Das größtmögliche Sehpotenzial erschließen

Interview mit Frank Dekker, Vice President DACH der Rodenstock GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Dekker, welche Meilensteine würden Sie in der langen Geschichte von Rodenstock besonders hervorheben?

Frank Dekker: Die Geschichte von Rodenstock ist eine Kombination aus langjähriger Tradition und Wandel, den das Unternehmen gerade in den letzten Jahren vollzogen hat. Sein Ursprung lag in Würzburg. Rodenstock war über vier Generationen in Familienhand. In früherer Vergangenheit konzentrierte man sich auf die Entwicklung von Brillengläsern und Brillengestellen vor allem aus mineralischen Materialien. Ein wichtiger Schritt war die Internationalisierung, die dazu geführt hat, dass wir heute auf der ganzen Welt mit Schwerpunkten in Europa, Südamerika und Asien vertreten sind. Wir haben unsere Fertigungstechnologie und Produktionsstruktur global aufgestellt. Unser Innovationszentrum ist nach wie vor in Deutschland. So beherbergt unser Headquarter in München die Forschungs- und Entwicklungsabteilung, in unserem Werk in Regen liegt hingegen die vorserielle Fertigung. Unsere Produktion ist zudem international aufgestellt und aus unserer Sicht die modernste Fertigungstechnologie weltweit. Da wir überall mit den gleichen Standards produzieren, können wir sehr schnell auf unterschiedliche Anforderungen reagieren. Das hat uns und unseren Kunden gerade in der Corona-Pandemie sehr geholfen.

Wirtschaftsforum: Sie haben diese Zeit also einigermaßen unbeschadet überstanden?

Frank Dekker: Wir sind stärker und mit viel weniger Umsatzrückgängen aus dieser Zeit herausgegangen als unsere Wettbewerber. Das liegt zum einen daran, dass wir die Lieferketten aufrechterhalten konnten. Zum anderen waren wir zuvor mit unserer neuen Technologie B.I.G. Vision® for all für noch besseres Sehen auf den Markt gegangen. Partner, die sich über diese Technologie positioniert haben, stehen im Zeitraum ab Juni 2020 sogar besser da als im Vorjahr.

Wirtschaftsforum: Was hat es mit dieser Technologie auf sich?

Frank Dekker: B.I.G. steht für Biometric Intelligent Glasses. Die Technologie basiert auf zwei Säulen: Bei der Entwicklung von Gleitsichtgläsern erfasst sie nicht nur die Refraktionswerte, die Auskunft über die Sehstärke geben, sondern lässt alle biometrischen Daten des Auges in die Vermessung einfließen. Die andere Säule ist unsere Scannertechnologie, die in der Lage ist, diese Daten am Auge zu erfassen und in eine Formel zu transportieren, die die entsprechende Fertigung der Brillengläser ermöglicht. Das ist in der Branche einzigartig. Bisher wurden Gläser auf der Grundlage von Standarddaten entwickelt, die irgendwann einmal erhoben und auf jedes Auge angewendet wurden. Bei unserer Technologie fließen dagegen die Daten, die das Gehirn beim Sehen verarbeitet, in die Fertigung der Gläser mit ein.

Wirtschaftsforum: Gibt es weitere Innovationen, die die Qualität des Sehens verbessern können?

Frank Dekker: Es gibt Forschungen zu der Frage, inwieweit die fortschreitende Kurzsichtigkeit eingedämmt werden kann. Die intensive Handynutzung etwa führt zu einer Veränderung der Struktur des Auges, die eine zunehmende Kurzsichtigkeit zur Folge hat. Möglicherweise wird man sich auch mit neuen Sehfeldern beschäftigen. Die Gleitsichtbrille ist eigentlich für alle Sehsituationen konzipiert. Das ständige Sitzen vor dem PC führt aber zu einer unnatürlichen Sehhaltung, die weder mit einer Lese- noch einer Gleitsichtbrille optimal auskorrigiert werden kann und somit neue Produktlösungen erfordert. Wir beschäftigen uns zunehmend mit den Themen Augengesundheit und Prävention. Bisher ging es bei der Oberfläche von Brillengläsern vor allem um Kratzfestigkeit, Entspiegelung und Pflegefreundlichkeit. Heute benötigen wir auch Gläser mit Schutz vor UV-Strahlen und Blaulicht.

Wirtschaftsforum: Wie schätzen Sie die zukünftige Marktentwicklung ein?

Frank Dekker: Der Bedarf an gutem Sehen wird immer da sein und sogar steigen. Wir sehen zwei Tendenzen, die auch zu einer Nachfrage nach neuen Sehlösungen führen werden: Die demografische Entwicklung hat einen jährlichen Zuwachs an Brillenträgern, insbesondere Gleitsichtbrillenträgern, zur Folge. Zudem findet heute fast die gesamte digitale Kommunikation über das Sehen statt. Der Markt, der bisher sehr heterogen war, wird sich auf jeden Fall verändern und sich konsolidieren.

Wirtschaftsforum: Was hat Sie bewogen, zu Rodenstock zu gehen, und was sind Ihre Hauptaufgaben?

Frank Dekker: Ich bin vor einem guten Jahr zu Rodenstock gewechselt, weil es eine starke deutsche Marke ist, die weiterentwickelt werden kann. Zuvor hatte man mit Anders Hedegaard einen neuen CEO geholt, der typisch skandinavisch innovativ und pragmatisch die Dinge vorantreibt. Meine Aufgabe ist, das Wachstum in der DACH-Region als unserem wirtschaftlich wichtigsten Bereich zu erhöhen. Es geht darum, Change-Prozesse mit einem Team erfahrener und neuer Mitarbeiter zu gestalten und neue Geschäftsfelder zu erschließen. Denn so ein traditionelles Unternehmen unterliegt manchmal einer gewissen Schwerfälligkeit in einer Zeit, in der sich Dinge schnell verändern. Unser Anspruch ist, unsere Unternehmenswerte auf neue Pfeiler zu setzen. Wir wollen nicht die Größten, sondern die Innovativsten sein, nicht nur im Hinblick auf unsere Produkte, sondern auch auf Mitarbeiterzufriedenheit und -Rekruiting. Daher sind wir dabei, die Unternehmenskultur zu verändern. Wir möchten ein Mitarbeiterteam haben, das die Dinge proaktiv voranbringt, und implementieren, dass Rodenstock dafür steht, alles zu tun, um bei jedem Menschen das größtmögliche Sehpotenzial zu erschließen.

Wirtschaftsforum: Sie sehen Ihre Zukunftspläne und Ziele aus?

Frank Dekker: Wir wollen mit B.I.G. Vision® for all und hier auch gemeinsam mit unseren Partnern wachsen. Meine Erwartung ist, dass wir, wie es zuletzt der Fall war, weiterhin das prozentual am stärksten wachsende Unternehmen in der Augenoptikbranche sein werden. Unser Schwerpunkt wird auch zukünftig auf der Weiterentwicklung von Technologien im Bereich Brillengläser liegen.

Interview: Manfred Brinkmann

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