Nicht einmal die Weltwirtschaft wächst automatisch immer weiter zusammen

Interview mit Stefan Baron, Journalist und Autor

Wirtschaftsforum: Herr Baron, als Psychogramm gilt per Definition das psychologische Profil einer Person. Sie haben sich die 1,4 Milliarden Einwohner Chinas vorgenommen. Inwiefern haben Ihre Ehefrau und Sie als Autoren ein Faible für herkulische Taten?

Stefan Baron: Uns war schon klar, dass der Versuch, ein Psychogramm des größten Volkes der Erde zu zeichnen, eine sehr anspruchsvolle Aufgabe darstellt; dass wir uns dieser mit der gebotenen Demut nähern und entsprechende Einschränkungen machen müssen. Deswegen haben wir dem Ganzen ein Kapitel über „Vielfalt und kollektives (Unter-)Bewusstsein“ von Völkern vorangestellt. Menschen sind keine homogenen Wesen, sondern von einer Vielzahl verschiedener Zugehörigkeiten geprägt, die sie von ihren Mitmenschen unterscheiden  - auch solchen derselben Kultur, Volksgruppe oder Nationalität. Das gilt selbstverständlich und gerade auch für Chinesen. Dennoch ist ihnen ein Fundus an Gemeinsamkeiten im Denken, Fühlen und Handeln eigen, der für sie als typisch bezeichnet werden kann und der sie von anderen Völkern unterscheidet.

Wirtschaftsforum: In der Einführung Ihres Buches skizzieren Sie eine „Kluft des Verstehens“ zwischen westlichen Ländern und China. Dabei wächst die Weltwirtschaft, so der Eindruck, automatisch zusammen. Warum braucht es dennoch die kulturelle Brücke?

Stefan Baron: Wie wir an dem derzeit wieder wachsenden Protektionismus sehen können wächst die Weltwirtschaft nicht automatisch immer weiter zusammen. Und für die verschiedenen Kulturen gilt das schon garnicht. Der im Westen weit verbreitete Glaube, am Ende werde die ganze Welt wie wir, ist ein hochmütiger Irrglaube. Die Globalisierung hat die Welt wirtschaftlich zusammenrücken lassen, zugleich aber das Bewusstsein kultureller Differenz geschärft und damit auch die Notwendigkeit verstärkt, fremde Kulturen zu verstehen und sich immer wieder aufs Neue um eine friedliche Koexistenz der einzelnen Kulturen zu bemühen. 

Stefan Baron, Journalist und Autor
„Der im Westen weit verbreitete Glaube, am Ende werde die ganze Welt wie wir, ist ein hochmütiger Irrglaube.“ Stefan Baron

Wirtschaftsforum: Die Rivalität zwischen den USA und China auf der weltpolitischen Bühne flackert immer wieder auf. Befeuert wird sie vornehmlich durch die USA. Warum bleibt die Führung Chinas dabei so unheimlich gelassen?

Stefan Baron: Gelassenheit im Sinne von „wuwei“, d.h. nicht überhastet handeln, ist eine chinesische Eigenschaft. Die Chinesen sind so gelassen, weil sie sich sicher sind, dass die Zeit für sie arbeitet und ihr (Wieder-)Aufstieg zur stärksten Wirtschaftsmacht der Welt von niemandem mehr verhindert werden kann - außer von ihnen selbst. 

Stefan Baron, Journalist und Autor
„Die Chinesen sind so gelassen, weil sie sich sicher sind, dass die Zeit für sie arbeitet und ihr (Wieder-)Aufstieg zur stärksten Wirtschaftsmacht der Welt von niemandem mehr verhindert werden kann.“ Stefan Baron

Wirtschaftsforum: In diesem Disput sitzen Länder wie Deutschland ein Stück weit zwischen den Stühlen. Welche Rolle empfehlen Sie dem Exportweltmeister, gerade im Hinblick auf wirtschaftliche Entscheidungen, künftig einzunehmen?

Stefan Baron: Ich kann Deutschland  (und mit ihm ganz Europa) nur empfehlen, sich zunächst ein klares Bild sowohl über die amerikanischen als und vor allem auch über die chinesischen Absichten zu verschaffen und dann strikt nach den ureigenen langfristigen Interessen zu handeln und nicht irgendwelchen überkommenen Sentimentalitäten nachzuhängen. Die Wirtschaft ist dabei nicht alles, aber ohne Wirtschaft ist alles nichts.

Stefan Baron, Journalist und Autor
„Die Chinesen kennen uns in Europa heute viel besser als wir umgekehrt sie.“ Stefan Baron

Wirtschaftsforum: „Die Chinesen“ soll einen Einblick in die Seele des chinesischen Volkes geben. Könnten Sie sich im Umkehrschluss vorstellen, ein Buch mit dem Titel „Die Europäer“ für eine chinesische Leserschaft zu verfassen oder besteht dahingehend kein Bedarf?

