Fokus auf Prozessen statt Produkten

Interview mit Mario Baldi, CEO der Scheer Group

Wirtschaftsforum: Herr Baldi, Software-Consulting ist ein sehr breit gefächertes Gebiet. Wo liegt der Fokus für die Scheer Gruppe?

Mario Baldi: Die Besonderheit der Scheer Gruppe ist, dass wir nicht in Produkten denken, sondern in Prozessen. Prozesse waren schon seit Beginn die Kernkompetenz unseres Firmengründers Prof. Dr. Dr. August-Wilhelm Scheer und Prozesse sind bis heute unsere DNA. Wir bilden sie mit einer End-to-End-Perspektive ganzheitlich ab. So haben wir zum Beispiel Lead-to-Cash für die Umsatzgenerierung, Source-to-Pay für die Optimierung der Beschaffungs- und Wertschöpfungskette, Design-to-Operate für die Verschlankung von Fertigungsprozessen und Recruit-to-Retire für die optimierte Anwerbung und langfristige Bindung von Mitarbeitern. Unser Alleinstellungsmerkmal liegt in der Fähigkeit, diese Prozesse neu zu denken und zu gestalten. Dabei betrachten wir für den Kunden jeweils den gesamten Prozess und versuchen, ihn in jeder Phase der Kette ineinandergreifend zu optimieren, um so den Prozess schneller, resilienter und nachhaltiger zu gestalten.

Wirtschaftsforum: Inwiefern unterscheidet sich dieser Ansatz von dem Ihrer Marktbegleiter?

Mario Baldi: Die meisten unserer Marktbegleiter fokussieren sich eher auf das Produkt. Wir glauben jedoch, dass das nur die halbe Wahrheit ist, denn jedes Unternehmen bietet dem Markt und den Kunden seine eigenen Vorzüge. Für uns gilt es daher, diese Benefits zu identifizieren und sie zu analysieren. Erst wenn wir den Prozess als Ganzes dargestellt und die Optimierungsmöglichkeiten herausgearbeitet haben, können wir aus der riesigen Produktvielfalt, die es beispielsweise allein bei SAP gibt, die richtigen Lösungen mit dem Kunden besprechen und implementieren. Heute übernehmen wir viele Projekte von anderen Dienstleistern, die an den Prozessen vorbei implementiert haben.

Wirtschaftsforum: Können mit Standardprodukten alle Kundenbedürfnisse abgedeckt werden?

Mario Baldi: Es gibt viele standardisierte Abläufe bei unseren Kunden, weshalb wir beispielsweise unsere Scheer Boxes entwickelt haben. Hiermit können wir unseren Kunden im Rahmen standardisierter Beratungspakete garantierte Ergebnisse zum attraktiven Festpreis und mit kurzen Projektlaufzeiten anbieten. Dennoch gibt es immer wieder genügend Punkte beim Kunden, die mit keinem Standardprodukt abzudecken sind. Deshalb haben wir eine eigene Plattform entwickelt. Als integrierte Technologieplattform kommt Scheer PAS immer dann zum Einsatz, wenn wir verschiedene Systeme miteinander verknüpfen wollen. Hier setzen wir unser Prozess-Know-how mittels Low-Code, Pro-Code und Composable Applications ein.

Wirtschaftsforum: Was sind derzeit die wichtigsten Marktentwicklungen?

Mario Baldi: Derzeit findet zunehmend eine Verlagerung der internationalen Lieferketten statt. Aufgrund von Lieferengpässen sehen sich europäische Hersteller vermehrt gezwungen, sich regionaler aufzustellen, um die Lieferfähigkeit sichern zu können, anstatt ihre Teile beispielsweise aus China zu beziehen.

Wirtschaftsforum: Welche Rolle spielen die digitale Transformation und Innovation im Unternehmen?

Mario Baldi: Digitale Lösungen sind für uns unverzichtbar. Was wir tun, ist Digitalisierung pur. Aber jede Softwarelösung ist nur ein Werkzeug, wir müssen die Menschen mit auf die Reise nehmen. Dabei hat die Coronakrise die Digitalisierung noch einmal massiv vorangetrieben. Wir hatten unseren Kunden schon vor der Krise digitale Lösungen aus Effizienz- und Kostengründen ans Herz gelegt. Die Pandemie hat diese Entwicklungen noch forciert. Sie sind auch nicht mehr wegzudenken. Trotzdem bleibt der persönliche Kontakt und Austausch ein wichtiges Gut. Die zukünftige Herausforderung ist dabei, die goldene Mitte zu finden. Innovation liegt unserem Gründer am Herzen und wird durch Investitionen in mehrere digitale Start-ups umgesetzt.

Wirtschaftsforum: Wie ist die Scheer Gruppe international aufgestellt?

