Aus Tradition mobil machen

Interview mit Marius Hellwig, Geschäftsführer der reha team Halle GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Hellwig, die reha team Halle GmbH ist ein traditionsreiches Familienunternehmen mit einer fast 200-jährigen Geschichte. Sie sind seit 2020 Geschäftsführer in der 6. Generation der Familie. Was waren die entscheidenden Weichenstellungen in diesen Jahren?

Marius Hellwig: Das Unternehmen wurde 1831 gegründet, begann mit chirurgischen Werkzeugen und entwickelt sich konstant weiter. Mein Vater hat das Sanitätshaus nach der Wende auf einen sehr dynamischen Kurs gebracht und dafür einige Risiken in Kauf genommen.

Wirtschaftsforum: Wie sieht die heutige Aufstellung aus?

Marius Hellwig: Der Ursprung war das Sanitätshaus, das heute als Orthopädie-Technik und Sanitätshaus F. Hellwig GmbH am Markt agiert; später kam der Reha-Bereich hinzu, sodass wir heute zwei Partnerunternehmen haben, die gemeinsam am Markt auftreten, sich gegenseitig ergänzen und 80 Mitarbeiter beschäftigen. In beiden Unternehmen sind meine Schwester und ich Gesellschafter.

Wirtschaftsforum: Wie sind die Aufgaben aufgeteilt?

Marius Hellwig: Ein Sanitätshaus ist in der Regel ein Komplettanbieter mit den Bereichen Reha, Prothetik, Orthetik, Bandagen und Ähnlichem. Wir konzentrieren uns im reha team auf den Vertrieb typischer Produkte wie Pflegebetten, Rollstühle, Alltagshilfen oder Badewannenlifter, alles, was Senioren oder Menschen mit einer körperlichen Einschränkung benötigen, um im Alltag mobiler zu werden. Drei Bereiche stehen dabei im Vordergrund. In unserer Werkstatt fertigen wir individuelle Sitzschalen für schwerstbehinderte Kinder; dieser Bereich macht ungefähr 50% und damit den Schwerpunkt unserer Tätigkeit aus. Da man für diese Arbeit einen Meistertitel benötigt, den meine Schwester und ich haben, gibt es in diesem Segment nur wenige Anbieter. Ein zweites Standbein sind Standardprodukte für den geriatrischen Bereich, ein drittes die Versorgung der Rückenmarkstation der BG Klinik in Halle. Dort unterstützen wir zum Beispiel Menschen, die einen Auto- oder Arbeitsunfall erlitten haben, im Bereich der Rückenmarksproblematik.

Wirtschaftsforum: Die Kinder-Reha ist Schwerpunkt des Portfolios. Was machen Sie hier anders als andere?

Marius Hellwig: Wir sind ein Meisterbetrieb mit eigener Werkstatt, um individuell fertigen zu können; dass ist ein großer Vorteil. Hinzu kommt, das wir uns in der Kinder-Reha ein großes Netzwerk aufbauen konnten, um Kinder und ihre Eltern optimal zu beraten und mit entsprechenden Hilfsmitteln zu unterstützen. Wir fertigen zum Beispiel Orthesen und Prothesen für alle Körperregionen, arbeiten mit modernster Technik wie 3-D-Scannern und CNC-Maschinen und stellen uns beim Design auf die Ansprüche der Kinder ein. So konnten wir uns in der Kinder-Reha sehr gut positionieren; 80% der Aufträge in diesem Bereich erhalten wir über die Sozialpädriatrischen Zentren Halle und Dessau. Unsere Kunden bekommen in der Regel Rezepte von Ärzten, SPZs oder Klinken, die von den Krankenkassen übernommen werden.

Wirtschaftsforum: Sie haben 2020, zur Zeit der Coronakrise, die Geschäftsführung übernommen. Wie hat sich das Unternehmen seitdem entwickelt?

Marius Hellwig: Es waren drei herausfordernde Jahre, in denen wir aber den Umsatz stabil halten konnten. Wir galten zwar als systemrelevant, aber die Rahmenbedingungen waren schwierig. 2023 konnten wir ein deutliches Umsatzwachstum verzeichnen, ein Plus von 30%.

Wirtschaftsforum: Sehen Sie einen besonderen Grund für diese Steigerung? Wo liegen generell die Stärken des Unternehmens?

Marius Hellwig: Wir sind ein Familienunternehmen mit einer langen Tradition, das man in der Region als zuverlässigen Partner kennt und schätzt. Viele Anbieter wurden in den vergangenen Jahren von Hedgefonds aufgekauft, die individuelle Betreuung und die Qualität haben darunter gelitten. Durch diese Marktveränderungen konnten wir Kunden hinzugewinnen, Kunden, die Wert auf eine persönliche Betreuung vor Ort legen. Ein großer Pluspunkt ist unser Standort in Halle, an dem alles zentral organisiert ist. Regionalität und die damit verbundene Kundennähe halten wir für sehr wichtig. Wir arbeiten in einem Umkreis von 70 km, um auch nach dem Kauf einen professionellen Service bieten zu können. Nicht zuletzt ergeben sich durch die beiden Unternehmen schöne Synergien. Das Sanitätshaus hat verschiedene Filialen, über die wir Aufträge in Kliniken bekommen, in denen wir selbst nicht tätig sind, und umgekehrt nutzen unsere Kunden oft Hilfsmittel des Sanitätshauses.

Wirtschaftsforum: Das reha team Halle blickt auf eine beeindruckende Geschichte zurück. Wie wird es für das Unternehmen in Zukunft weitergehen?

Marius Hellwig: Wir werden an unserer regionalen Verankerung festhalten, um weiterhin Produkte und Services auf hohem Niveau garantieren zu können. Momentan bauen wir eine neue Lagerhalle; wir wollen nicht um jeden Preis wachsen, sondern zentral expandieren. Was mir persönlich Sorgen macht, ist die derzeitige wirtschaftliche Lage. Die Streikkultur ist sehr stark ausgeprägt; für kleine und mittlere Unternehmen, die nicht an Tarife gebunden sind, ist das schwer nachzuvollziehen. In unserer Branche bleiben die Preise gleich, während die Kosten steigen; für viele ist das eine große Herausforderung. Und viele scheitern daran.

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