Stefan Baron: Die Chinesen kennen uns Europäer heute viel besser als umgekehrt. Sie haben einmal in ihrer Geschichte den Rat eines ihrer großen alten Denker, des Strategen Sunzi, missachtet, der da lautet: Wenn Du Dich selbst kennst und den anderen, gewinnst Du jede Schlacht. Die Folge waren Niedergang und Demütigung. Das soll ihnen nicht noch einmal passieren. Wir im Westen hingegen sind heute drauf und dran denselben Fehler zu begehen wie einst die Chinesen. Indem wir die Chinesen den Deutschen näher bringen wollen wir mit unserem Buch auch einen bescheidenen Beitrag dazu leisten, diesen folgenschweren Fehler doch noch zu vermeiden. Dazu, öffentlich gute Ratschläge an die Adresse der Chinesen zu richten, fühlen wir uns nicht aufgerufen.

Interview: Markus Büssecker / Fotos: © AndreasPohlmann/Wirtschaftswoche und privat

Tags
Nach themenverwandten Beiträgen filtern

Mehr zum Thema

Passion für Mobilität

Interview mit Eugène Krabbenborg, CEO der Fleet Support Group B.V

Passion für Mobilität

Wer sich als Unternehmer wirklich auf sein Kerngeschäft fokussieren möchte, ist froh, wenn er zuverlässige Partner hat, die ihn entlasten. Ein solcher Partner ist die niederländische Fleet Support Group. B.V.…

Tierisch digital

Interview mit Christian Lehmann, Co-CEO der Deine Tierwelt GmbH

Tierisch digital

Die Deine Tierwelt GmbH mit Sitz in Hannover hat sich in den vergangenen 18 Jahren von einer Online-Kleinanzeigenplattform zu einer der führenden Communities für Tierfreunde im deutschsprachigen Raum entwickelt. Im…

Verpackt für den Erfolg: Nachhaltige Präsentationen

Interview mit Joachim Kratschmayr, Geschäftsführer der Packservice Gruppe

Verpackt für den Erfolg: Nachhaltige Präsentationen

Die Packservice Gruppe hat sich seit ihrer Gründung im Jahr 1980 in Karlsruhe zu einem führenden Anbieter von hochwertigen Verpackungslösungen und Logistikdienstleistungen entwickelt. Mit über 20 Standorten und mehr als…

Spannendes aus der Region

Papier im Kreislauf – nachhaltig denken, effizient handeln

Interview mit Gerald Prinzhorn, CEO der PRINZHORN HOLDING GmbH

Papier im Kreislauf – nachhaltig denken, effizient handeln

Die Prinzhorn Group mit Sitz in Wien zählt zu Europas führenden Unternehmen im Bereich Papier, Verpackung und Recycling. Im Gespräch mit Wirtschaftsforum spricht Gerald Prinzhorn, CEO der Gruppe und Vertreter…

Zwei Marken, ein Anspruch – Genuss, der überzeugt

Interview mit Stefan Kunzmann, Managing Director der Euryza GmbH

Zwei Marken, ein Anspruch – Genuss, der überzeugt

Reis ist weit mehr als eine schlichte Sättigungsbeilage: kalorienarm, nährstoffreich, glutenfrei und voller komplexer Kohlenhydrate liefert er Energie, die lange vorhält – und passt in jede moderne Ernährungsweise. Für die…

Verpackt für den Erfolg: Nachhaltige Präsentationen

Interview mit Joachim Kratschmayr, Geschäftsführer der Packservice Gruppe

Verpackt für den Erfolg: Nachhaltige Präsentationen

Die Packservice Gruppe hat sich seit ihrer Gründung im Jahr 1980 in Karlsruhe zu einem führenden Anbieter von hochwertigen Verpackungslösungen und Logistikdienstleistungen entwickelt. Mit über 20 Standorten und mehr als…

Das könnte Sie auch interessieren

Die Gebäudetechnik der Zukunft

Interview mit Michael Übel, Geschäftsführer der KLE Gruppe

Die Gebäudetechnik der Zukunft

Seit ihrer Gründung im Jahr 1979 hat sich die Kretz + Wahl Gebäudetechnik GmbH & Co. KG von einem traditionellen Handwerksbetrieb zu einem innovativen Marktführer in der Gebäudetechnik…

Mit Know-how und KI: Software für den Kreditprozess

Interview mit Thomas Jansen, Vorstand der SUBITO AG

Mit Know-how und KI: Software für den Kreditprozess

Unternehmen steigern ihre Effizienz, indem Abläufe so weit wie möglich automatisiert werden. Mitarbeitende können dann dort eingesetzt werden, wo es den Menschen wirklich braucht. In der Finanzindustrie sind es vor…

Design-Schalter für Smart Home und Smart Building

Interview mit Jürgen Kitz, Geschäftsführer Marketing und Vertrieb der Albrecht JUNG GmbH & Co. KG

Design-Schalter für Smart Home und Smart Building

Entweder an oder aus – Lichtschalter haben eine ganz klare Funktion. Doch auch ein so allgegenwärtiges und einfaches Produkt lässt sich immer wieder neu erfinden. Seit der Gründung im Jahr…

TOP