten viel – das zeigt der Wandel der letzten Jahre. Was waren die wichtigsten Entwicklungen?
Jakob Schöffel: Der größte Schritt war sicher die Diversifikation. Wir haben mit Schöffel PRO (Arbeitsbekleidung) und Schöffel TEC (Behördenausstattung) zwei eigenständige Geschäftsfelder aufgebaut. Dabei bleiben wir unserer Kernkompetenz treu: Textilien. Aber wir wenden sie in völlig neuen Kontexten an – im Handwerk, im militärischen Einsatz, im behördlichen Alltag. Das eröffnet uns nicht nur neue Märkte, sondern gibt uns als Gruppe enorme Stabilität.
Stefan Ostertag: Gleichzeitig haben wir das Unternehmen digital transformiert. Das klingt erstmal technisch, ist aber vor allem ein kultureller Wandel. Wir haben alte Systeme durch moderne Lösungen ersetzt, arbeiten heute datenbasiert, aber immer mit dem Menschen im Mittelpunkt. Es geht darum, schneller zu verstehen, was unsere Kunden brauchen – und diese Bedürfnisse mit Innovationskraft zu bedienen. Auch das ist ein Teil unserer inneren Reise: Nicht stehen bleiben, sondern bewusst neue Wege gehen.
Wirtschaftsforum: Apropos Kunden – Sie haben auch die Marke Schöffel SPORT neu gedacht. Was steckt hinter dem neuen Selbstverständnis?
Stefan Ostertag: Viel. Wir haben uns gefragt: Was bedeutet Outdoor heute wirklich? Und festgestellt: Es geht nicht um höher, schneller, weiter – sondern um Balance, Achtsamkeit, Wohlbefinden. Unsere neue Marken-DNA dreht sich um drei starke Werte: Zuverlässigkeit – weil unsere Produkte halten, was sie versprechen. Selbstbestimmung – weil wir Menschen ermutigen wollen, ihren eigenen Weg in der Natur zu gehen. Und Freude – weil jeder Schritt nach draußen ein Stück Freiheit ist. „Ich bin raus“ ist kein Werbespruch. Es ist ein Lebensgefühl – und mit unserer Kampagne „Die Reise beginnt in dir“ machen wir deutlich: Dieses Lebensgefühl beginnt nicht am Gipfel, sondern im Kopf und im Herzen.
Jakob Schöffel: Diese Klarheit tut auch uns als Organisation gut. Sie gibt Orientierung. Und sie gibt Sinn – sowohl unseren Mitarbeitern als auch unseren Partnern. In einer Welt, die sich immer schneller dreht, suchen Menschen genau das: Verlässlichkeit, Haltung und eine positive Vision. Unternehmerisch gesehen heißt das für uns, den Mut zu haben, neue Wege nicht nur zuzulassen, sondern aktiv zu gestalten – weil Veränderung im Innersten beginnt.
Wirtschaftsforum: Innovation ist das eine, Verantwortung das andere. Wie leben Sie Nachhaltigkeit?
Stefan Ostertag: Nachhaltigkeit ist für uns keine Kampagne, sondern ein innerer Kompass. Wir investieren viel – in langlebige Materialien, faire Lieferketten, Kreislaufwirtschaft. Der Markt belohnt das nicht immer unmittelbar, aber das ist für uns zweitrangig. Wir machen das, weil wir es für richtig halten. Dass wir erneut den Fair Wear Leader Status erreicht haben, erfüllt uns mit Stolz. Und auch unsere kreislauffähige Kollektion war ein Meilenstein. Wenn wir Nachhaltigkeit greifbar machen – im Produkt, in der Story, im Alltag – kommt sie auch beim Kunden an.
Wirtschaftsforum: Herr Schöffel, wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?
Jakob Schöffel: Klar, offen, partnerschaftlich. Ich weiß, dass ich nicht alles wissen kann – also sorge ich dafür, dass die richtigen Menschen an den richtigen Stellen ihre Stärken entfalten können. Ich stelle die wichtigen Fragen, höre zu und wenn eine Entscheidung ansteht, übernehme ich Verantwortung. Mir ist wichtig, dass unsere Kultur von Vertrauen und Augenhöhe geprägt ist – nach innen wie außen.
Wirtschaftsforum: Und wie lebt sich „Ich bin raus“ ganz persönlich für Sie?
Stefan Ostertag: Für mich heißt das: Mountainbike, Joggingrunde, Eishockey – oder einfach mit der Familie raus in die Natur. Raus aus dem Büro, rein ins Leben. Es geht ums Auftanken, ums Durchatmen. Diese Momente haben eine enorme Kraft.
Jakob Schöffel: Ich bin oft in den Bergen unterwegs – beim Wandern, Skifahren, auf Skitour. Aber auch kleine Dinge zählen: ein Spaziergang, ein Blick in den Wald, ein stiller See. „Ich bin raus“ ist ein Gefühl. Und ich glaube, wir alle brauchen es mehr denn je. Und genau da beginnt auch unternehmerische Klarheit: Wenn man weiß, wofür man es tut – und wofür nicht.