Mario Baldi: Unsere Unternehmensgruppe ist mit 30 Niederlassungen weltweit vertreten und wir sind weiter auf Expansionskurs. Neben unseren neuen Büros in der Türkei und in Bosnien stärken wir gerade unsere Präsenz in den USA. Erst im letzten Jahr haben wir eine neue Niederlassung in Kroatien eröffnet, werden dort aber schon bald 100 Mitarbeiter beschäftigen. Als jüngstes EU-Mitglied bietet Kroatien gut ausgebildete und motivierte Fachkräfte. Wir wollen in den kommenden Jahren global weiterwachsen. Zurzeit haben wir 1.500 Mitarbeiter weltweit und einen Umsatz für die Gruppe von 150 Millionen EUR. Das Ziel ist in den nächsten fünf Jahren, diesen Umsatz auf 250 Millionen EUR zu erhöhen.

Mehr zum Thema Dienstleistungen & Consulting

Vom Automatenhersteller zum Systemanbieter

Interview mit Heinz Sander, Geschäftsführer und Andreas Wehrmann, Geschäftsführer der ICA Traffic GmbH

Vom Automatenhersteller zum Systemanbieter

Vor 25 Jahren stellte die ICA Traffic GmbH aus Dortmund ihre ersten Fahrkartenautomaten her und konnte sich in diesem Segment inzwischen einen stattlichen Marktanteil von circa 60% erarbeiten. Mit der…

Hochpräzise Kontrolle für die Halbleiterindustrie

Interview mit Dr. Peter Czurratis, Gründer der PVA TePla Analytical Systems GmbH und Metrologie-Experte der PVA TePla Gruppe

Hochpräzise Kontrolle für die Halbleiterindustrie

Die Halbleiterindustrie steht unter Strom – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn mit zunehmender Digitalisierung, E-Mobilität und globalem Datenhunger wächst auch der Bedarf an präziser Inspektionstechnologie. Die PVA TePla Analytical…

Nah am Kunden, stark im Wachstum

Interview mit Donald Badoux, Geschäftsführer und Christian Leupold, Marketing Manager der NorthC Deutschland GmbH

Nah am Kunden, stark im Wachstum

Die NorthC Deutschland GmbH hat sich in kurzer Zeit europaweit als relevanter Anbieter von Rechenzentrumsdienstleistungen etabliert und verbindet dabei nachhaltiges Wachstum und einen klaren Fokus auf die Zukunftsthemen Digitalisierung und…

Spannendes aus der Region Regionalverband Saarbrücken

Komplettes Programm für Private Label der Kunden

Interview mit Maximilian Jung, Geschäftsführer und Christian Jung, Geschäftsführer der Innopha GmbH

Komplettes Programm für Private Label der Kunden

Private Label Produkte in exzellenter Qualität beschreibt das Portfolio der Innopha GmbH. Das von zwei Generationen der Eigentümerfamilie Jung geführte Unternehmen im saarländischen Wadern bietet seinen Kunden ein umfassendes Sortiment…

Wie Fördermittel die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen

Interview mit Dr. Benjamin Hötzer, Geschäftsführer der Ignite GmbH

Wie Fördermittel die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen

In Zeiten rasanten technologischen Wandels und zunehmender globaler Konkurrenz sind Innovationskraft und nachhaltige Entwicklung entscheidende Faktoren für den Erfolg von Unternehmen. Fördermittel spielen dabei eine zentrale Rolle, indem sie finanzielle…

Problemlöser und Formgeber

Interview mit Thomas Schumacher und Thomas Simon, Geschäftsführer der Berthold Kunrath Gruppe

Problemlöser und Formgeber

Der Werkzeugbau ist eine wichtige Säule der deutschen Industrie und gilt als Rückgrat verschiedener Schlüsseltechnologien; beispielhaft ist die Automobilindustrie. Es sind vor allem kleine und mittelständische Betriebe, die den Sektor…

Das könnte Sie auch interessieren

Wie der Kunststoffspritzguss intelligenter wird

Interview mit Dr. Bastiaan Oud, CEO der Simcon kunststofftechnische Software GmbH

Wie der Kunststoffspritzguss intelligenter wird

Die Entwicklung und Herstellung neuer Komponenten und Werkzeuge im Kunststoffspritzgussverfahren ist ein hochkomplexer Prozess. Am Anfang stehen oft umfassende technische Simulationen, die eine passgenaue Auslegung der entsprechenden Formteile ermöglichen sollen.…

Nah am Kunden, stark im Wachstum

Interview mit Donald Badoux, Geschäftsführer und Christian Leupold, Marketing Manager der NorthC Deutschland GmbH

Nah am Kunden, stark im Wachstum

Die NorthC Deutschland GmbH hat sich in kurzer Zeit europaweit als relevanter Anbieter von Rechenzentrumsdienstleistungen etabliert und verbindet dabei nachhaltiges Wachstum und einen klaren Fokus auf die Zukunftsthemen Digitalisierung und…

Die neue Intelligenz der Mobilität

Interview mit Dr. Jürgen Weber, Geschäftsführer der CarByte Technology Group GmbH

Die neue Intelligenz der Mobilität

Ob Automobilindustrie, Landmaschinen oder Medizintechnik – die CarByte Technology Group GmbH begleitet die digitale Transformation komplexer Systeme von der Cloud bis zum Steuergerät. In kurzer Zeit wurde das Unternehmen zu…

TOP